Bangladesch ist das am dichtesten besiedelte Land der Welt; über 150 Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche, dreieinhalbmal so gross wie die Schweiz. Und die Bevölkerung wächst jedes Jahr um rund 3 Millionen. Doch dem Land droht wegen des Klimawandels eine Katastrophe

Die Küsten am Indischen Ozean – Schwemmland der Flüsse Brahmaputra, Ganges und Meghna – sind gegen den steigenden Meeresspiegel nicht mehr zu verteidigen. Dämme zu bauen, ist vielerorts nicht praktikabel, denn der Boden ist zu weich und die Uferlinie besteht aus unzähligen Verästelungen des Flussdeltas.

Besonders gefährdet ist die Region der Sundarban-Inseln mit dem grössten Mangrovenwald der Erde, das wichtigste Refugium des Bengalischen Tigers. Sie ist bereits um ein Drittel geschrumpft.

Diese Bilder dokumentieren die persönlichen Schicksale von Menschen, die gegen diese Folgen des Klimawandels kämpfen.

 

 

«Das Land wird zusehends kleiner»

Die Bewohner der Carteret-Inseln gehören zu den ersten Menschen, die ihre Heimat aufgeben müssen, weil das Meer sie überflutet. Basil Peso, der diese Klimaflüchtlinge betreut, berichtet.
Der höchste Punkt der zu Papua-Neuguinea gehörenden Carteret-Inseln liegt gerade mal 1,5 Meter über dem Meeresspiegel. Und weil dieser ansteigt, werden die Bewohnerinnen und Bewohner seit 2007 auf die nahe Insel Bougainville umgesiedelt. Im vergangenen Frühling hat die weltweit erste Aktion dieser Art begonnen. Seit zwanzig Jahren bereits kämpfen die Menschen dort gegen die Folgen des Klimawandels: Sie bauen Dämme und pflanzen Mangroven – trotzdem verwüsten Stürme ihre Häuser, das Meer überschwemmt ihre Gemüsegärten und verdirbt die Süsswasserquellen. Es wird geschätzt, dass 2015 die Inseln völlig unbewohnbar sein werden.
Die Umsiedlung von ganzen Nationen ist nicht nur eine politische, sondern auch eine ethische, spirituelle und wirtschaftliche Angelegenheit. Im November 2008 fand dazu in Hamburg eine Konferenz mit dem Titel «Atolle der Südsee – Holme der Nordsee: Internationaler Dialog zum Klimawandel» statt. Bei dieser Gelegenheit äusserte sich Basil Peso von der Nichtregierungsorganisation Tulele Peisa aus Bougainville, welche diese Klimaflüchtlinge betreut, zu deren Situation.

 

Wie sieht die Lage auf den Carteret-Inseln aus?
Angefangen hat es vor einigen Jahren. Zuerst dachten die Leute noch, es seien normale Ereignisse. Doch dann wurde die Situation auf unseren Inseln immer dramatischer. Ungewöhnlich ist, dass das Meer bis in unsere Gärten vorstösst und dass es sehr schnell ansteigt. Ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Zentimeter kann einen Meter Strand unter Wasser setzen. Die Insel Huene wurde vom Meer bereits in zwei Teile geteilt, weitere werden das gleiche Schicksal erleiden. Experten rieten uns, Mauern zu errichten und Mangroven zu pflanzen. Wir haben beides versucht, doch das funktioniert nicht. Die Mauern werden vom wilden Meer zertrümmert. Das Land wird zusehends kleiner, während die Bevölkerung wächst. Es ist ein Wettrennen gegen den Ozean. Jetzt geben wir auf, weil uns die Mittel fehlen, um die Inseln zu retten.

Welches sind die grössten Probleme?
Das grösste Problem der Inselbewohner ist die Nahrungs- und Wasserknappheit. Es wächst kaum mehr etwas, weil der Boden salzhaltig geworden ist. Jetzt sind wir auf Kokosnüsse und Fischfang angewiesen. Doch die Wurzeln der Kokospalmen werden unterspült oder verfaulen im Wasser. Wir haben nur noch wenig Nahrung zur Verfügung. Nur wenige Läden werden noch via Bananenboot mit Vorräten beliefert; zudem ist diese Ware teuer, aber auf den Inseln gibt es keine Arbeit und nur wenig Geld. Zwar versorgen uns die Behörden von Bougainville alle paar Monate mit einem Notvorrat Reis. Aber das ist keine Lösung, und eine langfristige Strategie fehlt.

