Die Insel Sachalin ist für die Ölbranche sehr interessant. Beim Halali auf die letzten grossen Ölvorkommen gehts dem Klima, dem Meer, der Bevölkerung und der Wirtschaft an den Kragen. Zuerst aber sterben die Wale.

Dieser Artikel ist im Greenpeace Magazin 2/2005 erschienen.

Ganz schön weit weg von hier soll die Welt buchstäblich ein Stück untergehen: auf der russischen Insel Sachalin, östlich von Sibirien, nördlich von Japan. Diesmal sind die Grauwale dran, genauer: eine Unterart von ihnen. Sie werden als ganze Art draufgehen, wenn geschieht, was das internationale Firmenkonsortium von Shell, Mitsui und Mitsubishi will und die Credit Suisse First Boston als Financial Advisor realisieren hilft.

Es geht um die grössten noch unerschlossenen Öl- und Gasvorkommen der Welt: Mehr als 13 Millionen Barrel (1 Barrel sind rund 159 Liter) sollen in den kommenden Jahren im Schelf vor Sachalin aus dem Westpazifik gefördert werden. Es ist die grösste Investition in der Geschichte Russlands: In sechs Etappen, die von «Sachalin 1» bis «Sachalin 6» durchnummeriert sind, sollen insgesamt 100 Milliarden US-Dollar Kapital fliessen. Allein in das Förderprojekt Sachalin 2 wurden bislang 10 Milliarden Dollar investiert.

Das erste Opfer bringen die Westpazifischen Grauwale, von denen noch ungefähr 100 Tiere leben, davon etwa 20 fortpflanzungsfähige Weibchen. Ihre Futtergründe liegen vor der Ostküste von Nordsachalin. Genau hier soll aber eine der beiden Ölbohrplattformen von Sachalin 2 gebaut werden. Die Immissionen und die Verschmutzung durch Bau und Betrieb werden die Wale dazu bringen, ihre Futtergebiete zu meiden, andere aber gibt es nicht – es drohen Unterernährung und Tod. Walexperten vermuten, dass allein der zusätzliche Tod eines weiblichen Grauwals pro Jahr zum Aussterben der ganzen Unterart führen würde. Und die kürzlich angekündigten Projektkorrekturen reichen zum Schutz der Wale nicht aus. Die Erklärung von Bern und Greenpeace haben deshalb von der Credit Suisse die Rückgabe des Beratungsmandates verlangt.

Ebenso fordern mehrere Umweltorganisationen, darunter der WWF, die Errichtung einer totalen Schutzzone in den Futtergebieten der Wale und eine etwas weniger strikte Pufferzone darum herum. Die Chancen auf deren Realisierung sind allerdings höchst ungewiss – und zudem steht bereits eine Ölplattform in der Schutzzone.

Doch die Wale sind nicht die einzigen Opfer. Da Gas und Öl vom Norden Sachalins in den einzigen eisfreien Hafen Juschno-Sachalinsk im Süden der Insel gepumpt werden müssen, ist der Bau einer 800 Kilometer langen Pipeline erforderlich; sie wird nicht weniger als 103 Flüsse und Gewässer überqueren. Der Fliesslärm von Gas und Öl wirkt bei entsprechender Übertragung in den Boden auf die feinreagierenden Lachse wie eine Barriere. Daher ist auch mit massivem Rückgang des Lachsfangs zu rechnen – ein empfindlicher Schlag für einen zentralen Wirtschaftszweig der Insel.

Was erhält Sachalin als Gegenleistung für die einschneidende Verschlechterung der Lebensumstände? Die Verträge, die Exxon Mobile mit der russischen Regierung in Moskau abgeschlossen hat, seien sehr zugunsten des Ölkonsortiums ausgefallen, meint Alexander Sovolov. Er war als Vertreter der Sakhalin Environmental Watch an einer von Greenpeace am 5. April organisierten Pressekonferenz in Zürich. «Die Verteilung der ohnehin schon reduzierten Gewinnbeteiligung an den Öleinnahmen hätte zuerst im Verhältnis 40 zu 60 an den russischen Staat und an Sachalin fallen sollen. Nach und nach kappte Moskau an diesen 60 Prozent herum, und 2004 waren es noch ganze 4 Prozent für Sachalin. Vermutlich bleibt bald gar nichts mehr übrig. Dafür hat Moskau nichts unternommen, um das Ölkonsortium dazu zu bewegen, den Firmensitz in Russland zu wählen und dort auch Steuern zu bezahlen.»

