Im Frühling 2010 organisierte Greenpeace in Oshwé, in der Provinz Bandundu der Demo- kratischen Republik Kongo, ein mehrtägiges Forum. Ziel war es, für die lokale Bevölkerung und weitere Akteure wie die Forstbehörde ein Forum zur Diskussion über die Zukunft ihrer Wälder zu schaffen. Im Zentrum der Ge- spräche standen die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung.
Im Rahmen des Forums wurden verschiedene Teilnehmer zur Frage interviewt, welcher Wert der Wald für sie persönlich hat. In dieser Region ist das Forstunternehmen Sodefor tätig, das der Liechtensteiner Holding Nordsüdtimber gehört.

Aus dem Forum Oshwé (Provinz Bandundu), 26. bis 28. April 2010


José Ipapala

«Wir leben wie in einem Vogelnest»

Steckbrief

José Ipapala stammt aus Loma, einem Dorf im Verwaltungsgebiet Oshwé in der Provinz Bandundu. Er ist Schulleiter und aufgrund seiner vielen Kontakte zu internationalen Nichtregierungsorganisationen zusätzlich «Umweltschutzausbilder» in seiner Gemeinde. Er leitete das Sekretariat des Forums von Oshwé und stellt hier die verschiedensten Empfehlungen der für die Gebietskörperschaft Oshwé zuständigen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vor. Die Empfehlungen wurden von den Teilnehmern des Forums in themenbezogenen Workshops zu sozialen Problemen und Landkonflikten erarbeitet.

«Wir sind vom Regenwald umgeben. Wir leben hier wie in einem Vogelnest.

Der Wald hilft uns, denn wenn die Holzfirmen kommen, um hier zu arbeiten, müssen sie auch etwas für das Gemeinwohl tun, zum Beispiel örtliche Gesundheitszentren errichten. Nur tun sie das leider nicht. Das ist unser grosses Problem.

Sie kommen und nutzen uns aus, ohne uns dabei zu helfen, unsere Grundbedürfnisse zu decken. Das Forstgesetz schreibt vor, dass sich die Holzfirmen bei ihrer Ankunft direkt mit den Gemeinden vor Ort in Verbindung setzen und ein Pflichtenheft unterzeichnen. Wir haben hier die Firma Sodefor, die nichts von all dem gemacht hat. Jedes Mal, wenn die Einwohner ihre Rechte einfordern, folgt als einzige Reaktion die Festnahme der ‹Unruhestifter›. Diese Erfahrung hat das Volk der Bokongo, von dem auch ich abstamme, gerade erst am eigenen Leib zu spüren bekommen. Seit Sodefor hier ist, also seit rund zwanzig Jahren, ist kein einziges Pflichtenheft unterzeichnet worden. Das geschieht ganz bewusst. Die Holzindustrie hat uns keine Entwicklung gebracht.»


Monkiki Yembe

«Der Wald ist unsere Bank»

Steckbrief

Monkiki Yembe wurde in den 1930er Jahren geboren und stammt aus einem Dorf in der Nähe der Stadt Oshwé. Er ist «chef de terre», Erdherr, seine Position hat er von seinem Vater geerbt, seine Autorität leitet sich aus dem Gewohnheitsrecht ab. Deshalb vertritt er die Überzeugung, dass der Wald ihm gleichermassen gehört wie schon seinen Vorfahren. Doch damit hat er auch die Pflicht, seine Gemeinschaft zu beschützen. Sein Aufgabengebiet unterscheidet sich von dem des Vorsitzenden der Gemeinschaft, des «chef de groupement», der sich eher um verwaltungsrechtliche Fragen kümmert.

«Im Allgemeinen herrscht Einvernehmen zwischen dem Erdherrn und dem Vorsitzenden der Gemeinschaft. Aber manchmal gibt es auch Meinungsverschiedenheiten, vor allem wenn es um die Aufteilung der gefährdeten Tiere geht, die hier getötet wurden. Ich bekomme die Hinterpfote und er die Vorderpfote. Bei den gefährdeten Tieren handelt es sich um Tiere, die der Staat unter Artenschutz gestellt hat, wie den Leoparden, den Elefanten oder das Schuppentier. Sie werden von Jägern getötet, die irrtümlich auf sie schiessen. Wenn ein Jäger sich geirrt hat, muss er eine Pfote dem Erdherrn überlassen.