Wie ist es mit dem Trinkwasser?
Damit haben wir mehr und mehr Probleme. Es sind nicht nur die Wellen, die unser Land zerstören. Das Salzwasser dringt auch tief in die Inseln vor und verdirbt unser Trinkwasser, die Quellen sind nicht mehr nutzbar. Der Regen ist unsere zweite Quelle von Frischwasser. Einige Dorfbewohner haben Wassertanks, doch die trockene Jahreszeit dauert lange. Das Wasser wird oft so knapp, dass wir zum Stillen des Durstes auf Kokosnüsse zurückgreifen müssen. Noch ernähren wir uns vor allem von Kokosnüssen und Brotfrüchten. Doch Salzwasser, Stürme und Flutwellen werden auch diese Nahrungsqzuellen noch zerstören.

Wie weit ist der Umsiedlungsprozess bereits fortgeschritten?
Der erste Umsiedlungsplan wurde 2005 erstellt, doch die Regierung arbeitet langsam. 2007 unterbreitete die Organisation Tulele Peisa der Regierung einen neuen Plan, um den Prozess zu beschleunigen und die Umsiedlung zu erleichtern.
Die Menschen von Carteret sollen bei Tinputz im Norden von Bougainville angesiedelt werden. Dort stellt die katholische Mission kostenlos Boden für die Landwirtschaft und für den Bau von Häusern zur Verfügung.

2008 begannen wir mit dem Bau der Häuser. Sie werden aus Buschmaterial gebaut und haben eine Lebensdauer von knapp zwanzig Jahren. Die neuen Häuser müssen den bestehenden Häusern in Tinputz ähnlich sehen. Tulele Peisa will vermeiden, dass die Menschen als illegale Siedler in einer Stadt wie Buka landen. Die Inselbewohner müssen einen sicheren Ort erhalten, wo sie ihre Gärten anlegen und fischen können, damit sie ein Auskommen haben. Die Regierung wollte für die Carteret-Schüler eine separate Schule bauen. Doch die Dorfbewohner waren dagegen: Die Carteret-Leute gehören zu uns, sagen sie. Es ist kein guter Start, wenn wir sie von uns trennen, ihre Kinder sollten zusammen mit unseren aufwachsen.

Im Frühling 2009 machten fünf Familien den Anfang, die sich in einer besonders misslichen Lage befinden – insgesamt sind das rund 100 Personen.

Was sagen die Leute zur gegenwärtigen Situation?
Sie spüren, dass etwas geschehen muss. Sie haben Angst, ein grosser Wirbelsturm oder ein Tsunami könnte sie alle vernichten. Die Männer haben keine Ahnung, was sie tun oder wohin sie mit ihren Familien gehen könnten. Die Frauen sagen: Wir müssen einen neuen Ort finden, wo wir uns mit unseren Kindern niederlassen können.
Die alten Leute wollen nicht weg, sie würden lieber mit ihren Inseln untergehen. Das verwirrt die Jüngeren, sie wollen sie nicht auf der Insel zurücklassen. Die Umsiedlung ist der einzige Weg in die Zukunft. Wir werden unsere Identität verlieren, aber wir haben keine Wahl. Die Inseln werden immer kleiner.

Was sagen die Menschen über den Klimawandel als Auslöser dieser Probleme?
Sie sehen, dass es geschieht, doch sie denken nicht über die Ursachen nach. Sie wissen nicht viel darüber. Es passiert seit zwanzig Jahren, das Land verschwindet langsam. Es geschieht einfach. Die Nahrungsmittelknappheit ist auch einfach eine Tatsache. Dank unserer Aufklärungsarbeit wissen die Leute immerhin, dass es sich um eine weltweite Entwicklung handelt, dass andere Inselbewohner die gleichen Probleme haben. Carteret und Tuvalu sind die Ersten, die untergehen, Kiribati und die Marshall-Inseln kommen als Nächste dran. Doch ein Austausch findet nicht statt, da wir das Geld nicht haben, um unsere pazifischen Nachbarn zu besuchen.

Welche Rolle spielt Tulele Peisa?
Das erste Ziel von Tulele Peisa – übersetzt heisst dies «Aus eigener Kraft über die Wellen segeln» – ist die Bewusstseinsbildung bei den Inselbewohnern und in der Weltöffentlichkeit. Tulele Peisa will Menschen, Regierungen, Unternehmen und Institutionen beeinflussen und zum Kampf gegen den Klimawandel mobilisieren. In zweiter Linie geht es uns darum, die Bewohner von Carteret im Umsiedlungsprozess zu unterstützen. Wir arbeiten dabei auf beiden Seiten. Wir unterstützen und unterrichten sowohl die Gastgebergemeinschaften als auch die Umsiedler. Wir organisieren gemeinsame Anlässe für die beiden Gruppen und diese reisen zusammen durch Tinputz; dort treffen sie sich mit Führern der lokalen Gemeinschaften, unterhalten sich mit ihnen über den Klimawandel und erklären ihnen, warum die Bewohner von Carteret von ihren Inseln auf die Hauptinsel Bougainville übersiedeln müssen.