Zudem: Wie lebt er selbst, der Öko-Coach?

Zudem: Wie lebt er selbst, der Öko-Coach?

Endlich bin ich wieder aufgetaucht, nach zwei Wochen Gewaltsgrippe inklusive Stimmverlust. Das kommt davon, wenn man ohne Wollkappe – zwei Exemplare in diesem Winter im Zug verloren – durch die Schweiz schwirrt und neben allen Aufgaben als Geschäftsleiter auch noch von einer TV-Aufnahme zur anderen sich hangelt.

Der anstrengendste Aufnahmetag war der Osterdienstag. St. Gallen und das Tösstal, das linke Zürichseeufer und das Zugerland lagen unter wunderschönen, blendend weissen, flauschigen Schneedecken und Christian Rensch, TV-Redaktor, Marc Bachmann, Kameramann und ich kurvten von einer Kandidaten-Familie zur anderen. Ich auf dem Hintersitz, dick eingepackt, mit wärmendem Nierengurt und allerlei Heilmittel versehen. Durchhalten, hiess meine Parole. Rund 80 Leute hatten sich beim Schweizer Fernsehen auf die Aufrufe in «Lebenlive» gemeldet, mit Angabe ihres eigenen Fussabdruckes und der Bereitschaft für die Kandidatur als Ökostar sich auch vom Fernsehen besuchen und von mir als Öko-Coach checken zu lassen.

Aus diesen 80 Kanidatinnen und Kandidaten wählten wir diejenigen mit den allerbesten Fussabdrücken aus: Schweizerinnen und Schweizer, die mit ihrem Lebensstil nur zwischen 1.0 bis 1.5 Welten verbrauchen. Ein paar schieden aus, weil sie ausserhalb des Sendegebietes des Deutschschweizer Fernsehens lebten, sich mit ihnen keine Zeit für die TV-Aufnahme finden liess oder sie sich ganz am Schluss doch nicht in die gute Stube blicken lassen wollten.

Nach dem intensiven Aufnahmetag nach Ostern war klar: Die Bestplatzierten liegen ganz ganz nahe beieinander. Um die Rangierung so gerecht wie möglich zu machen, zogen wir nicht nur jene erwachsene Person ins Ranking ein, die sich beim TV mit ihrem eigenen Fussabdruck gemeldet hatte, sondern auch noch den zweiten Elternteil. Und so erreichten wir schliesslich eine – wenn auch weiterhin ganz knappe – Abstufung:

Da ist eine Familie, die sich nicht zuletzt dank ihrer vegetarischen Ernährung ganz weit vorn platziert. Und wie! Mit einer entspannten Selbstverständlichkeit, die seinesgleichen sucht, leben sie zu viert in einer Mietwohnung, gehen mit einer erfrischend unverkrampften Einstellung all die täglichen Ökothemen an und sind der quicklebendige Beweis, dass Umweltschutz sicher niemandem am glücklich sein hindert. Im Gegenteil, vielleicht trägt ein faires Leben, worin man nicht nur an das eigene Wohlergehen denkt, einen grossen Teil zum eigenen Glück erst bei.

Dann ist da eine Familie, die ein so rundum naturnahes Leben lebt, dass man sich am Hinterkopf kratzt und leise sagt: «Himmel, was haben wir nicht alles der Arbeitsteilung, dem Pendlerdasein und der Hightech-Arbeitswelt geopfert..» Als Biobauern kümmern sie sich tagein und aus um 500 (!) hochstämmige Obstbäume, pflegen ein mehrere hundert Jahre altes Bauernhaus und die Grosseltern darin gleich mit, ernähren sich weitgehend aus dem eigenen Gemüsegarten, tüfteln an solarbetriebenen Dörranlagen und einer Holzzentralheizung und gehen mit dem Elektromobil einkaufen. Ferien? Wieso auch, sie leben ja im Lot.

Und zum Dritten besuchten wir eine Familie, die sich eigentlich mit den Vorgaben des Architekten hätten zufrieden geben können, als sie vor zwei Jahren eines von 14 Reihen-Einfamilienhäuser kauften: Wärmepumpe und Erdsonde und Minergie-Bauweise, das reicht doch alleweil für ein grünes Leben. Doch nein, sie setzten auch noch Solarkollektoren für die Warmwasseraufbereitung, Schweizer Holz für die Parkettböden und energiesparende Haushaltgeräte durch. Und abends machte sich der Ehemann im Internet auf die Suche nach Energiesparleuchten, die auch in diese kleinen, vertrackt speziellen Deckenlampen passen.

Wer ist nun Familie Ökostar Nr. 1 unter diesen drei Vorzeige-Gestirnen? TV schauen am Freitagabend, 4. April, 20:50 Uhr!

PS1: Trinkt der Ökocoach Wein, derweil er Wasser predigt? Ich werde ab und an gefragt, wie gross mein eigener Fussabdruck sei. 1.5 Welten brauche ich zum Leben. Von einer noch besseren Ökobilanz entfernt bin ich aufgrund meines Arbeitsweges von Graubünden nach Zürich, weil wir zwar wenig aber eben doch Fleisch essen, wenn auch strikt von lokalen Biobauern, die ihr Vieh im Sommer auf Alpweiden halten; und auch weil noch nicht alle Geräte in dem gemieteten, älteren Haus den besten Energieverbrauchsstandard ausweisen. Immerhin: Wir haben kein Auto, machen die Einkäufe mit Velo und Anhänger und Anke gärtnert im eigenen Gemüsegarten. Agrena liebt es Rüebli aus der feuchten Erde zu hieven. Ich schliesse brav und mit scharfem Seitenblick auf die Heizkosten die Fensterläden nachts und alle wohnen wir bei echten 19 Grad Celsius Raumtemperatur. Jaromir, der Jüngste, hat clever konzipierte Stoffwindeln am Hintern, was nicht mehr als einen einzigen 35-Liter-Abfallsack pro Woche ergibt.

PS2: Verdient man was als Öko-Coach beim Schweizer TV? Theoretisch ja: 5’000 CHF erhalte ich pauschal für allen Zeitaufwand, der schliesslich bei 60 – 80 Arbeitsstunden liegen wird. Praktisch jedoch nein: Da Greenpeace kein Geld von der öffentlichen Hand annimmt – was beim gebührenfinanzierten Schweizer Fernsehen ja sozusagen der Fall ist – und ich ohnehin meinen Lohn von Greenpeace beziehe, geben wir das ganze Honorar für den Bau einer Solaranlage auf einem Kinderheim in Niederbipp weiter. Dort kann man den Zustupf noch so gut gebrauchen.

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