Die internationalen Klimaverhandlungen kommen nicht vom Fleck und immer lauter wird der Ruf nach technischen Eingriffen, um die Erderwärmung aufzuhalten. Heute beschäftigen sich deshalb nicht nur Universitäten und Think-Tanks, sondern auch Regierungen und UN-Gremien mit dem Geo-Engineering. Ideen gibt es viele, aber bezüglich Wirkung und Risiken tappt man noch weitgehend im Dunkeln.

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1. Künstliche Bäume als CO2-Staubsauger 

Pflanzen absorbieren über die Fotosyn-these kontinuierlich Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Leider brauchen sie dafür enorm viel Zeit. Klaus Lackner von der Columbia University will diesen Prozess nicht nur imitieren, sondern auch beschleunigen. Seine künstlichen Bäume saugen Luft an, filtern diese und wandeln das CO2 in Natriumbicarbonat um. Dieses wird verdichtet und soll danach als Gas in porösem Gestein im Erdboden oder in der Tiefsee gelagert werden. Eine Tonne CO2 sollen solche «Bäume» einst täglich absorbieren. Das ist tausendmal mehr, als ihre natürlichen Vorbilder schaffen. 100 000 «Bäume» auf einer Fläche von 600 Hektaren könnten laut einer englischen Studie die CO2-Emissionen des gesamten Vereinigten Königreichs (ohne Stromproduktion) aufnehmen. Obwohl Demonstrationsprojekte noch fehlen, bestehen kaum Zweifel, dass die Technologie funktioniert. Doch weil die CO2-Konzentration in der Atmosphäre lediglich 0,04 Prozent beträgt, ist die Effizienz begrenzt und die CO2-Absorption im Vergleich mit anderen Verfahren teuer. Schätzungen gehen von mehreren hundert Euro pro Tonne CO2 aus. Zugleich benötigen das chemische Verfahren und die Verdichtung des Gases grosse Mengen an Energie – laut Studien so viel, dass bei einem Energiemix, wie er heute zum Beispiel in Deutschland verwendet wird, bis zur Hälfte des absorbierten CO2 wieder emittiert würde. 
Wirtschaftlicher wäre die direkte Absorption von CO2 bei grossen Emittenten. Wie zum Beispiel bei Kohlekraftwerken, wo die Konzentrationen im Vergleich zur Umgebungsluft 300 Mal höher sind. Damit wäre das Problem der Lagerung jedoch nicht gelöst. Zu den viel diskutierten Risiken gehören die Sicherheit im Fall von Erdbeben, die Versauerung von Grundwasser und mögliche Lecks bei Lagerstätten. Einsprachen von Anwohnerinnen und Anwohnern potenzieller Lagerstandorte sind deshalb wahrscheinlich. In Deutschland haben heftige Proteste in ersten Testgebieten de facto zum Stopp der weiteren Forschung geführt.

2. Planktonfütterung mit unabsehbaren Folgen für Ozeane

«Gebt mir einen halben Tanker gefüllt mit Eisen, und ich gebe euch eine neue Eiszeit», prahlte der US-Ozeanograf John Martin in den 80er-Jahren und propagierte erstmals die Eisendüngung der Ozeane. Sein Vorschlag beruhte auf der Fotosynthese von Phytoplankton, das an der Meeresoberfläche schwebt. Dieses wandelt Kohlendioxid und Sonnenlicht in Biomasse um und gibt anschliessend Sauerstoff ab. Damit ist Plankton für rund die Hälfte des weltweit jährlich von Pflanzen absorbierten Kohlendioxids verantwortlich und das Meer die grösste Kohlenstoffsenke unseres Planeten. Das wollen sich Martin und andere Geoingenieure zunutze machen: Durch Düngung mit Nährstoffen wie Eisen, Stickstoff und Phosphor kann das Planktonwachstum künstlich angeregt und zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre absorbiert werden. Plankton stirbt nämlich bereits nach wenigen Tagen ab. Ein Teil des absinkenden Kohlenstoffs wird von Bakterien umgesetzt und dient als Nahrung für Kleinlebewesen. Der Rest fällt in Form von Biomasse auf den Meeresgrund, wo der Kohlenstoff dem natürlichen Kreislauf für bis zu tausend Jahren entzogen ist. 
Die Ozeandüngung gehört heute zu den besterprobten Ideen des Geo-Engineering. Seit 1993 wurde sie in 13 Freilandexperimenten im Südozean und im Nordwestpazifik getestet. Das grösste Experiment (LOHAFEX) umfasste die Düngung einer Fläche von 300 Quadratkilometern mit 10 000 Kilogramm Eisensulfat. Doch die anfängliche Euphorie über das Potenzial der Methode ist in den vergangenen Jahren verflogen. Die theoretischen Annahmen zur Effektivität konnten in den Experimenten nicht reproduziert werden. Zwar bildeten sich meist grossflächige Algenblüten, doch sank das Plankton nicht wie gewünscht ab. Ein nennenswerter Nettoexport von CO2 in die Tiefe wurde laut einer Übersichtsstudie des Umweltbundesamtes für Mensch und Umwelt Dessau-Roßlau/D in keinem der bisherigen Experimente nachgewiesen. Der anfänglich gebundene Kohlenstoff wurde bis zu 80 Prozent wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Weiter beobachteten Forscher eine verstärkte Blüte von Kieselalgen, die ein starkes Nervengift produzieren, sowie einen Sauerstoffmangel in tieferen Meeresschichten. Kritiker befürchten deshalb weitreichende Konsequenzen für die maritimen Ökosysteme und unkalkulierbare Folgen für die gesamte Nahrungskette bis zum Menschen. 

