Cyrill Studer ist Klimaexperte von Greenpeace Schweiz und schreibt direkt aus Kopenhagen
Cyrill Studer ist Klimaexperte von Greenpeace Schweiz und schreibt direkt aus Kopenhagen

Kommt man mit einem unbefangenen Blick zur COP 15, könnte man in Jubeltänze ausbrechen: Auf dem Fahrrad in die Innenstadt fährt man an Skulpturen, Ausstellungen und Mitmachmöglichkeiten zum Klimathema vorbei. Wenn man aus der vollautomatisierten Hochbahn steigt, sieht man hinter dem Konferenzgebäude ein Windrad drehen. Unten in der Fussgängerzone offerieren Greenpeace-Freiwillige Kaffee und versuchen vor allem mit Delegierten ins Gespräch zu kommen. Im Bella Center selber sind die Gefahren des Klimawandels und der Ruf nach einem weitgehenden Klimaschutz allgegenwärtig: Dutzende von NGO’s und Forschungsinstitute, die an ihren Ständen Wissen und Lösungen anbieten und Massnahmen einfordern. Ein grosser Teil der Anwesenden unterstreicht ihre Sorge und ihr Engagement mit Buttons und Klebern, kleinere Gruppen auch mit bewilligten Aktionen. Und die Eröffnungsreden hätten selbst Greenpeace-Mediensprecher kaum eindringlicher schreiben können.

Die NGOs sind omnipräsent
Die NGOs sind omnipräsent

Zweifellos: Das Klimathema ist angekommen. Hier hat es mehr Leute als an den Medientagen des Genfer Automobilsalons, und das soll etwas heissen! Trotzdem: weswegen kommt dieser allgegenwärtige Klimaschutz in den Verhandlungen nicht zum Ausdruck? Ein Beispiel: Um die globale Durchschnittstemperatur auf höchstens 2ºC zu begrenzen sind in den Industrieländern CO2-Reduktionen von 40% bis 2020 nötig (gegenüber 1990). Die bisherigen Versprechen liegen aber bloss ca. 16% unter 1990. Das ist schon schlimm genug, aber falls sich bei den Verhandlungen alle Schlupflöcher durchsetzen, welche momentan in Kopenhagen auf dem Tisch liegen, wären die Emissionen 2020 in den Industrieländern sogar höher als 1990! Wie kann ein solcher Selbstbetrug stattfinden? Die Schlupflöcher sind für die nicht im Thema Involvierten schwierig zu erkennen, etliche Delegierte wischen die tatsächlichen Auswirkungen gegenüber der Öffentlichkeit unter den Tisch und viele Staatschefs brüsten sich lieber mit den Reduktionszielen, die bloss dank rechnerischen Kniffs zustandekommen und verschweigen, dass sie unter dem Strich eine CO2-Erhöhung zulassen.

Was lehrt man daraus? Währenddem die Klimabesorgten hier mit der grossen öffentlichen Kelle anrühren, nimmt man die grössten Klimaschutzverhinderer – Interessensgruppen die meist Teilsektoren der Wirtschaft und Industrie repräsentieren – im Bella Center kaum wahr. Diese scheinen einfachere und leisere Wege gefunden zu haben, ihre Forderungen bei den Delegierten unterzubringen.

Apropos Schlupflöcher: Es gibt auch Sicherheitsschlupflöcher, beispielsweise in Brüssel….:-)

Wake up-call: Ein junger Mann aus den Malediven, dem das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht.
Wake up-call und ein junger Mann aus den Malediven, dem das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht.

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