Am 8. Juni war Weltmeertag. Die UNO widmet dieses Jahr dem Themen-Schwerpunkt Plastikmüll. Viele Tiere leiden unter der marinen Plastiksuppe. Sinnbild für die Plastikverschwendung und -verschmutzung: der Einwegsack. 

TaucherInnen weltweit treffen immer öfter auf Tiere, an denen Plastikabfälle hängen bleiben – Walhaie zum Beispiel, oder Schildkröten und Delfine. ForscherInnen finden gestrandete Wale, deren Darm zugestopft ist mit Plastikmüll. Oder verhungerte Albatrosse, die soviel Plastik im Magen haben, dass sie nichts mehr fressen können. Unsere Meere verkommen zum Plastikendlager. Jedes Jahr verenden allein über eine Million Seevögel und 100’000 Meeressäuger qualvoll durch den Müll, der in unseren Meeren treibt – gigantische Plastiksuppen. Die Tiere ersticken in Sechserpackträgern, strangulieren sich mit treibenden Netzresten oder verhungern, weil ihre Verdauungsorgane mit Plastik gefüllt sind. Nicht nur für zahlreiche Meerestiere birgt das Gefahren. Spätestens über die Nahrungskette landen Kunststoffpartikel samt Giftfracht wieder beim Verursacher. Die Politik hat das Problem lange ignoriert. Die UNO nimmt sich ihm jetzt an. Lösungen liegen allerdings keine auf dem Tisch – obwohl sie dringend nötig sind.

Ob als unsichtbares Mikroplastik oder riesige Geisternetze – Plastikmüll im Meer ist ein globales Umweltproblem. Allein von Land aus gelangen jährlich bis zu 13 Millionen Tonnen Plastikabfälle in die Ozeane. Rückstände finden sich in allen Meeren, vom Nordpol bis zum Südpol, in Küstennähe und auf offenem Meer. Erhebliche Mengen sammeln sich in grossen Strömungswirbeln der Ozeane. Reste bedecken aber auch den Meeresboden und stecken in den Sedimenten. Nach einer Untersuchung der Abfallströme in 192 Küstenländern warnten australische und US-amerikanische ForscherInnen in der Fachzeitschrift «Science»: Werde der Plastikverbrauch nicht erheblich reduziert oder die Abfallbeseitigung verbessert, könne der Anteil bis zum Jahr 2025 auf etwa 155 Millionen Tonnen steigen.

Geisternetze erschrecken die Tiere

Die Entsorgung von ausgedienten Fischfanggeräten an Land kostet. Kein Wunder also, dass das eine oder andere Netz klammheimlich unter Wasser entsorgt wird. Fischereirückstände machen etwa zehn Prozent des Plastikmülls im Meer aus. Die treibenden Netze werden zu tödlichen Fallen für die Meeresbewohner. Kunststoff-Stellnetze zum Beispiel, die in über 1000 Meter Tiefe ausgebracht werden, gehen leicht verloren. Plastikplanen bedecken Korallenstöcke, Schwämme oder Muschelbänke und verhindern so deren Besiedlung. Verdeckt von den Planen sind die Meeresorganismen vom Sauerstoffaustausch abgeschnitten und ersticken. Gefährdet sind auch seltene Kaltwasser-Korallenriffe. Hier fehlt es klar an einer gesetzlichen Regelung. Würden die Netze zum Beispiel verbindlich mit Ortungssendern versehen, könnten sie auch später gefunden und geborgen werden.

Die unsichtbare Gefahr in Alltagsutensilien

Mit einem Aktionsplan wollen die G7-Staaten ab sofort gemeinsam gegen die Vermüllung der Meere vorgehen, insbesondere durch Plastikabfälle. Das kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Sogar eine «weltweite Bewegung» wollen die Staats- und Regierungschefs starten. Ungewohnt kämpferische Worte in einem politischen Beschlusstext, aber sie geben Hoffnung. Um die Plastikflut einzudämmen, müssen alle an einem Strang ziehen: Politik, Wirtschaft, Forschung und KonsumentInnen. Geplant sind konkrete Massnahmen zur Vermeidung, Reduzierung und Beseitigung von Müll im Meer. Im Einzelnen sind diese zwar noch ausbaufähig, aber generell eine gute Basis. Auch die Schweiz muss ihren Beitrag leisten, und erst einmal den Plastikmüll vor der eigenen Haustür angehen! Allerdings wird auch dieser Aktionsplan nicht an Worten, sondern an den Taten gemessen.

Plastiksäcke sind das klassische Symbol für die Vermüllung der Meere. Und doch bleibt der schnelle Griff zu Einwegsäcken, die auf Basis von Öl hergestellt werden, für viele noch immer normal – an der Kasse und als Gipfel der Absurdität besonders am Obst- und Gemüseregal. Die Politik hat das Problem europaweit erkannt, doch bei der konsequenten gesetzlichen Lösung hapert es. Die EU verlangt, den Jahresverbrauch bis 2025 auf unter 40 Säcke pro Kopf zu reduzieren. Ambitioniert ist das nicht. Und die Schweiz? Das angekündigte Verbot verzögert sich auf unbestimmte Zeit.

Fast noch gefährlicher ist Mikroplastik: Die winzigen Teilchen verschmutzen Ozeane, Seen und Flüsse. Schuld sind vor allem Gegenstände des Alltags: Kosmetika, Reinigungsmittel, Kunstfasertextilien, Autoreifen, Flaschen, Verpackungen und Säcke. So werden zum Beispiel aus einem einzigen Fleece-Pullover pro Waschgang über 1900 Fasern herausgeschwemmt. Das Problem: Plastik enthält Giftstoffe wie Weichmacher und Flammschutzmittel. Winzige Teile können über die Nahrungskette auch in den menschlichen Körper gelangen. Was sie dort anrichten, ist nahezu unerforscht. Plastik enthält oft Zusatzstoffe, die dem Produkt gewünschte Eigenschaften verleihen, aber Menschen und Tieren schaden können. Bisphenol A, Phthalate (Weichmacher) und bromierte Flammschutzmittel können die Sexualentwicklung beeinträchtigen, das Erbgut schädigen bzw. krebserregend wirken. Und: Der Plastikmüll saugt gefährliche Umweltgifte wie DDT oder PCB wie ein Schwamm auf. Diese dringen ins Fettgewebe von Wasserorganismen ein.

Die Verschwendung muss gestoppt werden

Die Verschmutzung der Meere führt jedes Jahr zu enormen wirtschaftlichen Schäden. Tourismusgebiete sind bedroht, Strände müssen ständig gesäubert werden, der Müll verfängt sich regelmässig in Schiffsschrauben und Fischernetzen. Auch die Landwirtschaft leidet unter verschmutztem Weideland in Küstennähe. Bei Kraftwerken verursacht der Müll Schäden bei der Kühlwasseraufnahme, bei Entsalzungsanlagen blockiert er den Wasserkreislauf.

Greenpeace hatte anlässlich der Schiffstour «SOS Weltmeer» bereits 2006 auf das Problem hingewiesen. Plastik ist oft nützlich und lange im Einsatz. Aber der gedankenlose, verschwenderische Umgang mit Plastik muss gestoppt werden! «Neun von zehn Plastiksäcken werden nur ein einziges Mal benutzt, bevor sie auf dem Müll landen», sagt Carmelina Bonanno von Greenpeace Schweiz. «Gratisplastiksäcke und Mikroplastik in Kosmetika müssen verboten werden. Und es braucht Massnahmen zur Reduktion von Plastikverpackungen im Handel.»