Greenpeace, die Anti-AKW-Bewegung und die lokale Bevölkerung haben rund ums Wochenende vom 7. November gezeigt, dass es an ihnen fast kein Vorbeikommen gibt. Zwischen La Hague und Gorleben demonstrierten Zehntausende, blockierten Tausende die Strasse, beteiligten sich Unzählige an gewaltfreien Aktionen und zivilem Ungehorsam.


Nuclear Waste Train en route from France to Germany
Greenpeace International Executive Director Kumi Naidoo addresses protesters at the anti – nuclear demonstration, Dannenberg, Germany. Greenpeace, groups and citizens oppose the transportation of CASTOR rail containers of reprocessed German nuclear waste from the La Hague reprocessing plant in France to the Gorleben interim storage facility in Germany.
11/06/2010

Am Dienstagmorgen um 09:45 rollen die Lastwagen mit den Castor-Behältern ins Zwischenlager in Gorleben. Fünf Minuten später schliessen sich die Tore hinter dem letzten der elf monströsen Containern: Der Konvoi ist mit eintägiger Verspätung angekommen. Es ist der langwierigste und teuerste Atommüll-Transport aller Zeiten. Die Stimmung war nicht grimmig und aggressiv, sondern friedlich aber kämpferisch. Die innovativen Aktionen von  Greenpeace & Co. verblüffte rang sogar der Polizei Respekt ab. Die folgende Chronologie zeigt, was entlang der Route an gewaltfreiem Widerstand geleistet wurde:

FREITAG, 5. November 2010

Seit zwei Tagen rüstet sich das Wendland für die Demonstrationen und Aktionen gegen den Castor-Transport. Es werden Lager und Volksküchen errichtet. Organisatoren und Behörden rechnen mit den grössten Protestaktion, die das Wendland, Herz der Anti-AKW-Bewegung in Deutschland, je erlebt hat.


Pascal Husting und Kumi Naidoo

Die Direktoren von Greenpeace Frankreich (links) und Greenpeace International (rechts) zeigen auf, wohin Atommüll führt.

Vormittag, Lüchow: 1000 SchülerInnen demonstrieren gegen den Castor-Transport. – 14.22 Uhr, Valognes/Nordfrankreich: Der Transport der elf Castor-Behälter mit 120 Tonnen hoch radioaktivem Atommüll aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague startet Richtung Gorleben. Greenpeace Frankreich misst die Temperatur der Behälter und stellt abnorme Hitze fest. – Kurz nach der Abfahrt, entlang der Route demonstriert auch Kumi Naidoo, Geschäftsführer von Greenpeace International, gegen den Castor. – 16.06 Uhr, Caen: Der 370 Meter lange Zug wird in der Normandie zum ersten Mal gestoppt. Fünf Aktivisten haben sich an die Gleise gekettet. –  21:20 Uhr, Metzingen/Deutschland: Unter den wachsamen Augen eines enormen Polizeiaufgebots findet in Metzingen (Wendland) Laternenumzug statt.

 

SAMSTAG, 6. November


Aktivisten werden von der Polizei aus dem Weg geräumt

12:53 Uhr, Lauterbourg: Greenpeace-Aktivisten ketten sich an der deutsch-französischen Grenze, an die Bahngeleisen, auf denen der Castor nach Gorleben rollen soll. Die Polizei braucht 20 Minuten für die Räumung. – 13.54 Uhr, Kehl/Baden-Württemberg: Der Castor-Transport erreicht Deutschland. Kurz zuvor war die Route geändert worden, weil in Berg (Rheinland-Pfalz) Demonstranten die Gleise besetzt hatten. – 13:00 Uhr, Dannenberg: Über 30’000 Menschen finden sich auf einem Feld in Dannenberg zur Demo ein, an der auch Kumi Naidoo spricht, der Exekutive Director von Greenpeace International. – 14.45 Uhr, Splietau: Die Polizei setzt Schlagstöcke und Tränengas ein. Demonstranten hatten versucht die Bahnstrecke zu unterhöhlen („Schottern“). – 16:01 Uhr, Kehl: An der an der Deutsch-Französischen Grenze seilen sich zwei Greenpeace-Kletter von der Kinzig-Brücke ab, um den Zug zu verspäten.

SONNTAG, 7. November


Die Polizei mit Seifenblasen eingenebelt.

