Ich bin Greenpeace-Campaigner und habe die Klimakatastrophe am eigenen Leib erfahren. Ich berichte aus Manila, wo ich zur Zeit für Greenpeace International arbeite. Hier ist Teil 2 meiner Schilderungen, den Teil 1 findest du hier.

Ich bin Greenpeace-Campaigner und habe die Klimakatastrophe am eigenen Leib erfahren. Ich berichte aus Manila, wo ich zur Zeit für Greenpeace International arbeite. Hier ist Teil 2 meiner Schilderungen, den Teil 1 findest du hier.

Montag bis Freitag, 28.9. – 2.10.09

Nach der Klimakatastrophe: Menschen in Not

Ein eigenartiges Gefühl: ich sitze sicher und trocken in meiner Wohnung im dritten Stock – während ich zu Essen, zu Trinken, Strom und Internet habe, haben Andere alles verloren, was sie jemals besessen hatten. An normales Arbeiten im Büro ist nicht zu denken. Ich versuche mir über Internet einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Ich telefoniere, um herauszufinden, wo ich helfen kann. Nichts – das Greenpeace-Bootsteam ruht sich nach den Einsätzen vom Wochenende aus, die Hilfsgüter-Verteilung läuft erst langsam an. Ich schreibe einen Spendenaufruf-Newsletter in die Schweiz – es werden dringend Spenden benötigt, damit die Hilfe überhaupt erst anlaufen kann.

Im Fernsehen sehe ich Bilder von der Zerstörung – und hungrige, trauernde und wütende Menschen. Sie wurden alleine gelassen. Der Staat ist wenig präsent. Weder hilft er vor Ort mit Booten, Helikoptern, Fahrzeugen, Räumungsmaterial und Mannschaften, noch sorgt er im Fernsehen mit Informationen und Anweisungen für Orientierung und Koordination. Philipinos erwarten wenig von ihrer Regierung, die wegen Korruption, skrupelloser Vetternwirtschaft und Menschenrechtsverletzungen von sich reden macht. Offenbar liegt es an den familiären und sozialen Netzwerken, für ihre Angehörigen zu sorgen. Private TV-Stationen sind für die Info zuständig, hunderte von NGOs, Hilfswerke, Kirchen, Medien, Firmen und auch ruhmsüchtige Politiker springen in die Lücke. Die Solidarität unter den Leuten ist überwältigend! Das ist «bayanihan», der im einfachen philippinischen Volk verankerte Gemeinschaftssinn und die unbeschreibbare Hilfsbereitschaft, ohne die das Land schon lange nicht mehr funktionieren würde. Studenten, Angestellte, normale BürgerInnen – niemand, der nicht etwas spendet oder in irgendwelche NGO-Büros oder Hinterhöfen Hilfspakete schnürt, bestehend aus Reis, Wasser, Kleider, Seife, Kerzen, Hygieneartikel und Medikamenten. Über die persönlichen Kontakte vor Ort sind die NGO und Hilfswerke informiert, welche Familien welche Hilfsgüter brauchen. Weil die Frauen- und Communityorganisation GABRIELA, die ich gut kenne, am schnellsten reagiert, bringe ich dort die ersten Cash-Spenden, die auf meinen Spendeaufruf per Email versprochen wurden, vorbei und helfe grad beim Einpacken und verteilen der Güter an 150 Familien in einer Armensiedelung, die bis unters Dach im Wasser stand. Die Verteilaktion erstaunlich gut organisiert.

Es ist insgesamt sicher nicht die effizienteste Art, eine Katastrophe solchen Ausmasses so zu bewältigen – aber in Ermangelung einer besseren, staatlich koordinierten Krisenbewältigung ist dies ganz offensichtlich am wirksamsten

Freitag, 30.9.09

Warnung vor dem nächsten Supertaifun!