Profitieren die 650 000 Menschen auf Sachalin von Rabatten bei Öl und Gas? «Nein», meint Sovolov, «Rabatte in der Höhe von 50 Prozent erhält allerdings das benachbarte Japan, was es von Einsprachen gegen Sachalin 2 abhalten wird.»

Gibt es aber beim Bau von Sachalin 2 wenigstens Arbeit für die lokale Bevölkerung? «Kaum», meint Sovolov. «Für den Bau werden 3000 Arbeiter aus dem Baltikum eingeflogen. Ob und wie viel Arbeitsplätze während des Betriebes abfallen, wissen wir nicht.» Schlimmer noch: Sogar die wenigen Jobs, die die Ölbranche im Moment bietet, sind in Gefahr. Da sich die Bevölkerung fast einmütig gegen die zweite Sachalin-Etappe wehrt, drohen die Öl-Arbeitgeber mit Entlassung. Grund für den Unmut ist die sich abzeichnende neue Umweltbelastung. Schon jetzt wird Ölbohrschlick ins Meer entsorgt, was die Fischerei gefährdet; künftig sollen zusätzliche Millionen von Tonnen Erde in die Fischgründe entsorgt werden. Schliesslich sind auch lecke Öltanker eine Verschmutzungsquelle. Schon im Normalbetrieb rechnet man bei der Verschiffung von Gas und Öl mit einem Verlust im niederen Prozentbereich. Bei den aus Sachalin abtransportierten Mengen sind das Abgänge in Luft und Wasser von bedenklicher Grössenordnung.

Es gibt schliesslich eine globale Verschmutzungsebene: die Meere, die Luft, das Klima. Es gibt aber laut dem für das Kyoto-Protokoll verantwortlichen Klimasekretariat in Bonn weder in der UNO noch sonst wo eine Instanz, die Sachalin 1 – 6 verhindern oder hinterfragen könnte – es sei denn, ein Nachbarland würde Einspruch erheben. Doch der einzige Nachbar heisst Japan – und der Rabatt für Öl ist dort gut investiert.

Wie kann ich mein Geld umweltfreundlich investieren?

  • Da gibt es einmal die Alternative Bank in Olten, bei der Greenpeace Gründungsmitglied ist. Sie hat die ökologische und sozialpolitische Ausrichtung in den Statuten festgeschrieben, fördert die Bildung einer Solidargemeinschaft von Kapitalgeber- und KapitalnehmerInnen und verpflichtet sich zur Transparenz. Telefon 062 212 00 85.
  • Ähnlich funktioniert die Freie Genossenschaftsbank in Basel mit anthroposophischer Ausrichtung.
  • Telefon 061 269 81 00, www.gemeinschaftsbank.ch.
  • Aus kirchlich-ökumenischen Kreisen stammt der Oikocredit, der Deutschschweizer Sitz ist in Oberdiessbach BE. Telefon 031 772 00 42, www.oikocredit.org.
  • Die Schweizer Kantonalbanken tragen das Grün zwar nicht im Herzen, aber immerhin am Revers. Sie bieten Umweltsparkonten und Swissca Green Invest Fonds (in Kooperation mit dem WWF) an. Adressen über den Verband VSKB, www.vskb.ch.
  • Aktienbeteiligungen sind auch bei der ADEV Solarstrom AG in Liestal möglich. Telefon 061 921 94 50, www.adev.ch.

Die Erklärung von Bern führt in ihrer Broschüre «Ethisch-ökologische Geldanlagen» vertieft ins Thema ein und erläutert weitere Anlagemöglichkeiten. Telefon 044 277 70 00.