04.19 Uhr, Morschen: Zwei Aktivisten haben sich südlich von Kassel von einer Brücke abgeseilt und hängen über den Gleisen. Der Transport muss einen weiteren Zwangsstopp einlegen. – 07.31 Uhr, Göttingen: Mit rund acht Stunden Verspätung erreicht der Zug Niedersachsen. – 10.00 Uhr, Hitzacker/Wendland: Laut Polizei versuchen bis zu 4000 Atomkraftgegner, die Schienen zu unterhöhlen. Die Beamten setzen Schlagstöcke, Pfefferspray und Wasserwerfer ein. – 13.30 Uhr, Harlingen/Niedersachsen: An der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg stürmen etwa 2000 Atomkraftgegner die Schienen. Eine junge Frau wird von einem Polizeipferd schwer verletzt. – Im gesamten Wendland blockieren Bauern mit ihren Traktoren die Strassen. – 17.00 Uhr, Lüneburg: Der Castor-Transport macht sich auf die letzte Etappe ins Wendland. – 20.30 Uhr, Dahlenburg: Der Transport stoppt: Die Polizisten sind schlecht versorgt und am Ende ihrer Kräfte. Doch die Aktivisten gönnen ihnen keine Ruhe: Schon wenige Kilometer weiter blockieren sie die Geleise.

MONTAG, 8. November


Gammastrahlen-Messung

00.30 Uhr, Harlingen: Die Polizei beginnt mit der Räumung der Schienenblockade, wo 3500 Demonstranten auf den Gleisen sitzen. Die Demonstranten werden darauf stundenlang in einem so genannten Gefangenen-Kessel festgehalten. – 08.20 Uhr, Harlingen: Nach rund zwölfstündigem Zwangsstopp rollt der Castor-Transport wieder in Richtung Dannenberg. – 09.25 Uhr, Dannenberg: Der Castor-Transport trifft am Verladebahnhof ein. Inzwischen hat der Transport mehr als 24 Stunden Verspätung. – 10.15 Uhr, Dannenberg: Die elf Behälter mit Atommüll werden vom Zug auf Tieflader umgeladen. – 13.00 Uhr, Gorleben: Vor dem Zwischenlager sammeln sich immer mehr Menschen, die 1500 (Polizeischätzung) oder mehr. – 0:23 Uhr, Verladebahnhof Dannenberg: Greenpeace misst Gamma- und Neutronenstrahlung. Selbst in 14 Metern Entfernung werden 4,8 Mikrosievert registriert. Das ist über 480-mal mehr als die wenige Stunden zuvor am gleichen Ort gemessene Hintergrundstrahlung durch Neutronen. – 14.30 Uhr, Gorleben: Bauern blockieren mit Schafen und Ziegen eine Strasse am Ortseingang von Gorleben. –


Aktivist im Bierlaster

18:40, Dannenberg: Greenpeace stellt einen umgebauten Bierlastwagen auf die Kreuzung, an der sich die Castor-Koordinatoren für eine nördliche oder eine südliche Route entscheiden müssen. Erst 12 Stunden später gelingt es der Polizei die Kreuzung zu räumen. – 22.00 Uhr, Dannenberg: Nach der Verladung des elften Castor-Behälters steht der Konvoi zur Abfahrt bereit.

DIENSTAG, 9. November

03.25 Uhr, Gorleben: Die Polizei beginnt die 4000 Demonstranten Räumung auf der Strasse vor dem Zwischenlager weg zu räumen. – 07.24 Uhr, Gorleben: Die Blockade vor dem Atommüll-Zwischenlager ist aufgelöst. Die Aktivisten hatten 44 Stunden lang in der Kälte ausgeharrt. – 08.34 Uhr, Dannenberg: Der Castor-Transport startet. – 09.52 Uhr, Gorleben: Die Tore des Zwischenlagers schliessen sich hinter dem letzten der elf Schwertransporter. Die Castor-Behälter waren 92 Stunden und 26 Minuten unterwegs.

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Mit ihren Aktionen, Blockaden und Demonstrationen haben Greenpeace und die Anti-AKW-Bewegung ein internationales, unmissverständliches Zeichen gegen die Gefahren der Kernenergie mit ihren tödlichen Gefahren und ihrem gefährlichen Müll gesetzt. In vielen Ländern regt sich der Widerstand, der auch die Schweiz erfassen wird, wenn der Atomausstieg nicht konsequent angestrebt wird. Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien. Auf dem Weg dorthin ist die Atomkraft ein fatales Hindernis.

Thomas Jucker & Matthias Wyssmann