De facto besteht seit Mai 2008 ein Moratorium für die Ozeandüngung, das von 192 Staaten im Rahmen der Convention on Biological Diversity (CBD) beschlossen wurde. Trotzdem unternahm der amerikanische Unternehmer Russ George im Juli 2012 auf eigene Faust ein Experiment vor der Küste Kanadas und kippte 100 Tonnen Eisensulfat in den Pazifik. Satellitenbilder zeigten anschliessend ein stark erhöhtes Algenwachstum in einem Gebiet von über 10 000 Quadratkilometern. Nach eigenen Aussagen wollte George die indigene Bevölkerung des Inselarchipels Haida Gwaii bei der Regeneration der Lachsbestände unterstützen. Er hatte jedoch bereits früher mit dem Unternehmen Planktos Inc. auf sich aufmerksam gemacht, das die Ozeandüngung über international handelbare CO2-Kompensationszertifikate kommerzialisieren wollte. Umweltverbände und Anwälte nannten den Versuch vor Kanada eine «krasse Verletzung» zweier internationaler Moratorien.

3. Star Wars gegen den Klimawandel 

Die wissenschaftlichen Publikationen des US-Astronomen Roger Angel bieten Stoff für Kontroversen — und Science-Fiction-Romane: Angel will zehn Billionen transparente Siliziumscheiben 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt im All platzieren. Die so produzierte 100 000 Kilometer lange Wolke aus Reflektoren würde zwei Prozent des Sonnenlichts reflektieren, das normalerweise auf die Erde trifft. Dafür soll über 30 Jahre jede Minute ein Bündel mit einer Million Reflektoren ins All geschossen werden. Technisch wäre das laut Angel in 25 Jahren möglich. Geschätzte Kosten: 100 Milliarden Dollar jährlich. Ähnlich denkt das US-Forscherteam um Lowell Wood, das mit dem Vorschlag kam, eine Art riesiges Sonnensegel zwischen Sonne und Erde zu spannen. Berechnungen zeigen jedoch, dass für eine Reduktion der Sonnenstrahlung um zwei Prozent ein Sonnenschild von zirka drei Millionen Quadratkilometern nötig wäre. Weltallbasierte Methoden sind noch rein theoretischer Natur und die Unsicherheiten bezüglich Kosten, Effektivität, zeitlicher Umsetzung und Risiken immens, wie auch die Royal Society in ihrem Bericht vermerkt.

