Der verheerende Taifun Ketsana hat 80% von Manila überflutet und grosse Zerstörungen angerichtet. Noch nie ist soviel Regen in so kurzer Zeit gefallen. Wenige Tage später bringt der nachrückende Supertaifun Parma noch mehr Tod und Chaos über die Philippinen und Südostasien. Ich bin Greenpeace-Campaigner und habe die Klimakatastrophe am eigenen Leib erfahren. Ich berichte aus Manila, wo ich zur Zeit für Greenpeace International arbeite. Dies ist Teil 1, weitere Eindrücke werde ich euch in den kommenden Tagen schildern.

Der verheerende Taifun Ketsana hat 80% von Manila überflutet und grosse Zerstörungen angerichtet. Noch nie ist soviel Regen in so kurzer Zeit gefallen. Wenige Tage später bringt der nachrückende Supertaifun Parma noch mehr Tod und Chaos über die Philippinen und Südostasien. Ich bin Greenpeace-Campaigner und habe die Klimakatastrophe am eigenen Leib erfahren. Ich berichte aus Manila, wo ich zur Zeit für Greenpeace International arbeite. Dies ist Teil 1, weitere Eindrücke werde ich euch in den kommenden Tagen schildern.

© Gigie Cruz / Greenpeace

Samstag, 26.9.2009: Erste Eindrücke vom Taifun

Ich schaue aus dem Fenster und denke: So viel Regen sah ich noch nie! Mit Pellerine, Flipflops und Kamera mache ich mich neugierig auf den Weg. Ich reibe mir die Augen: Im tiefer gelegenen Erdgeschoss steht das Wasser bereits kniehoch. Hausbewohner waten durch das Wasser und schleppen Fernseher, Möbel und anderen Hausrat über das Treppenhaus in obere Geschosse. Über die etwas höher gelegene Strasse ergiesst sich jetzt ein reissender Bach, knöcheltief über die ganze Breite, aber noch gut passierbar.

Die Strassenkinder und -familien kauern unter Vordächern, ihre wenigen Habseligkeiten in Plastiktüten verpackt. Der Verkehr auf der Hauptstrasse geht nur noch in eine Richtung, kein Bus weit und breit, alle Taxis sind besetzt. Der Strassenlärm geht im Rauschen und stossweisen Trommeln des Regens unter. Starke Windböen und der dichte Regen behindern die Sicht, die Pellerine flattert wild. Wie andere auch, die kein Transportmittel gefunden haben, stapfe ich zu Fuss durch das Wasser Richtung Strassenbahn.

Ich will an eine Ausstellung und muss deshalb einmal quer durch die ganze Stadt. Von höher gelegenen Seitenstrassen ergiesst sich graues und braunes Wasser auf die Hauptstrasse, in Senken beginnt es sich zu stauen. Die Kanalisation ist heillos überfordert, kann die Wassermassen und den Müll nicht schlucken. Die meisten Autos drehen um, andere fahren langsam durch die Pfützen und werfen dabei regelrecht Wellen auf. Eine Seitenstrasse, die ich sonst jeden Tag benutze, hat sich in einen See verwandelt, das Wasser brusthoch, im tiefsten Punkt der Senke ist ein Lastwagen abgesoffen. Kinder springen von der Ladefläche ins Wasser, schwimmen um den Laster und klettern wieder hoch, während Männer versuchen, die Fracht in Sicherheit zu bringen.

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Schliesslich finde ich doch noch einen Taxifahrer, das mich für den doppelten Preis auf seinem Heimweg mitnehmen will. Sowohl er als auch ich sind nass bis auf die Haut. Unterwegs hält er mehrmals, um weitere Leute aufzugabeln, die wild mit den Armen winkend um Mitfahrt bitten. Immer wieder schwappt Wasser von aussen ins Taxi rein. Unsere Fahrbahn ist verkehrsfrei, während die durch eine Mauer abgetrennte Gegenfahrbahn voll von hupenden, in sich verkeilten Autos ist. Das Wasser muss dort schon einiges höher stehen.