Seit 1965 haben wir hier keine Industrie mehr. Wir leben in erster Linie von der Landwirtschaft, daneben von der Jagd und vom Fischfang. Doch es ist schwierig, weil dies alles keine sicheren Einnahmequellen sind. Eigenes Fleisch gibt es nur selten. Hier in der Nähe der Stadt decken wir unseren Fleischbedarf auf dem Markt, zumindest die, die Geld verdienen. Die anderen müssen sich von ihren Feldern ernähren, auf denen es genügend Maniokblätter gibt. Wenn man keine eigenen Felder hat, ist man schlecht dran.

Viele Kinder lungern nur herum, da sie keine Eltern haben, die ihnen das Schulgeld bezahlen. Kinder zu haben, ist hier problematisch. Und ohne eigene Felder läuft man Gefahr, versklavt zu werden. Früher ging das ganze Dorf gemeinsam mit Fangnetzen auf die Jagd. Als man damit begonnen hat, Felder zu anzulegen, sind die Tiere weggezogen. Wir brauchen den Wald. Man könnte sagen, er ist unsere Bank. Wir leben vom Wald, er gibt uns Holz zum Kochen und Wasser.

Wie hoch ist der Druck auf den Wald?

Den konnte man nicht vorhersehen, der Wald ist gross. Doch wir beginnen gerade erst zu verstehen, dass er nicht gross genug ist.»


David Kabumba

«Diese Schule ist alles andere als vollständig eingerichtet»

Steckbrief

David Kabumba wohnt im Dorf Isoko. Mit seinem Einbaum brauchte er fünf Stunden bis nach Oshwé. David ist wie die anderen Bewohner seines Dorfes der Ansicht, es sei an der Zeit, sich der Anwesenheit von Sodefor zu widersetzen. Die Holzfirma hat ihre Versprechen nicht eingehalten. In Isoko, wie auch in den anderen Orten der Umgebung, träumen die Jugendlichen von der Universität, und dabei gibt es in ihrem Dorf noch nicht einmal eine richtige Schule. Der lokale Erdherr Nkoti Bamoko scheint entschlossen, nicht nachzugeben.

«Sodefor verkauft uns für dumm. Deshalb hat der Erdherr gesagt, dass wir ein solches Unternehmen nicht brauchen. Sodefor sollte eine Schule bauen, aber der Erdherr will keine Schule akzeptieren, in der es noch nicht einmal Bänke gibt. Selbst für den Lehrer gibt es keine Möglichkeit, sich zu setzen. Wir brauchen eine bessere Welt. Wie sollen die Kinder in dieser Schule lernen? Sie ist alles andere als vollständig eingerichtet.

Wir brauchen Firmen, die wirtschaftliche Entwicklung in unser Dorf bringen. Wir wollen eine andere Holzfirma als Sodefor. Eine Firma, die unsere Rechte wirklich respektiert. Nein, wir wissen nicht, was unsere Bäume wert sind. Das ist Sache unseres Erdherrs. Er kümmert sich um unsere Bedürfnisse.

Sodefor ist irgendwann einfach verschwunden. Sie haben ihre Versprechen nicht gehalten. Die Schule, die Krankenstation, die Kirchen – nichts davon haben sie fertig gebaut.

Und die Strasse nach Oshwé?

Sie wollten Holz verkaufen, also haben sie die Bäume gefällt, und als sie damit fertig waren, haben sie die Gegend verlassen. Sie machen solchen Blödsinn.

Im Dorf hat sich trotz Sodefor nichts verändert. Wir sind arm geblieben. Wir wollen das nicht länger hinnehmen. Und wir haben keine Angst mehr, seitdem der Erdherr gesagt hat, dass Sodefor nicht mehr hierher kommen darf. Sie könnten uns Schwierigkeiten machen, aber wir sind bereit, uns zu wehren. Das hier ist unser Dorf. Selbst wenn sie mit dem Militär kommen – wir haben keine Angst.» 


