Circa 40 Millionen Menschen in der Demokratischen Republik Kongo sind abhängig vom Regenwald. Er deckt ihre Grundbedürfnisse mit Heilpflanzen, Lebensmitteln oder Baumaterial. Auf diesem Foto steuert ein einheimischer Fischer sein Boot über das Wasser des Tumbasees. Das Gebiet wurde von der Congo Basin Forest Partnership zum besonders schutzwürdigen Gebiet erklärt. Die Ausdehnung der Abholzung auf noch verbliebene intakte Wälder wird in der Demokratischen Republik Kongo zur Zerstörung weltweit wichtiger Kohlenstoffreserven führen und die Biodiversität beeinträchtigen. Doch hat die Abholzung in der Region nicht nur Folgen für die Umwelt, sie verschlimmert auch die Armut und führt zu sozialen Konflikten.


Fischer am Tumbasee

© Greenpeace / Philip Reynaers

Alfonse Muhindo und Silas Siakor sind den langen Weg aus den Regenwäldern der Demokratischen Republik Kongo und Liberia nach Washington DC gereist. Als sie das riesige Foyer der Weltbank betreten, das durch viel Glas und Licht und einen Brunnen in der Mitte beeindruckt, der endlose Ströme von Wasser die Wände hinabrinnen lässt, werden die Besucher mit grossen Leuchtbuchstaben an der Wand der Eingangshalle empfangen: «Wir träumen von einer Welt ohne Armut.»

Vor zehn Jahren initiierte die Weltbank eine Reform des Forstwesens in der Demokratischen Republik Kongo. Das Land befand sich nach jahrelangem Krieg in einem chaotischen Zustand, hatte keine funktionierende Regierung und im Osten des Landes tobte noch immer der Krieg. Der Kongo, ein Land, das fast so gross ist wie ganz Westeuropa, beheimatet den zweitgrössten Regenwald der Welt. Die meisten der riesigen Regenwälder im Tiefland sind noch intakt. Der Wald stellt die Lebensgrundlage für 40 Millionen Menschen dar – er liefert ihnen Nahrung, Baumaterial, Energie, Medikamente und vieles mehr.

Mein Freund Reiner Tegtmeyer von der Organisation Global Witness stösst zu uns. Er ist zu dieser Veranstaltung der Weltbank gekommen, um einen Film vorzuführen über seinen Besuch bei 67 Gemeinden vor Ort, die von der Abholzung im Kongo betroffen sind. Er wollte herausfinden, was sich dort nach den fast zehnjährigen, von der Weltbank finanzierten Reformen verändert hatte. Die Ergebnisse, die er in seinem Film vorstellt, sind ernüchternd. «Sie nehmen unsere Bäume weg und lassen nichts übrig», sagt ein wütender Mann in die Kamera und eine Frau ergänzt: «Es hat keine positiven Auswirkungen gegeben – nur Chaos.» Tegtmeyer informiert seine Zuhörer: «Wir haben tonnenweise Material dieser Art – das ist nur ein kleiner Ausschnitt.»

Eine weitere Frau in dem Film erinnert sich an den schlimmsten Alptraum, den ihr Dorf durchgemacht hat. Sie beschreibt wie Sicherheitskräfte, darunter auch die Polizei, die von einem in Liechtenstein ansässigen Holzunternehmen gerufen worden waren, in den Ort einfielen und Frauen, darunter auch Minderjährige, vergewaltigten. «Sie haben eine schwangere Frau vergewaltigt und liessen sie danach einfach sterben», sagt sie. Das war im Jahr 2006 und die aus diesen Verbrechen hervorgegangenen Kinder sind in der Zwischenzeit geboren, doch den Opfern wurde nie Gerechtigkeit zuteil.

Dieses Jahr ist es wieder passiert – in einem anderen von der SIFORCO, einer Tochtergesellschaft der schweizerischen Danzer-Gruppe, kontrollierten Gebiet. Die Dorfbewohner hatten genug von den gebrochenen Versprechungen und beschlagnahmten einige Maschinen der Firma, um sie an den Verhandlungstisch zu zwingen. Mit einem grausamen Vergeltungsschlag kamen die Sicherheitskräfte den Holzfällern zu Hilfe, vergewaltigten Frauen und Mädchen, verprügelten Menschen und zerstörten ihr Eigentum. 16 Menschen wurden von der Polizei verhaftet und ins Gefängnis verschleppt. Geld und Ausrüstung des Unternehmens wurden eingesetzt, um dieses harte Durchgreifen zu ermöglichen. SIFORCO bereitet sich derzeit mithilfe der deutschen Entwicklungsbank KfW auf seine Zertifizierung mit einem Öko-Label vor.

Wenn man die Aussagen dieser Menschen hört, fragt man sich, wie es sein kann, dass die Weltbank weiterhin begeistert ihre Erfolge im kongolesischen Wald feiert. Dabei tut es anscheinend nichts zur Sache, dass das Moratorium für neue Abholzungsgenehmigungen, das die Bank mit durchgesetzt hatte, schon wenige Wochen nach seiner Inkraftsetzung 2002 gebrochen wurde. Und es tut auch nichts zur Sache, dass die meisten der widerrufenen Rodungsgenehmigungen nur auf dem Papier bestanden, weil dort ohnehin kein einziger Baum gefällt wurde. Es tut nichts zur Sache, dass die Regierung die Anzahl an «legalen» Rodungsgenehmigungen von ursprünglich 29, wie von ihren eigenen Experten empfohlen, auf 80 – mit Stand vom Januar 2011 – erhöhte. Und es scheint auch nichts zur Sache zu tun, dass die Verhandlungen über die sogenannten «Verträge über soziale Verantwortung» zwischen den Gemeinden und den Holzunternehmen eine völlige Farce waren. Für die Bank ist diese Reform ein ausserordentlicher Erfolg.

