Wolfsbarsch aus Wildfang gilt als Delikatesse. Doch diese hat einen bitteren Beigeschmack: So sind rund 2000 Delfine sind als Beifang in der Fangsaison 2004 als Beifang verendet – allein im nahen Ärmelkanal.

Nein, an diese Bilder können und wollen sich StrandspaziergängerInnen nicht gewöhnen: Jedes Jahr zur Winterzeit stranden an der südenglischen Küste tote Delfine. Mit erstarrtem Lächeln liegen sie da, meist ohne Flossen und mit aufgeschlitzten Bäuchen. Dabei sind die angespülten Leichen nur ein Bruchteil von dem, was sich unter der Meeresoberfläche verbirgt. Jede einzelne ist ein «Unfall» im doppelten Sinne: Zuerst erstickt der Delfin als Beifang in einem Schleppnetz. Dann wird sein Körper von den Fischern aufgeschlitzt, damit er im Meer versinkt und verschwindet. Denn die Jagd gilt dem Wolfsbarsch, und Delfine und Wale sind eigentlich per Gesetz geschützt.

Am 17. Februar 2005 ist das Greenpeace-Schiff «Esperanza» im Hafen von Falmouth im englischen Cornwall ausgelaufen, an Bord 35 Frauen und Männer, darunter auch Wissenschaftler der unabhängigen Wal- und Delfinschutzorganisation (WDCS). Greenpeace-Aktivist Willie Mackenzie beschreibt das Ziel der Aktion: «Wir steuerten jene Zone an, wo wir bereits im Vorjahr Schleppnetzfischer geortet haben.» Auf dem Radar tauchen bald zwei verdächtige Punkte auf. Greenpeace schickt ein Schlauchboot vor, um die Schiffe zu identifizieren: typische Fischdampfer, Trawler genannt, 20 bis 30 Meter lang, die «Ocean Star» und die «Ocean Crest». Per Funk informiert man die Besatzung, dass ihre Fangmethoden die Delfine gefährden, die Schleppnetzfischer werden gebeten, die Arbeit abzubrechen. Zwei Aktivisten in Taucheranzügen schwimmen zu den Netzen – was sich als ziemlich gefährlich erweist: Die Trawler weichen den Schwimmern kaum aus. Nur mit Mühe können sie sich zur Seite retten. Doch es gelingt Greenpeace, an den Netzen gelbe Bojen mit der Aufschrift «Stop killing dolphins» anzubringen. Und tatsächlich: Die Wolfsbarschfischer unterbrechen ihre Arbeit. Nur für kurze Zeit allerdings, wie sich herausstellen soll.

Die Fischer werden auch mal rabiat

«Oft zeigt sich eine Besatzung zunächst kommunikationsbereit. Das kann sich allerdings schnell ändern, wenn sie sich der Entschlossenheit der Delfinschützer bewusst wird», spricht Mackenzie aus Erfahrung. Als das Schiff «Esperanza» ein paar Tage später auf das Trawler-Paar «Ocean Dawn» und «Sunrise» trifft, werden die Netze schnell eingezogen. Dann aber beginnt die Crew, das Greenpeace-Schlauchboot mit Gegenständen zu bewerfen. Zu Hilfe kommen ihnen «Ocean Star» und «Ocean Crest». Man spannt zusammen, kreist die vermeintlichen Störer ein. Mackenzie erinnert sich: «Dank der Wendigkeit unseres Schlauchboots haben wir uns aus der ungemütlichen Lage manövrieren können.»So klein die Trawler erscheinen mögen, sie ziehen gigantische Netze hinter sich her: Zwölf Jumbojets könnte ein Schleppnetz verschlucken – mit einer Öffnung, so gross wie zwei Fussballfelder. Die Netze machen natürlich auch vor jungen Wolfsbarschen oder Delfinen nicht Halt. Gerade für die Population der Delfine kann dies fatale Folgen haben, denn diese erreichen das Zeugungsalter erst mit sieben Jahren. Die Wal- und Delfinschutzorganisation schätzt die Anzahl der Delfine im Ärmelkanal auf derzeit noch 9700. Letztes Jahr hat die britische Regierung allein bei der englischen Fangflotte 439 tote Delfine beobachtet. Weil die französische Flotte fünfmal grösser ist, vermuten die Wissenschaftler eine entsprechend höhere Opferzahl. In einer einzigen Nacht ist Greenpeace auf 16 mehrheitlich französische Trawler gestossen. Einige Kapitäne sind freundlicherweise den Forderungen nachgekommen, haben die Netze eingezogen und sind am schwankenden Horizont verschwunden. Wohin genau, wissen nur sie. Fünf massakrierte Tiere holt die Greenpeace-Crew während der sechswöchigen Kampagnenarbeit schliesslich an Bord. Am 29. März läuft die «Esperanza» am Hafen von Portland bei Dorset ein.

Der französischen Botschaft in London im eleganten Quartier Knightsbridge überbringt Greenpeace vier der toten Delfine. Ein weiterer wird ans Büro des französischen Fischereiministers in Paris geliefert. Malträtierte Delfine vor sauberem Regierungsgemäuer? In London lässt man diese Art von Störung sofort von der Polizei entfernen. In Paris werden einige der AktivistInnen vorübergehend festgenommen. Die gewaltlose Greenpeace-Aktion bleibt aber hoffentlich in der Erinnerung der erstaunten Passanten. Zudem sind die Bilder durch die Medien gegangen.

Willie Mackenzie ist optimistisch: «Unter den EU-Richtlinien sind die einzelnen Länder verpflichtet, Delfine zu schützen. In London hat Greenpeace einen Rechtsstreit gegen die britische Regierung angestrengt. Wir glauben, dass die Regierungen beider Länder nun genügend Beweise haben müssten, um die Schleppnetzfischerei endlich zu stoppen. Und zwar bevor im Oktober eine nächste Fangsaison beginnt.»