Kaspar Schuler, Kampagnenleiter Klima & Energie, aus Bern:

Kaspar Schuler, Kampagnenleiter Klima & Energie, aus Bern:

Die heutige kantonale Abstimmung in Bern gilt als erster grosser Schweizer AKW-Testlauf an der Urne. Zu erwarten ist leider ein JA, Zustimmung zu einem neuen AKW. Der Kanton Bern hat bereits ein AKW und die StimmbürgerInnen in den ländlichen Gebieten sind deutlich konservativer als in der Stadt. Diese allerdings ist letzten November aus der Atomkraft ausgestiegen.

11:25 Uhr, Sonntag 13. Februar, Landquart

Ich reise von meinem Wohnort in Graubünden nach Bern. Auf dem Perron im Bahnhof Landquart mischt sich die scheue Wärme einer milden Wintersonne mit der kalten Bergluft. Das passt gut, zu mir und meinen Gefühlen. Ich reise ans Treffen des kantonalen Nein-Komitees in der Volksabstimmung zum Bau eines neuen AKW in Mühleberg – das wärmt. Ich erwarte eine Niederlage für uns AtomkraftgegnerInnen – das kühlt. Im besten Fall werden wir heute Abend, beim Zieleinlauf, 40% Nein-Stimmen erreicht haben. Wenn uns das gelingt, werde ich heute Abend sehr sehr zuversichtlich für die eidgenössische Atomabstimmung 2013 sein.

Zuversicht dank einer absehbaren Niederlage? Macht das Sinn?

Und wie, lassen Sie es mich erklären. Ein kantonaler Abstimmungssieg in Bern für unsereiner – ein NEIN zu einem neuen AKW – das wäre die absolute Überraschung. Wir würden wohl bis montagmorgen früh ungläubig staunen und müssten das jubeln nachgerade lernen. Denn der Kanton Bern ist einer der Standortkantone der 5 heutigen Atomkraftwerke in der Schweiz. Es gilt sich bewusst zu machen, dass die Bevölkerung während Monaten von ihren geschätzten Bernischen Kraftwerken BKW und vielen bürgerlichen ExponentInnen eindringlich gehört haben, wie hoch die kantonale Wertschöpfung und wie viele Arbeitsplätze aufgrund des geplanten, neuen AKW sein werden. Das zeigt sicher seine Wirkung.
Kommt hinzu, dass die Stadt Bern im letzten November zwar für den Ausstieg aus der Atomkraft gestimmt hat, die Stadtberner Stimmbevölkerung jedoch um ein mehrfaches kleiner als die kantonale ist. In allen ländlichen Gebieten wird konservativer gestimmt und gewählt als in den Städten.

Deshalb wäre ein heutiger Abstimmunssieg ein kleines Wunder. Und darum werde ich pudelwohl nach Zürich reisen, heute Abend, wenn wir mehr als 40% Nein-Stimmen erzielt haben.

PS: Nach Zürich – und nicht nach Hause in Graubünden – reise ich, weil wir von Greenpeace Schweiz die meisten unserer Arbeitsplätze in Zürich haben. Dort wird es ab morgen einen wundervoll grossen Haufen Arbeit geben, was immer die Bernerinnen und Berner heute zu neuen AKW sagen.

Der Atomausstieg, das ist ein Jahrhundertprojekt. Für diesen Marathon haben wir uns in den letzten Monaten erst warm gelaufen. Mit einem Formtest heute.

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