Bolako Kabamba & Koko Kangila

«Wir können nicht mehr auf die Jagd gehen wie unsere Vorfahren»

Steckbrief

Bolako Kabamba und sein Kollege Koko Kangila vertreten auf dem von Greenpeace organisierten Forum die Ureinwohner. In den Wäldern Kongos leben viele Pygmäenstämme. Noch nie waren sie in ihrer Existenz so bedroht wie heute. Um nach Oshwé zu kommen, war Bolako Kabamba mehrere Tage zu Fuss unterwegs, denn sein Dorf Lokongo liegt ungefähr 84 Kilometer entfernt.

Wie ist das Leben im Dorf?

Unsere Situation ist befriedigend, aber wir haben Probleme. Wir haben den Wald zum Leben. Wir haben immer schon hier gelebt und ernähren uns von der Jagd und dem Sammeln. Was das betrifft, geht es uns gut. Wir leben im Einklang mit unserer Umwelt. Unser Hauptproblem ist der Mangel an Geld. Wir können keine richtigen Ausbildungen machen, nicht studieren, und deshalb werden wir nie das Niveau der Bantu erreichen.

Die Dinge haben sich geändert. Wenn man überlegt, wie unsere Vorfahren noch auf die Jagd gingen, gemeinsam oder mit Fangnetzen – ja, das hat sich geändert. Damals gab es noch genug Wild, in letzter Zeit finden wir nichts mehr. Wir benutzen jetzt Fallen oder Schusswaffen aus lokaler Produktion und jagen bei Nacht. Das kommt vielleicht davon, dass früher hemmungslos und verantwortungslos gejagt wurde.

Eigentlich leben wir von der Landwirtschaft, aber aufgrund des Mangels an Hilfsmitteln für die Landwirtschaft und den Transport unserer Produkte sind wir gezwungen, auf die Jagd zu gehen. Das hat dazu geführt, dass einige Tierarten aussterben und wir auf andere Jagdtechniken umstellen müssen.

Kommen die Pygmäendörfer in Kontakt mit den Holzfirmen?

Sodefor hat eine Einschlag­konzession in der Nähe meines Dorfes, mitten in unseren angestammten Gebieten. Und auch in der Nähe des Dorfes meines Kollegen hat Sodefor eine Konzession. Doch mit oder ohne Sodefor, das macht für uns keinen Unterschied. Es ist in Ordnung, wenn Sodefor kommt und unsere Strassen repariert, die sich in einem schlechten Zustand befinden. Das nützt uns, weil wir dann Handel treiben können. Aber für uns selber tut Sodefor nichts. Sie haben noch nie mit uns verhandelt. Die Bäume sind weg, aber ohne dass man vorher mit uns gesprochen hat.

Was sind die Erinnerung an das Forum?

Wir haben Filme über das Klima angesehen. Es ist schrecklich, wirklich bedauerlich für unsere Brüder. Auch wir bemerken hier Veränderungen im Vergleich zu früher.»


Omer Paul Liema

«Die Holzindustrie kümmert sich nicht um die Auflagen des Staates»

Steckbrief

Omer Paul Liema ist Erdherr und der dritthöchste Amtsträger des Verwaltungsgebiets. Er stammt aus dem Dorf Wato/Kangara und ist für die Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Behörden der Gebietskörperschaft Oshwé zuständig, der zweitgrössten der Demokratischen Republik Kongo.

Ist die Verwaltung dieses Gebietes eine einfache Aufgabe?

Das ist eine Frage der Gewöhnung. Ich habe mehr als 500 Mitarbeiter.

Arbeitet Ihr mit Computern?

Nein, ich arbeite mit meinem Kopf. Unter anderem untersteht mir der Leiter der Behörde Umweltschutz. Wir bräuchten eigentlich 60 Angestellte, aber wir sind unterbesetzt. Knapp 30 Beamte sind für 43 000 Quadratkilometer, vier Bezirke und eine Stadt zuständig. Die Männer sind zu Fuss unterwegs. Wenn der Aufseher, der sein Büro in Oshwé hat, ins Landesinnere muss, ist er einen Monat unterwegs und muss bis zu 500 Kilometer zurücklegen.

Sind diese Mitarbeiter gut ausgebildet?

