Gentechnologie sei für Schweizer Bauern zurzeit keine Option, sagt Sandra Helfenstein vom Bauernverband. Sie bringe keine Vorteile, sei bei den Konsumenten nicht akzeptiert und werde jetzt auch vom Uno-Weltlandwirtschaftsrat sehr kritisch beurteilt.


Sandra Helfenstein

Sandra Helfenstein, voraussichtlich nächsten Frühling entscheidet das Parlament über eine Verlängerung des Gentech-Moratoriums, das seit drei Jahren den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Schweiz verbietet. Warum sind die Schweizer Bauern gegen Gentechnologie in der Landwirtschaft?
Weil es bis jetzt keine einzige gentechnisch veränderte Pflanze gibt, die den Bauern Vorteile bringt. Die Schweizer Bevölkerung will zudem keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen. Es gibt also keinen Grund, welche zu produzieren.

Haben denn die Freiland-Experimente von ETH und Universität Zürich, die momentan durchgeführt werden, noch keine brauchbaren Ergebnisse gebracht?
Das nationale Forschungsprogramm NFP 59 ist immer noch am Laufen. Wir sind aber durchaus kritisch, ob diese Forschung uns weiterbringt. Bis zum Ablauf des jetzigen Moratoriums in zwei Jahren werden sicher keine definitiven Resultate vorliegen. Deshalb setzen wir uns auch für eine dreijährige Verlängerung des Moratoriums ein. Wir brauchen mehr Zeit, um die Ergebnisse genau zusammenzufassen und auf die Schweiz bezogen zu interpretieren. Entscheidend werden die Resultate in Bezug auf Biosicherheit, Kosten der Koexistenz und Akzeptanz der Gentechnologie bei der Bevölkerung sein. Verschiedene Meinungsumfragen bestätigen nach wie vor grosse Skepsis bei den Konsumenten.

Ganz abschwören möchten die Bauern der Gentechnologie aber doch nicht.
Ja, das ist richtig. Könnte man beispielsweise den Erreger Feuerbrand mittels Gentechnologie bekämpfen, würde dies die Diskussion bestimmt wieder anheizen, denn die jetzige Lösung mit Antibiotikum-Einsatz ist ebenfalls alles andere als ideal. Sicher ist aber auch: Man kann Gentech-Risiken nie absolut beurteilen oder gar ausschliessen. Es ist also keine Technologie, die man einsetzen sollte, wenn es gute Alternativen gibt. Der kürzlich veröffentlichte Uno-Weltlandwirtschaftsbericht bestärkt uns in dieser Haltung.

Der Uno-Bericht hat die industrielle Landwirtschaft mit hohem Energie- und Chemikalieneinsatz für gescheitert erklärt. Es brauche eine ökologische und soziale Trendwende. Wo steht die Schweizer Landwirtschaft?
Die Schweizer Landwirtschaft ist auf dem richtigen Weg. Dem Uno-Bericht könnte sie als Vorbild gedient haben: 98 Prozent unserer Betriebe erfüllen mindestens den ökologischen Leistungsnachweis, gut 10 Prozent sogar die Richtlinien der biologischen Produktion. Wir produzieren auf der Basis von Familienbetrieben in erster Linie für den einheimischen Markt. Und wir erbringen weitere multifunktionale Leistungen. Unsere Herkunftsmarke «Suisse Garantie» setzt zudem unabhängig vom Moratorium auf Gentech-Freiheit.

Der Uno-Bericht empfiehlt auch kleinbäuerliche Strukturen. Wir entwickeln uns aber in die andere Richtung: Das Bauernsterben geht weiter, genauso das Artensterben bei Tieren und die Abnahme der Sortenvielfalt bei Getreide, Gemüse und Früchten.
Klar, der Freihandel und der dadurch entstehende Preisdruck zwingen uns zu Kompromissen. In den nächsten Jahren werden vor allem kleine Bauernbetriebe verschwinden. Mit der zunehmenden Grenzöffnung kommen mehr billige Produkte auf unseren Markt. Das heisst, wir müssen weiterhin auch Nahrung im günstigeren
Segment produzieren. Beim Artenschutz können wir noch mehr erreichen. Was die Sortenvielfalt angeht: Da gibt es momentan mit Labels wie ProSpecieRara oder Bio
Suisse eher wieder einen Trend zu mehr Vielfalt. Allerdings braucht es dafür auch Kundschaft. Und da verhalten sich die Schweizer etwas schizophren. Denn in Umfragen geben sie an, mehr Geld für ökologisch und sozial produzierte Nahrungsmittel aufzuwenden, als sie dann wirklich tun.

Sie argumentieren primär aus einer kurzfristigen, wirtschaftlichen Perspektive. Der Uno-Bericht stellt fest, dass soziale und ökologische Aspekte darunter leiden.
Wir wollen eine nachhaltige Landwirtschaft, und das erreichen wir primär, wenn wir lokal, also für die Schweizer Bevölkerung, produzieren. Ernährungssouveränität und
das Recht auf Nahrung sind zentrale Anliegen von uns. Deshalb wehren wir uns auch gegen eine Landwirtschaft, die speziell für den Export hochwertige Lebensmittel produzieren soll, wie es Bundesrätin Leuthard proklamiert.

Sandra Helfenstein, 37, ist ETH-Agronomin und seit drei Jahren stellvertretende Leiterin Kommunikation beim Schweizerischen Bauernverband. Zuvor arbeitete sie
während fünf Jahren beim Schweizer Obstverband.