Kreative Aktivisten wissen, wie sich die Öffentlichkeit sensibilisieren lässt. Die Amerikanerin Whitney Black verblüfft mit skurrilen Überlebenskugeln; die Australierin Allana Beltran protestiert in Tasmanien gegen Abholzungen, indem sie sich als Mahnengel auf ein 45 Meter hohes Gerüst schnallen lässt; die Französin Cécile Lecomte steigt in Frankfurt auf Hochhäuser und tanzt so «dem Kapitalismus auf der Nase herum». Die Gruppe 350.org schliesslich macht mit spektakulären Events auf die zunehmende Klimaerwärmung aufmerksam. Die Geschichten dieser Bewegten sind spannendste Adventure-Literatur.

Von Rita Torcasso 

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Greenpeace Magazin 2/2013.

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Allana Beltran, Künstlerin, 27, Australien

Ein Engel stoppt die Abholzung

 

Der Engel sitzt still vor mächtigen Baumkronen. Mit ihm hat die australische Künstlerin Allana Beltran ein Symbol gegen die Vernichtung der Urwälder geschaffen.


Allana Beltran als Schutzengel tasmanischer Wälder: «Geblieben ist ein magischer Kern».
© Matthew Newton

Von Rita Torcasso — Der Engel im langen weissen Gewand, dessen Flügel sich im Wind bewegen, ist ein märchenhaftes Bild. Doch zu seinen Füssen verkündet ein Plakat: «Stopp der Abholzung im Weld-Tal!» Allana Beltran war nach Tasmanien gereist, um sich Inspiration für ihr Werk zu holen: Wenige Monate später sollte ihre erste Einzelausstellung in Sydney eröffnet werden. «Ich wollte diese Wildnis einfangen – doch sie nahm mich gefangen», sagt sie. Nirgendwo sonst auf der Welt habe sie erlebt, «wie jeder Organismus Teil eines mit allem verbundenen und von allem abhängigen Ganzen ist». Sie bleibt als Aktivistin im Blockade-Camp am Eingang zum Weld-Tal. Sechs Monate lang steigt sie mit den andern im Morgengrauen auf Plattformen von 45 Meter Höhe, um mit ihrem Körper Bäume zu schützen. «Allein Menschen können den Kahlschlag stoppen.» 

Im Frühjahr 2007 zerstört die Polizei das Camp – eines von vielen im tasmanischen Urwald. Allana Beltran filmt Zerstörung und Widerstand, stellt die Bilder ins Netz und informiert die Medien. Am 29. April steigt sie um fünf Uhr morgens als Weld-Engel auf den zehn Meter hohen Dreifuss mitten auf der Zufahrtsstrasse zum Tal. Durch ein Megafon droht ihr die Polizei mit zwei Jahren Gefängnis. Aber der Engel bleibt ungerührt sitzen. Schliesslich wird er mit einem Kran auf den Boden geholt. «Doch die Geschichte des Engels hatte erst gerade begonnen», so die Künstlerin. «Er ist mein Plädoyer für eine bessere Welt.» Sie handelt sich eine Klage auf Schadenersatz von 10 000 australischen Dollar ein. 

Der Weld-Engel wird zur Symbolfigur gegen Abholzungen der Urwälder. Für die Künstlerin ist er auch Ausdruck einer glücklichen Zeit. Im Wald hatte sie sich in den Aktivisten Ben Morrow verliebt. Doch nur wenige Monate nach ihrer Aktion erkrankte er an Krebs und starb mit 33. Seine letzten Worte: «Im Wald werden wir immer verbunden sein.» Allana Beltran kämpft weiter mit Kunst gegen die Zerstörung der alten Wälder – und gewinnt den Gerichtsprozess. 

Die zahlreichen Kampagnen und Proteste gegen die Abholzungen beginnen zu wirken. 2009 wird die Klage des Holzkonzerns Gunn Ltd. abgeschmettert, mit der er 2004 AktivistInnen zum Schweigen bringen wollte und 6,8 Millionen Dollar forderte. 2010 stellt er den Holzschlag im Urwald Tasmaniens ein, beutet das gerodete Land dafür aber mit Monokulturen aus. Vom alten Waldbestand ausserhalb der Nationalparks stehen nur noch 20 Prozent. Auch die Bäume, die Allana Beltran mit ihren Sitzwachen und als Weld-Engel zu schützen versucht hatte, fielen. Sie sagt: «Geblieben ist ein magischer Kern uralten Waldes, ungeschützt und doch unerreichbar.»  

Quellen: Emily Hunter IN Ökokrieger / http://www.allanabeltran.com / http://www.regenwald.org/erfolge/1682/erfolg-in-tasmanien-holzkonzern-beendet-urwaldabholzung / www.huon.org

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