Das ist schwierig hierzulande. In den meisten Fällen haben wir keine Fachleute. Ihre Aufgabe im Landesinneren? Sie müssen dort mit der Bevölkerung arbeiten. Gute Kontakte zur Industrie? Ja, die Kontakte sind gut. Weil sie gut sein müssen. Die Industrie verhalte sich nicht sehr gut gegenüber der Bevölkerung? Sehr gut wäre übertrieben. Die Unternehmen hier bei uns kümmern sich nicht um die Auflagen des Staates. Wir fragen uns langsam, an wem es liegt, am Staat oder an den Holzfirmen.

Wie ist die Beziehungen zwischen dem Staat und den Holzfirmen?

Sie müssen mich, was die Antwort auf diese Frage betrifft, entschuldigen. Wir arbeiten gut mit der Industrie zusammen, aber die Zusammenarbeit zwischen der Industrie und der Bevölkerung funktioniert nicht. Das ist nun mal so. Die Bevölkerung knirscht immer mit den Zähnen, wenn es um die Holzfirmen geht, und erst wenn sie lächelt, können wir sagen, dass alles gut läuft. Auf dem Forum von Greenpeace wird viel über die Pflichtenhefte geredet.

Können sie die Beziehungen zur Industrie verbessern?

Wir Erdherren sind dafür ausgebildet worden, aber ich glaube, dass es nicht einfach ist, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Für die Holzfirmen ist es viel einfacher, nichts zu machen.

Müssen die Wälder in ihren Augen gerettet werden?

Ja, das ist wirklich eine gute Sache. Man hat verstanden, dass die Rettung nicht umsonst sein kann, sondern dass man eine Lösung für die finden muss, die den Bestand des Waldes bewahren.

Ist die Bevölkerung bereit, dies zu akzeptieren?

Ja, das ist möglich. Ich bin auch Erdherr, und ich spreche mit Ihnen auch als Vertreter der Bevölkerung. Wenn ich es verstehe, verstehen es auch die Menschen in meinem Dorf.» 


Alfred Itomba Buliousy

«Korruption ist nicht gut, die Bevölkerung ist besorgt»

Steckbrief

Alfred Itomba Buliousy ist technischer Beauftragter im Rahmen eines von der Europäischen Union finanzierten Programms zur Verbesserung der Lebensmittelversorgung.

«Wir betreuen die Bauern, vor allem die Produzenten, um die Lebensmittelversorgung zu sichern und das Produktionsniveau zu erhöhen. Wir zeigen ihnen, wie sie ihre Erträge verbessern können. Wir bemühen uns auch, Verbände und Genossenschaften zu gründen. Wir brauchen Strukturen, die von den Menschen vor Ort angenommen, geleitet und mit Leben gefüllt werden. Unser Ziel ist die Verbesserung ihrer Einkünfte. Wir müssen dazu beitragen, den Druck vom Wald zu nehmen. Wir sagen ihnen auch, dass sie den Wald nicht abholzen sollen. Wir hoffen, dass wir mit verbessertem Saatgut der Entwaldung durch Brandrodung entgegenwirken können. Die Bewohner von Oshwé sind durchaus empfänglich für diesen Ansatz. Sie sind zwar grundsätzlich den althergebrachten Traditionen verhaftet, aber doch auch Neuerungen gegenüber aufgeschlossen.

Die Holzfirmen wie Sodefor oder ITB hören nicht auf, die Bevölkerung zu betrügen. Sie versuchen die Amtsträger und die Erdherren zu bestechen. Aber die Bevölkerung durchschaut das Spiel. Korruption ist nicht gut, die Bevölkerung ist besorgt. Die Unternehmen wenden sich immer an die, die das Sagen haben, vor allem an die Eigentümer der Wälder, und die manipulieren sie.»


Nestor Mputu Kamanga

«Der Aktionsradius unserer Mitarbeiter ist beschränkt»

Steckbrief

Nestor Mputu Kamanga ist Bürgermeister von Oshwé. Der hohe Verwaltungsbeamte kam in Begleitung weiterer Würdenträger der Ortschaft zum Forum von Oshwé und folgte den Diskussionen mit grosser Aufmerksamkeit.

«Ich bin Bürgermeister hier in Oshwé. Das heisst, dass ich für die Verwaltung und die Polizei zuständig bin. Die Bevölkerung fordert ihre Rechte ein.