Ich frage den obersten für die Forstwirtschaft zuständigen Berater der Bank, der auch zur Filmvorführung gekommen ist: «Warum werden nach zehn Jahren der Intervention durch die Weltbank die Rechte der Bürger vor Ort noch immer mit Füssen getreten?» Vor vier Jahren schon hatte Greenpeace einen Film produziert, der eine auffällige Ähnlichkeit zu den Bildern hat, die Tegtmeyer uns heute zeigt. Was ist mit all dem Geld geschehen, das doch eigentlich die «Kontrolle verbessern» und «Transparenz» und «Nachhaltigkeit» in die Holzindustrie bringen sollte?

Ein Déjà-vu-Erlebnis

Die DRK ist nicht das erste und nicht das einzige Land, in dem die Weltbank Reformprogramme in der Holzwirtschaft vorangetrieben hat – und hier wären wichtige Lektionen aus der Vergangenheit zu lernen. Aus diesem Grund konzentriere ich mich bei meiner Präsentation auf Kamerun, wo schon 1994 ein neues Waldgesetz eingeführt worden war. Die Weltbank hatte entscheidenden Einfluss auf dessen Zustandekommen und pries es als das fortschrittlichstes Waldgesetz Afrikas. Die Bank drückte sowohl Änderungen bei der Besteuerung durch, um die Einnahmen durch die Holzwirtschaft zu erhöhen, als auch die Auflage, dass die Firmen über einen genehmigten Bewirtschaftungsplan für ihre Rodungsvorhaben verfügen mussten. Eine Regelung, die die Schaffung von Gemeindewäldern ermöglichte, wurde ebenfalls geschaffen. 17 Jahre später ist es offensichtlich, dass dieses Modell gescheitert ist.

Aktuelle Studien belegen, dass selbst dann, wenn die Theorie des «nachhaltigen Wirtschaftens» funktionieren würde – was nicht der Fall ist, an dieser Theorie nichts Nachhaltiges wäre. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die uralten Bäume aus den «nachhaltig bewirtschafteten» Wäldern unwiderruflich verschwunden sind. Die Gemeinden in und um die Waldgebiete, für die Abholzungsgenehmigungen bestehen, sind noch immer verarmt, da die Einnahmen nicht ihnen zugute kommen. Doch die Weltbank hat sich trotz unserer Warnungen daran gemacht, das Modell aus Kamerun eins zu eins auf die DRK zu übertragen.

Gerhard Dieterle arbeitet schon seit vielen Jahren in der für Wälder zuständige Abteilung der Weltbank. Er gibt zu, dass es «deprimierend ist, sich diese Bilder anzusehen – unbestreitbar bedauerlich.» Er stimmt zu, dass mehr getan werden muss, um die Gemeindewälder und eine lokale Waldbewirtschaftung zu unterstützen. Er ist persönlich an einigen kleinen neuen Initiativen der Bank beteiligt, die zum Ziel haben, in der Forstwirtschaft die «Kontrolle vor Ort zu stärken» und die indigenen Völker zu unterstützen.

«Wir haben sehr viel gelernt», räumt er ein. «Doch so lange sich die Hauptaktivitäten der Weltbank weiterhin auf die Unterstützung von Firmen mit Genehmigungen für eine grossflächige Abholzung konzentrieren und sie die Bedürfnisse der lokalen Gemeinden und der indigenen Völker weiterhin ignoriert, bleiben diese kleinen Initiativen ein Tropfen auf dem heissen Stein und reine Feigenblatt-Initiativen.»

Hoffnung

Alfonse aus der DRK hat eine klare Botschaft an die Bank: Ändern Sie Ihre Strategie und geben Sie Ihre Unterstützung künftig lieber solchen Programmen, von denen die Gemeinden vor Ort profitieren und die sie stärken. Er und die Mitglieder seines Netzwerks haben damit begonnen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Gruppen der kongolesischen Zivilgesellschaft haben Gesetzesentwürfe vorgelegt, mit denen der bisher nicht formal geregelte Holzabbau und die Herstellung von Holzkohle, die Millionen von armen Menschen ein Einkommen ermöglichen, geregelt werden sollen. Denn hierfür werden dringend klare und gerechte Gesetze benötigt. Diese Gruppen haben außerdem zusammen mit internationalen Partnern eine Initiative auf den Weg gebracht, die gemeinsam die Transparenz in der Holzindustrie messen und verbessern soll. Und sie arbeiten hart daran, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass die Gemeinden endlich ihre Wälder selbst bewirtschaften können: Mithilfe der Zivilgesellschaft wurde ein nationales Gemeindewaldgesetz entworfen. Das liegt nun auf dem Tisch des Premierministers und wartet darauf, unterzeichnet zu werden. Es würde die lokalen Gemeinden zum ersten Mal – zumindest rechtlich betrachtet – mit den Holzfirmen gleichstellen.

«Die Weltbank muss ihren Einfluss geltend machen und unsere Regierung dazu bringen, dieses Gesetz zu unterzeichnen», sagt Alfonse. Tatsächlich hat die Weltbank schon bewiesen, dass sie die Macht besitzt, bei ihren armen Empfängerländern alle möglichen Bedingungen durchzudrücken – so sie denn will. Wenn es den Menschen bei der Weltbank ernst damit ist, den Armen helfen zu wollen, dann werden sie einfach keine weiteren Gelder für Forstprogramme freigeben, wenn die Regierung kein Gesetz für Gemeindewälder verabschiedet. Das wäre ein kleiner Schritt für die Bank, aber ein grosser Sprung für die Menschen im kongolesischen Wald.