Dann treffen die ersten SMS von Greenpeace ein. Wer noch in Manila ist, soll sich melden und in Sicherheit bringen, Trinkwasser und Essen horten, alle Handys aufladen, das überforderte Telekommunikationsnetz möglichst wenig belasten – und bis morgen bleiben, wo man ist. Nichts in der Stadt geht mehr und der eigentliche Sturm kommt erst. Freiwillige und das Aktionsteam seien dabei, die Greenpeace-Schlauchboote bereit zu machen für allfällige Rettungseinsätze. Die Lage ist also ernst! Fern von meinem eigentlichen Ziel steige ich aus dem Taxi und komme bei Kollegen unter. Dort, im 31. Stock eines der modernen Wohnhotels, verfolgen wir bis am nächsten Tag die News.

Sonntag, 27.9.2009: Entfesselte Natur

Was ich dort am TV sehe verschlägt mir den Atem. Schlammige Wassermassen überfluten die Stadt, ganze Stadtviertel sind verschwunden, nicht einmal die Dächer ragen aus dem Wasser. Häuserzeile um Häuserzeile entlang der Flüsse und Kanäle werden vom reissenden Strom weggerissen. Menschen auf der Flucht, Kleinkinder, Alte, Schwache, Erschöpfte, auf den Wellblechdächern um Hilfe rufend, gegen die Wassermassen kämpfend. Menschen in ihren Autos, die nur noch auf das Autodach klettern können, während die Fahrzeuge von den Fluten herumgeschoben werden. Arme Teufel, die mit hoher Geschwindigkeit mitten im reissenden Fluss und hohem Wellengang dahin treiben, auf Schwemmgut, das vielleicht ihr Hausdach war.

Menschen, die auf die Strommasten geklettert sind und sich entlang der Kabel entlang hangeln. Ich sehe verzweifelte Menschen, die gegen die Fluten kämpfen, einander Seile zuwerfen, sich gegenseitig helfen, so gut es geht in dieser Not. Und ich sehe auch Menschen, die in den Fluten untergehen und unter Schlammlawinen oder Häuser begraben werden. Ich erfahre auch von Menschen, die an Stromschlägen und Feuer erliegen.

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Video von BBC

Greenpeace im Rettungseinsatz

Freiwillige und Angestellte von Greenpeace Philippinen haben sich trotz Flut und Chaos innert kurzer Zeit zum Lager durchgekämpft und die drei Schlauchboote einsatzbereit gemacht. Zusammen mit dem Philippinischen Roten Kreuz wagen sie sich in die Fluten und bringen zahlreiche Menschen, die auf ihren Hausdächern gestrandet sind, in Sicherheit und kümmern sich um Verletzte. Das ist sehr mutig und nicht ungefährlich: die starke Strömung, niedrig hängende Stromkabel, Hindernisse wie überflutete Autos und spitze Gegenstände im Wasser sowie Treibgut können die Schlauchboote, Motoren und Helfer leicht gefährden. Greenpeace und das Rote Kreuz gehörten zu den ersten Rettungskräfte vor Ort, und waren von Samstag Abend bis Montag Morgen im Einsatz.

Greenpeace Freiwillige auf einem Schlauchboot

Meine Greenpeace-KollegInnen haben mir später berichtet, wie unvorbereitet alle waren, mit solchen extremen Wetterereignissen umzugehen. Auch nachdem das Wasser zurück gegangen ist, waren Rettungskräfte heillos überfordert – die Menschen waren auf sich alleine gestellt. Überlebende, die es gerade noch auf ihre Hausdächer geschafft haben, mussten die Nacht ohne Wasser und Essen, lediglich mit den nassen Kleidern am Leib im Dunkeln ausharren, bevor sie am nächsten Morgen weg schwimmen konnten.

Das philippinische Greenpeace-Team hat sehr schnell reagiert und zur rechten Zeit auch eine Forderung zum Klimaschutz an die UN-Verhandlung nach Bangkok geschickt.

Update: Hier geht’s zum Teil 2

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