Werden die Probleme mit den Holzfirmen verdeckt?

Es gibt Probleme, vor allem mit Sodefor.

Bevor das neue Forstgesetz verabschiedet wurde, wurde alles in Kinshasa entschieden. Nun muss man an der Basis beginnen. Die Holzfirmen müssen mit den Gemeinden vor Ort eine Übereinkunft erzielen. Anschliessend müssen die verschiedenen Umweltbehörden kontaktiert werden. Für mich ist das eine echte Revolution, eine gute Sache.

Um einen Wald abzuholzen, reichte es früher, den Einwohnern ein paar Päckchen Salz und eine Flasche Whisky zu geben. Das war’s. Die lokalen Gemeinschaften müssten aber etwas bekommen, von dem alle profitieren: ein Gesundheitszentrum, ein Krankenhaus oder Schulen, die Instandsetzung und Instandhaltung der Strassen müssten gewährleistet werden, das ist schon sehr gut. Aber es ist noch nicht optimal. Deshalb ist die Bevölkerung mit Unternehmen wie Sodefor unzufrieden.

Wie ist es für Sodefor möglich, ihre Rechte geltend zu machen? Und wie funktioniert das?

Das ist eine Frage des Geldes und des Einflusses. Sodefor verfügt in Maydombé über Macht. Da fliesst viel Geld, aber nicht an die örtlichen Gemeinschaften. Geld, das an die Behörden geht? Ja, natürlich. Als Sodefor die Isoko-Bäume abholzen wollte, kamen sie zu uns und wollten uns dazu bringen, die Polizei in die Dörfer zu schicken, um die Dorfbewohner einzuschüchtern. Wir haben nein gesagt. Der gesamte Sicherheitsausschuss hat nein gesagt.

Ist es für die örtlichen Behörden einfach, ein ausländisches Unternehmen zu überwachen? Verfügen Sie über ausreichende Mittel?

Wir sind hier in der Stadt, und hier haben wir keine Probleme.

Wie sieht es denn draussen aus, ausserhalb der Städte? Ist es dort einfach, die Industrie zu kontrollieren?

Nein, denn es fehlen Transportmittel. Zudem ist der Aktionsradius unserer Mitarbeiter beschränkt. Wenn eine Holzfirma zum Beispiel bei Isengé arbeitet, bräuchten wir einen Aussenbordmotor für unsere Boote, um in nützlicher Frist dorthin zu gelangen.

Doch wer hat einen solchen Aussenbordmotor? Wer hat Benzin?

Nein, uns fehlen die Mittel.»


Odessa Kange

«Wir haben unseren Lohn nicht vollständig ausbezahlt erhalten»

Steckbrief

Odessa Kange ist von Beruf Holzfäller, sofern er Arbeit hat. Er vertritt die örtliche Gemeinschaft von Lokolama (Itomba) auf dem Forum in Oshwé, zu dem er mit dem Velo angereist ist. Die Entfernung zwischen den beiden Orten beträgt mehr als 80 Kilometer, dafür war er zwei Tage unterwegs.

«Ich habe für die Holzfirma Sengé Sengé gearbeitet. Das war 2006. Die Arbeiter kamen aus verschiedenen Dörfern, auch aus Oshwé. Wir waren 65 Holzfäller. Wir fällten verschiedene Baumarten mit Motorsägen. Der Lohn? Das waren 10 Dollar für 30 Arbeitstage. Wir waren von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends im Wald.

Wie viele Bäume wurden gefällt?

Schwer zu sagen, manchmal zwanzig am Tag. Wir haben uns auch um den Transport der Bäume bis ins Dorf von Danzer gekümmert.

Es war ein gefährlicher Job, es gab auch Verletzte. Manchmal waren es Unfälle mit den Motorsägen, manchmal aber auch Wespen, die uns zu Hunderten stachen, wenn wir unwillentlich eines ihrer Nester zerstörten. Und bis heute haben wir unseren Lohn nicht vollständig ausbezahlt bekommen, die Bäume blieben im Wald liegen. Der Erdherr war nicht fähig, Verhandlungen mit der Holzfirma zu führen.

Was kann man mit 10 Dollar anfangen?

