Der unkontrollierte und beschleunigte Holzschlag im Kongobecken gefährdet Natur, Menschen und das Weltklima. Auf einer von Greenpeace organisierten Tour erklären Biologe René Ngongo Mateso und Menschenrechtler Adrien Sinafasi Makelo den westlichen Regierungen, warum die Demokratische Republik Kongo Hilfe braucht.

Dieser Artikel ist im Magazin Greenpeace 3/2007 erschienen.

«Es begann in den Kongokriegen der neunziger Jahre», erklärt René Ngongo. «Da fielen definitiv die Hemmschwellen für Urwaldrodungen im grossen Stil. Die Armeen und Rebellengruppen, die in den machtfreien Raum des östlichen Kongobeckens drangen, finanzierten sich nun mit dem begehrten Holz aus dem Regenwald.» Und Abnehmer gab es genug, der Weltmarkt giert nach Tropenhölzern. Bis zu dreissig internationale Holzfirmen sind heute in der Region «tätig».

René Ngongo Mateso ist Biologe und Ökologe und stammt aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo): «Jeder hat sein Schlüssel-erlebnis. Als ich zum ersten Mal ein Satellitenfoto des Kongo-beckens sah, war ich entsetzt. Schlagartig wurde mir klar, wie weit die Abholzung des Urwaldes schon gediehen war. Sofort konnte ich mir ausmalen, was dies für die Bevölkerung heisst.» Ngongo koordiniert die kongolesische Umweltorganisation Organisation Concertée des Ecologistes et Amis de la Nature (OCEAN). Zusammen mit Landsmann Adrien Sinafasi Makelo unternahm er eine Reise, um der Welt die Situation in der DR Kongo zu schildern.

Adrien Sinafasi Makelo ist Menschenrechtler und Vorsitzender des Pygmies Indigenous People Association Network, einer Gruppierung, die die Pygmäenvölker im Kongobecken vertritt: «Mit dem Holzschlag werden immer auch Grundrechte verletzt. Wenn eine Holzfirma im Wald tätig ist, dürfen die Dorfbewohner das Terrain nicht mehr betreten. Das ist eine Katastrophe. Der Wald ist für uns absolut überlebenswichtig. Er ist, was für die Menschen in Europa der Supermarkt ist – und mehr als das. Der Wald gibt uns Nahrung, Baumaterial, bis zu hundert Arten von Medizin. Wir sind verloren, wenn wir den Wald verlieren.»

Schon die autobahnbreiten Strassen in den Urwald, beschreibt Ngongo, stellen die Einheimischen vor ganz neue Probleme. Sie sind Einfallschneisen für Wilderer, für rebellische Gruppen oder Armeen und werden damit zur Gefahr für die Waldbevölkerung. Weil die Verdienstmöglichkeiten in den Städten eher abnehmen, entsteht eine Stadtflucht in die Wälder, wo man sich wenigstens von Pflanzen und Tieren ernähren kann. Noch. Denn der Lärm der Holzschlagmaschinen vertreibt die Tiere nachhaltig. Adrien Sinafasi: «Die Jagd nach Tropenholz ist in vollem Gange, es sind globale Interessen, neuerdings mischen auch Chinesen mit. Der grosse Regenwald gerät auf allen Ebenen völlig durcheinander.»

Ungefähr 40 Millionen Menschen in der DR Kongo führen ein Leben, das direkt und ausschliesslich vom Wald abhängt. Unterstützt von der Weltbank befürwortet die Regierung in Kinshasa den industriellen Holzschlag, weil er Armut abbaue und die nationale Wirtschaft fördere. Die Weltbank formulierte einen Vertrag zwischen den Holzschlagfirmen, den so genannten Loggers, und der ansässigen Bevölkerung mit dem Ziel, dass Letztere vom Holzschlag mitprofitieren. Die Ankunft der Loggerfirmen wird meist willkommen geheissen, weil diese nicht nur Geschenke machen, sondern auch versprechen, Schulen und Spitäler zu bauen. Aber bald muss man feststellen, dass sich die Versprechen in Luft auflösen.

Da in den Dörfern kaum eine Vorstellung existiert, was Land und Holz nach westlichen Vorstellungen wert ist, ist es für die Holzfirmen einfach, sich für lächerliche Entschädigungen Zugang zum Wald sowie millionenschwere Abschlagrechte zu erkaufen – unter anderem mit gebrauchten Kleidern, schildert Ngongo. Die Verträge werden nur in Französisch vorgelegt, unterschrieben werden muss sofort. Adrien Sinafasi: «Die Loggers kommen meist in Begleitung eines Polizisten und eines Regierungsvertreters, da scheint kein Einspruch möglich. Und schon eine Woche später fahren riesige Maschinen durch den Wald.»

Es gebe tatsächlich von der Regierung eingestellte Kontrolleure, meint René Ngongo. «Sie haben einen Raum mit Tisch und Schreibmaschine, fertig. Keiner hat ein Fahrzeug. Sie müssen sich ein Velo mieten oder eine Mitfahrmöglichkeit bei den Holzkonzernen erbetteln. Wenn sie kontrollieren wollen, was an Holz wirklich geschlagen wurde und was die Firmen deklarieren, wird ihnen Einsicht in die Bücher verweigert.» Adrien Sinafasi fährt fort: «Die Weltbank weiss all dies, aber sie setzt sich bei der Regierung nicht durch. Sie hält sich nicht mal an ihre eigenen Vorgaben, dass keine Projekte bewilligt werden dürfen ohne das Einverständnis der lokalen Bevölkerung. Und das Holzschlagmoratorium der Weltbank existiert nur auf dem Papier.»

Geschlagen wird auf jeden Fall, ob legal oder illegal. In Küstennähe radikal, weiter waldeinwärts selektiv. Wider besseres Wissen werden bevorzugt auch die Sapelli-Bäume geschlagen, auf denen jene Raupen leben, die eine Hauptproteinquelle der Waldbevölkerung ausmachen. Die Sapelli-Rinde hat Heilkräfte, ist schmerzstillend, entzündungshemmend und hilft bei Malaria.

Ohne Gegenmassnahmen wird der zweitgrösste Klimaregulator der Welt abgeholzt, den Kongo hinuntergeflösst, zersägt und in die reiche Welt verkauft. Was in der DR Kongo heute in Rekordzeit zerstört wird, ist unersetzbar und kann auch in Generationen nicht wieder aufgebaut werden. Ngongo und Sinafasi bitten die internationale Gemeinschaft, unverzüglich Druck auf die Regierung der DR Kongo, die Weltbank und die Holzkonzerne – darunter Siforco, die Vor-Ort-Firma der Danzer-Gruppe mit Sitz in der Schweiz – zu machen. Nicht nur aus Gerechtigkeitsempfinden oder Mitleid. Sondern in ihrem ureigensten, globalen Interesse.