4. Die Wolkenmacher

Wolken spannen sich wie Sonnenschirme über unsere Erdkugel. Sie bestehen aus Millionen kleinster Wassertropfen, und je mehr Tropfen eine Wolke enthält, desto grösser ist ihre Albedo, das heisst das Rückstrahlvermögen von Sonnenlicht ins Weltall. Damit Wasserdampf zu Wolken kondensieren kann, braucht es sogenannte Kondensationskerne. Das können Sandkörner, Staub oder Meersalzkristalle sein. Durch Versprühen von Meerwasser über den Ozeanen in tiefe Wolkenschichten könnte deshalb das Wolkenwachstum angeregt und die Erdoberfläche zusätzlich gekühlt werden. Laut Schätzungen des britischen Physikers John Latham könnte die Erdtemperatur so selbst bei einer Verdopplung der heutigen CO2-Konzentration stabil gehalten werden. Dafür sollen laut Latham 1500 unbemannte Schiffe mit entsprechender Sprühvorrichtung in den Ozeanen kreisen. Eine Forschergruppe in San Francisco präsentierte unter dem Namen «Silver Lining Project» Pläne für ein solches Schiff. Es soll Meerwasser in eine Höhe von einem Kilometer sprühen und dafür zehn Tonnen Wasser pro Sekunde ansaugen. Laborbasierte Machbarkeitsstudien wurden unter anderem von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt. Noch ist aber weitgehend ungewiss, welche Auswirkungen die grossflächige Wolkenproduktion auf Windsysteme, Meeresströmungen, Niederschläge und Meeresorganismen hätte.

5. Der Schuss ins Blaue: Mit Schwefelraketen gegen die Erderwärmung

Es war ein klimatologisches Jahrhundertereignis: Auf den Philippinen spie der Vulkan Pinatubo 1991 innert kürzester Zeit rund 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre und umgab die Erdkugel mit einem grauen Schleier. In der Stratosphäre, der Atmosphärenschicht zwischen 18 und 50 Kilometern über der Erde, bildeten sich in der Folge sogenannte Aerosole. Das sind Gasgemische mit fein verteilten Partikeln, die wie Milliarden von kleinsten Sonnenreflektoren wirken. Die Abschirmung der Sonnenstrahlung führte zu einem weltweiten Temperaturrückgang von einem halben Grad über einen Zeitraum von zwei Jahren. Wären die Aerosole nicht wieder aus der Stratosphäre ausgefallen, hätte sich die Erde wahrscheinlich längerfristig um mehrere Grad abgekühlt. Deshalb schlug der Chemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen 2006 in einem viel beachteten wissenschaftlichen Essay vor, den beim Pinatubo-Ausbruch beobachteten Effekt für die künstliche Klimakühlung zu nutzen. Mit Tausenden von Ballonen oder Raketen könnte tonnenweise Schwefel in die Stratosphäre gebracht werden, so seine Idee, die gleichzeitig Ausdruck seiner Frustration über die Stagnation der Klimaschutzverhandlungen war. Die britische Royal Society kam in einem der meistzitierten Berichte zu Technologien des Geo-Engineering 2009 zum Schluss, dass die Aerosolbildung in der Stratosphäre, ähnlich wie von Crutzen vorgeschlagen, punkto Wirkung, Kosten, Risiken und einer raschen Umsetzung am meisten Erfolg verspricht. 
Doch neben grundsätzlichen ethischen Bedenken gegenüber dem Schwefelbeschuss der Stratosphäre ist die Wirkung umstritten: Chemie-Klima-Modellierungen haben gezeigt, dass der Pinatubo-Ausbruch nur bedingt als Modell taugt. Führt man der Stratosphäre nämlich über Monate oder Jahre Schwefel zu — mit Raketen, Ballonen oder Flugzeugen — koagulieren die einzelnen Partikel zu grösseren Aerosolen, bis diese in tiefere Atmosphäreschichten fallen, wo ihre Wirkung verpufft. Anstelle der von Crutzen geschätzten zwei Megatonnen Schwefeldioxid pro Jahr wäre für eine wirkungsvolle Kühlung rund die zehnfache Menge nötig. Das würde mit grosser Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Verschiebungen im Klimasystem führen. In Studien wurden ausbleibende lokale Niederschläge und verminderte Wassermengen in Flüssen als Folgen des Pinatubo-Ausbruchs nachgewiesen — meist mit starken regionalen Unterschieden.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Greenpeace Magazin 2/2013.


«Geo-Engineering würde unsere Beziehung zur Natur komplett verändern»

Geo-Engineering ist kein neues Phänomen. Seit über hundert Jahren versuchen Meteorologen und Ingenieure, Wetter und Klima zu kontrollieren. Meist war die Wettermanipulation an militärische Interessen gekoppelt, belegt der Wissenschaftshistoriker James Fleming im Greenpeace-Interview.