Man kann kleine Gläser Salz kaufen oder kleine Seifenstücke. Aber es reicht nicht, um ein Kind in die Schule zu schicken.

Und die Firma – hat sie etwas für das Dorf getan?

Keine Schule, keine Kirche, keine Strasse – kein Versprechen wurde eingehalten.

Was ist der Wert der gefällten Bäume?

Wir haben keine Ahnung. Ich habe gerade erst gelernt, dass es verschiedene Baumarten gibt. Das ist alles neu für mich. Die Holzfirma ist weg. Die Bulldozer hat sie zurückgelassen. Insgesamt haben wir zwei Jahre gearbeitet. Wenn sie zurückkommen, werden wir unsere Löhne verlangen. Aber wann verschwinden die Fahrzeuge?»

 


Fokus

Fokus: Das Forstgesetz

Das 2002 in Kraft getretene Gesetz legt Rechte und Pflichten der industriellen Holzfäller und der örtlichen Gemeinschaften fest. Allerdings wird das Forstgesetz in den Einschlaggebieten im Landesinneren nicht durchgesetzt. Greenpeace fördert seine Verbreitung, indem sie für die betroffenen Bevölkerungsgruppen Workshops zum Gedanken- und Informationsaustausch organisiert. Den Verantwortlichen vor Ort wurde auch eine Übersetzung in Lingala durch mehrere Nichtregierungsorganisationen angeboten.

Fokus: Die Einschlagkonzessionen

Die «Beschaffungsgarantie» stellt eine der drei Arten von Einschlagkonzessionen dar, welche in- und ausländische Holzfirmen von der kongolesischen Regierung erwerben. Mehrere Holzfirmen teilen sich die von der kongolesischen Regierung erworbenen Titel im Gebiet Oshwé, einer Region in der Grösse der Schweiz, das zu drei Vierteln vom Regenwald bedeckt ist. Unter diesem Titel werden früher oder später 1,28 Millionen Hektar Wald dem Einschlag zum Opfer fallen.

Fokus: Der Landnutzungsplan

Dieser Plan soll die Demokratische Republik Kongo entsprechend den verschiedenen Funktionen des Waldes einteilen. Das Forstgesetz sieht Schutzzonen, Zonen für die lokale Forstwirtschaft und Zonen für eine sinnvolle industrielle Nutzung vor. Der Landnutzungsplan muss die verschiedenen Funktionen des Waldes für die lokale Bevölkerung berücksichtigen. Jedes Dorf soll seine Jagd- und Fischgebiete sowie seine heiligen Stätten angeben. All diese Funktionen werden bis zum heutigen Tag von der Holzindustrie nicht beachtet.

Fokus: Der Wert eines Baumes

Diese Frage wurde zahlreichen Teilnehmern des Forums in Oshwé gestellt. Die Antwort war jedes Mal die gleiche: In dieser Region, in der die Holzindustrie der einzige Wirtschaftsfaktor ist, weiss keiner um den Wert der Bäume. Auf der Grundlage der Informationen, die Greenpeace vor Ort gesammelt hat, lässt sich bis auf wenige Dollar abschätzen, wie viel Geld die Holzfirmen für die Bäume ausgegeben haben, die sie für mehrere Tausend Dollar auf dem Markt in Kinshasa verkaufen.

Fokus: Der Wald gehört dem kongolesischen Staat

Juristisch gesehen gehört der Wald dem kongolesischen Staat, der auch für die Vergabe von Konzessionen an die Holzfirmen zuständig ist. Diese Rechtsvorschrift konkurriert mit dem Gewohnheitsrecht, das immer noch einen hohen Stellenwert hat. Eine Synthese dieser zwei Rechtsgrundsätze sieht das Forstgesetz vor, das von den Holzfirmen verlangt, sich vor der Verwertung ihrer Einschlagkonzessionen mit den Verantwortlichen der Gemeinschaften vor Ort in Verbindung zu setzen. Es muss mit den Gemeinschaften ein Pflichtenheft unterzeichnet werden und vier Jahre nach der Unterzeichnung des Konzessionsvertrags ist ein Waldmanagementplan zu erstellen. Die Realität vor Ort unterscheidet sich stark von dieser theoretischen Realität.