Das Deepwater Horizon-Unglück von BP nimmt immer mehr Ausmasse an, die an ein «Tschernobyl der Meere» denken lassen. Im Unterschied zu «herkömmlichen» Tankerunglücken handelt es sich hier nicht um eine endliche Menge Öl, die sich dann, wenn auch unendlich langsam, im Laufe der Jahrzehnte auflöst.


Putzaktion an einem Strand in «Grand Isle» am 8. Juni. Mittlerweile sind 160 km der Küste ölverschmutzt.

© Jose Luis Magana / Greenpeace

Das Deepwater Horizon-Unglück von BP nimmt immer mehr Ausmasse an, die an ein «Tschernobyl der Meere» denken lassen. Im Unterschied zu «herkömmlichen» Tankerunglücken handelt es sich hier nicht um eine endliche Menge Öl, die sich dann, wenn auch unendlich langsam, im Laufe der Jahrzehnte auflöst. Es geht auch nicht «nur» um Öl an der Wasseroberfläche, sondern es strömt eine massive Menge Öl aus dem Meeresgrund, Sekunde um Sekunde, Woche um Woche und ein Ende ist nicht abzusehen. Sprudelt die braune Brühe weiter bis Ende Jahr – was leider durchaus realistisch ist – wird die bisher beim grössten Tankerunglück freigesetzte Ölmenge bereits um mehr als das zehnfache übertroffen sein.

Sichtbar sind bis jetzt vor allem die Schäden an Mangroven, Strand- und Meeresvögeln. Das stille Sterben unter Wasser bleibt den Blicken und Kameras der Weltöffentlichkeit verborgen. Das heisst aber nicht, dass es nicht stattfindet.


Die ölverschmutzten Vögel, wie dieser Pelikan, sind die sichtbarsten Opfer der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Doch auch für die Tiere unter der Wasseroberfläche stellt das Öl eine tödliche Bedrohung dar.

© Jose Luis Magana / Greenpeace

Ganz im Gegenteil: So ist der Golf von Mexiko das Laichgebiet der westlichen Population des Roten Thunfischs (auch als Blauflossenthun bekannt). Die östlichen Laichgründe sind im Mittelmeer. Er ist wegen zu starker Überfischung akut vom Aussterben bedroht. Und er laicht genau in der Zeit von April bis Mai. Falls die Fische überhaupt in den verschmutzten Golf gelangen und dort ablaichen, werden der Laich, und die sich entwickelnden Kleinstlarven die an der Oberfläche treiben, in dem dortigen Gemisch aus Öl und dem von BP flächendeckend ausgebrachten giftigem Dispersionsmittel keine Überlebenschance haben.

Der Golf von Mexiko ist zudem auch Laichgebiet anderer höchst gefährdeter Grossraubfische wie Gelbflossen-Thun, Schwertfisch und Marlin. Und auch ausgewachsene Tiere sind direkt durch die Ölpest bedroht. Das in Tropfen im Wasser schwebende Öl droht die Fische zu vergiften oder ihre Kiemen zu verstopfen. Wale und Delfine, die zum Luft holen regelmässig an die Meeresoberfläche auftauchen müssen, drohen die Atemlöcher zu verkleben. Von den fünf im Golf vorkommenden Seeschildkröten-Arten sind drei vom Aussterben bedroht –auch sie sind vom Öl direkt bedroht.

Und, auch das eine neue Dimension der Meeresverschmutzung, da zum ersten Mal ein so gigantisches Ölunglück auf 1500 Metern Tiefe stattfindet, können die Auswirkungen auf die Tiefsee-Lebewesen nur vage abgeschätzt werden. Es ist aber klar, dass gerade Tiefseefische, die nur einen kleinen, räumlich scharf begrenzten Lebensraum haben, sehr stark von Verschmutzungen betroffen sind. Zudem ist die Tiefsee normalerweise sehr stabil – die dortigen Lebewesen reagieren entsprechend verletzlich auf Änderungen ihrer Umgebung.

Tiefsee-Lebewesen entwickeln sich zudem nur äusserst langsam und brauchen zum Teil Jahrzehnte bis sie geschlechtsreif sind. Die im Golf erst kürzlich entdeckten Tiefsee-Korallen würden sich, wenn überhaupt, erst in Jahrhunderten wieder erholen.

Es bleibt als einziger Hoffnungsschimmer, dass diese himmeltraurige Katastrophe wenigstens, ähnlich wie Tschernobyl, zu einem globalen Umdenken führt. Zur grundsätzlichen Frage, wie viel Umweltzerstörung wir in Kauf nehmen wollen, um weiterhin mit unseren Benzinkarossen durch die Gegend brausen zu können.