Das Ausmass der Klimkatastrophe ist noch kaum ersichtlich und das Wasser in vielen Gebieten noch brusthoch, da wird vom staatlichen Wetterdienst PAGASA aufs Wochenende der nächste Sturm angekündigt. «Parma» mit Kurs auf Metromanila entwickelt sich möglicherweise zu einem Supertaifun der oberten Stärkeklasse 5. Er ist einiges stärker als «Ketsana» und bringt wohl auch mehr Regen. Ich darf gar nicht daran denken, was das viele neue Wasser anrichten würde – die Kanalisation ist seit einer Woche hoffnungslos mit Abfall und Schwemmgut verstopft, einige Dämme bereits bis zum überlaufen voll – jeder Tropfen, der fällt, liesse den Wasserpegel in den Quartieren weiter ansteigen. Was passierte mit den stinkenden Abfallhaufen und Tierkadaver, die von den Bewohnern aus ihren Quartieren ausgemistet und am Strassenrand aufgetürmt wurden? Die Leute sind traumatisiert und nur noch erschöpft, die öffentlichen Dienste überfordert, Spitäler und Evakuationszentren bereits jetzt im Chaos. Selbst die Regierung sagt, dass sie einen weiteren Schicksalsschlag nicht mehr ohne weiteres verkraften würde und ruft öffentlich zum Beten auf.
Wir von Greenpeace bereiten uns währenddessen im Büro und im Lager auf den Supertaifun vor. Wir diskutieren die Erfahrungen der vergangenen Woche, die Notwendigkeit sich einem verlässlichen und erfahrenen Partner anzuschliessen (den es leider nicht gibt), machen Einsatzpläne und kontrollieren Schlauchboote und Motoren, wasserfeste Generatoren und Leuchten, sowie Funkanlagen und Notfall-Medikamente. Aufs äusserste gespannt und entschlossen, aber immer noch mit der unerschütterlichen Zuversicht und dem Humor der Philippinos, warten wir im Büro auf das, was kommt. Wir haben Schlafsäcke. Essen und Kerzen für mindestens drei Wochen!

17_GP-prep118_GP-prep2Gott sei Dank, in der Nacht vernehmen wir aus dem Radio, dass der Taifun «Parma» seinen Kurs geändert hat und gegen Norden Richtung Bergprovinz abdreht hat. Gott hat die staatlich verordneten Gebete aus Manila gehört, wohl aber nicht die Gebete der Bergprovinz-Bewohner. Für Greenpeace bedeutet dies: Rückstufung auf Alarmstufe 3, morgen keine Rettungseinsätze, dafür aber Hilfsgüter-Verteilaktionen für die Angehörigen der Greenpeace-Familien…

Samstag/Sonntag 1./2.10.09

Greenpeace-Hilfsaktionen für Angehörige und Quartiere

Bei Greenpeace sind 25 Familien und Angehörige von Mitarbeitern, Freiwilligen und Direct Dialogern betroffen, zum Glück alle unversehrt. Während ein Teil von uns die Bedürfnisse und Verkehrswege vor Ort abklärt, machen andere den Toxics Water Patrol-Bus (eigentlich für andere Einsätze gedacht) und die Hilfsgüter bereit. Der Weg ist weit und die von Müll, Schlamm und Autos verstopften Strassen verhindern ein rasches Vorankommen. Wir brauchen zwei Tage, um alle Familien zu erreichen. Ihre Verluste, Erlebnisse und Geschichten sind erschütternd. Wie unerwartet alles kam, wie schnell die Flut gestiegen ist, wie sie sich gegenseitig gerettet haben und die erste Nacht im Dunklen überlebt haben, wie sie begonnen haben, ihre Habseligkeiten auf den Dächern zu trocknen, ihre Wohnungen zu putzen oder versuchten Angehörigen und vermisste Nachbarn zu kontaktieren. Manche, vor allem all diejenigen, die täglich für ihr Brot arbeiten müssten, haben Hunger und Durst. Sie sind dankbar um jede Hilfe. Versichert gegen die Schäden ist hier niemand, staatliche Unterstützung haben sie bisher noch keine erhalten…

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