Seit Fukushima ist die ökologische Steuerreform wieder in der Debatte. Die Grünliberalen und die Grünen haben je eine Initiative am Start und der Bundesrat prüft Optionen. Ein Überblick.

Von Thomas Niederberger

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Switzerland, Bern, 09.03.2011 Frühlingssession. © 2011 Béatrice Devènes

Photomontage Greenpeace

 

Unser Energie- und Ressourcenverbrauch ist zu hoch, weil wir damit zu billig wegkommen. Dadurch verursachte Umweltschäden haben keinen Preis, obwohl für die Gesellschaft hohe Kosten entstehen. Nun soll ein Teil dieser Kosten mit Steuern auf den Verbrauch (auch Lenkungsabga- ben genannt) gedeckt und an die Gesellschaft zurückverteilt werden – und zwar so, dass Sparsame belohnt und Verschwender bestraft werden. Im Ökonomendeutsch heisst das: Die bisher externalisierten (auf die Gesellschaft abgewälzten) Kosten werden internalisiert beziehungsweise in die Preiskalkulation von Gütern einbezogen. Privater Profit ist weiterhin möglich, doch wer dafür viel Energie braucht, hat einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Sparsamen. Alle diskutierten Vorschläge sind mehr oder weniger staats- und fiskalquotenneutral, was bedeutet, dass Steuererträge und -belastungen anders verteilt, aber insgesamt gleich hoch sind.

Die Initiativen

Zurzeit laufen die Unterschriftensammlungen für zwei Ansätze einer ökologischen Steuerreform. Die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» der Grünliberalen Partei will eine Steuer auf nicht erneuerbare Energie einführen und dafür die Mehrwertsteuer abschaffen. Der Vorschlag ist einfach: Die Einfuhr von Energieträgern wie Öl, Gas, Uran und Kohle wird bereits besteuert. Der Steuersatz soll nun so erhöht werden, dass die Einnahmen 3,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts entsprechen und somit gleich viel abwerfen wie die Mehrwertsteuer. Die Steuereinnahmen und die Steuerbelastungen von Unternehmen und Privaten bleiben ins- gesamt gleich, dafür fällt der bürokratische Aufwand weg, den die Abrechnung der Mehrwertsteuer den über 300 000 kleinen und mittleren Unternehmen verursacht.

«Mit unserer Initiative würden Investitionen in erneuerbare Energien und in Energieeffi- zienz automatisch marktwirtschaftlich interessant, und dies würde automatisch Klimaschutz und den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie ermöglichen», sagt der grünliberale Nationalrat Martin Bäumle. Die Abhängigkeit von importiertem Erdöl und Gas würde abnehmen, der Abfluss von Geld an Regimes, die mit den Rohstoffeinnahmen ihre eigene Bevöl- kerung unterdrücken, könnte gebremst werden. Die Initiative würde den Bund ermächtigen, Massnahmen zu erlassen, um Wettbewerbsverzerrungen mit abgestuften Steuersätzen für verschiedene Energieträger auszugleichen. Gemäss Bäumle könnte Importstrom aus AKWs und Kohlekraftwerken über Herkunftszertifikate an der Grenze besteuert werden.

Die zweite Volksinitiative heisst «Für eine Grüne Wirtschaft». Die Grüne Partei verfolgt damit einen Ansatz, bei dem die ökologische Steuerreform nur ein Element ist, um das Ziel einer umweltfreundlichen und gerechten Kreislaufwirtschaft zu erreichen. «Wir müssen schleunigst weg von der Wegwerfwirtschaft und hin zu einer grünen Wirtschaft, die wie die Natur in Kreisläufen funktioniert. Nur so können wir unseren Planeten retten», meint Bastien Girod, Nationalrat und Mitinitiant. Bis ins Jahr 2050 soll der ökologische Fussabdruck der Schweiz von hochgerechnet drei Welten auf eine Welt reduziert werden. Dieser Indikator umfasst die gesamte Umweltbelastung, also auch importierte graue Energie. Der offen gehaltene Initiativtext ermöglicht es dem Bund, nach Bedarf verschiedene Massnahmen zu ergreifen, wie die Förderung von Forschung und Innovation, den Erlass von Vorschriften für bestimmte Produkte und für Aufträge der öffentlichen Hand oder die Einführung von Lenkungsabgaben auf nicht erneuerbare Ressourcen (also eine ökologische Steuerreform).

Die beiden Initiativen ergänzen sich bestens: Während die Grünen ein klares Ziel in der Verfassung verankern wollen, die Umsetzung aber offenlassen, setzen die Grünliberalen beim Mittel der Steuerreform an, ohne eine genaue Zielvorgabe zu machen. Wer noch nicht unterschrieben hat, sollte das jetzt tun (siehe Tabelle). Wann die Abstimmungen vors Volk kommen, ist offen und hängt davon ab, ob das Parlament Gegenvorschläge ausarbeiten wird.

Der Bund prüft

Nach der Katastrophe in Fukushima hat das Parlament beschlossen, keine neuen AKWs mehr zu bauen und schrittweise aus der Atomenergie auszusteigen. Damit ist die Notwendigkeit zum Energiesparen konkreter denn je. Der Bundesrat hat die «Energiestrategie 2050» aufgegleist, um den Atomausstieg umzusetzen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Ein Mittel dazu könne laut Bund auch eine ökologische Steuerreform sein, weshalb er das Finanzdepartement, zusammen mit dem Umwelt- und Energiedepartement, beauftragte, bis Mitte 2012 Optionen für eine solche Reform zu prüfen. An einer Pressekonferenz Anfang vergangenen Dezember machten die verantwortlichen Bundesrätinnen Eveline Widmer-Schlumpf und Doris Leuthard aber einen zögerlichen Eindruck. Leuthard möchte warten bis 2020 und erst dann über Lenkungsabgaben entscheiden, wenn sich zeige, dass Fördermassnahmen wie die kostendeckende Einspeisevergütung auf erneuerbare Energien nicht ausreichen würden.

Martin Bäumle freut es, dass sich der Bundesrat ernsthaft mit der Frage einer ökologischen Steuerreform auseinandersetzt. Für ihn ist jedoch klar, dass nur mit einer ökologischen Steuerreform mit deutlichem Marktsignal der Energieumbau schnell und ohne zu viel Vorschriften umgesetzt werden kann. Auch dank solchen Argumenten scheint die «grüne Wirtschaft» politisch zunehmend an Boden zu gewinnen. Sogar der Wirtschaftsverband Economie- suisse hat Sympathien für die Volksinitiative für eine grüne Wirtschaft geäussert – ein Zeichen, dass mehrheitsfähige Allianzen für eine ökologische Reform denkbar werden.

Greenpeace unterstützt beide Initiativen!

 

 

 

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