Die Rainbow Warrior, das Flaggschiff von Greenpeace, verbrachte die letzten Tage damit, mit allen wichtigen Akteuren der Thunfischindustrie in Mauritius, einem der grössten Thunfisch-Becken des Indischen Ozeans, zu sprechen.  

Die Rainbow Warrior, das Flaggschiff von Greenpeace, verbrachte die letzten Tage damit, mit allen wichtigen Akteuren der Thunfischindustrie in Mauritius, einem der grössten Thunfisch-Becken des Indischen Ozeans, zu sprechen.
 

Dienstag, 23. Oktober 2012
The Syndicat des Pecheurs in Mauritius

© Paul Hilton / Greenpeace

Noch vor wenigen Tagen sah es nicht danach aus, als ob wir überhaupt in der Lage wären im Hafen anzulegen und diese wichtigen Treffen zu arrangieren. Die anfängliche Zurückhaltung der Behörden legte sich aber, als wir klar machen konnten, dass unser Besuch allein dem Zweck dient, zu verstehen und zu lernen wie diese Region, die so zentral für den globalen Thunfischhandel ist, tickt.

Am Ende waren wir in der Lage Gespräche mit lokalen Fischern, NGOs, Ministern, Regierungsbeamten, Vertretern der internationalen Gremien, die die Gewässer rund um Mauritius managen sowie mit Vertretern der Chagos zu sprechen.

Was uns die lokalen Fischer und die NGOs berichteten, ist uns nur allzu vertraut.

Überall auf der Welt wird die Existenz der lokalen Fischer und ihrer Familien durch die industrielle Fischereiindustrie bedroht. In Mauritius, wo die zerstörerischen und manchmal illegalen Fangmethoden der FAD(Fischsammler)-Besessenen Ringwaden Flotten und Langleiner die Meere ausbeuten, ist es nicht anders.
 
Die traditionell fischenden Fischer klagen über den Rückgang der Bestände des Echten Bonito, eine, in der Regel sehr stabile und sich schnell vermehrende Thunfisch-Art. Die Männer sind besorgt, dass ihre Kinder nicht mehr in der Lage sein werden ihren Lebensunterhalt als Fischer zu bestreiten, sofern sich die Lage nicht bald ändert.
 
Um diese Probleme anzugehen, führten wir progressive Gespräche mit der Industrie und Vertretern der Regierung, um zu erörtern, was erforderlich ist den Thunfischfang in der Region sowohl für den internationalen Thunfischmarkt sowie für die lokalen Fischer nachhaltig zu gestalten.

Dies ist erst der Anfang unserer Arbeit hier und der Gespräche die wir mit Mauritius führen. Wir wollen langfristig die Arbeitsplätze der lokalen Fischer sichern, und die Meere schützen, damit auch zukünftige Generationen noch vom Thunfischfang leben können.
 
Als wir weiter an der Oberfläche kratzen, erkannten wir schnell, dass Mauritius beide Extreme des Nachhaltigkeitsspektrums beheimatet: Princes, der grösste Thunfischproduzent Englands der eine Thunfischfabrik auf Mauritius betreibt, verpflichtete sich 2011 dazu, bis 2014 keinen Thunfisch mehr aus Ringwadenfischerei ( http://www.greenpeace.org/switzerland/de/Kampagnen/Meer/hintergrund-info/fangmethoden/ringwade/ ) mit FADs – die Minenfelder der Meere, die grosse Mengen an Beifang mit sich bringen – zu beziehen und stattdessen auf Pole & Line ( http://www.greenpeace.org/switzerland/de/Kampagnen/Meer/hintergrund-info/fangmethoden/angelrute-leine/ ) und FAD-freie Ringwadenfischerei umzusteigen.
 
Die zweite Thunfischfabrik auf Mauritius gehört Thon des Mascareignes. Diese beziehen ihren Thunfisch von spanischen und französischen Ringwaden Flotten die im Indischen Ozean operieren. Diese Flotten sind bekannt für ihren übermässigen Einsatz an FADs, denen auch massenhaft heranwachsende Thunfische, Haie, Rochen und sogar Meeresschildkröten zum Opfer fallen.
 
Thon des Mascareignes hat eine Menge Nachholbedarf, um mit seinem Konkurrenten auf der Insel in Sachen Nachhaltigkeit mitzuhalten. Aufgrund unseres  – durch den Zyklon Anais verursachten, – verlängerten Aufenthalts an Land, konnten erste Gespräche
mit der Firma stattfinden und ein Besuch der Thunfischfabrik ausgehandelt werden.
 
Für mich war es das erste Mal, dass ich mir eine Thunfischdosenfabrik von innen ansehen konnte. Dementsprechend neugierig war ich, was mich wohl erwarten würde. Das verging jedoch schnell, als wir uns der Fabrik näherten. Denn der Geruch deutet einem schon von weitem an, was auf einen Zukommt. Viel toter Fisch.
Bevor wir jedoch in die Verarbeitungshallen gelassen wurden, mussten wir weisse Kittel über unserer Kleidung sowie Gummistiefel und Hauben überziehen. Nicht gerade der letzte Schrei, aber aufgrund der Hygienebestimmungen unvermeidlich.
 
Der Besuch von Anlieferung, über Verarbeitung bis hin zu Verpackung dauerte vielleicht 30 Minuten. Ich liess mir von meinen Kampagnenkollegen versichern, dass die Prozesse in der Fabrik im Vergleich zu anderen Fabriken Standard ist. Was nur soviel bedeutete, wie: nicht besser oder schlechter als anderswo.
 
Nun ja. Ich empfand den Anblick als schockierend. Hunderte dieser majestätischer Tiere tot aufeinander gestapelt in riesigen Stahlkisten. Gelbflossen Thunfisch, Echter Bonito und Weisser Thun war zu sehen. Die Münder weit aufgerissen. Die Farben, die unter Wasser wunderschön leuchten, erloschen. Über einzelne Stationen verteilt wurde der Fisch vor unseren Augen verarbeitet. Zuerst in Stücke zerteilt, dann gespült, dann weiter zerteilt und wieder gespült. Überall war Wasser. Und überall war Blut.
 
Insgesamt ca. 1’600 Menschen arbeiten in der Thunfischfabrik, davon 80% Frauen. Denn nach der körperlich anstrengenden Arbeit des Ausladens, Stapelns und Zerteilens kommt die Feinarbeit des Säuberns und Verpackens, die meist von Frauen ausgeführt wird. Auf diese Weise werden so 220 Tonnen Thunfisch verarbeitet und in Gläser oder Konserven verpackt. Jeden Tag!
Ca. 21% des Thunfisches auf dem Weltmarkt stammt aus dem Indischen Ozean.
 
Es ist nun an Mauritius, den kurzfristigen Weg des Profits zu verlassen und anstatt weiterhin seine Lizenzen einfach an ausländische Fischereiflotten zu verkaufen, langfristig in das Ökosystem des Indischen Ozeans zu investieren um so eine gesunde wirtschaftliche Grundlage für lokale Fischer und die gesamte Fischereiindustrie zu bilden.

Unsere Segel sind gesetzt und wir verlassen den Hafen von Mauritius heute mit 2 Tagen Verspätung, die auf das Konto des tropischen Wirbelsturms „Anais“ gehen.
 
Was uns wieder einmal mehr in Erinnerung ruft, dass Mutter Natur nicht mit sich verhandeln lässt.

 

WhatsApp
Share
Email
Tweet
Share