Von der japanischen Regierung werden sie zu Kriminellen gestempelt: die beiden Greenpeace-Mitarbeiter Toru Suzuki und Junichi Sato. Co-Geschäftsleiter Markus Allemann war bei der internationalen Greenpeace-Delegation dabei, die in Tokio bei Premierminister Aso und vor den Weltmedien Protest eingelegt hat.


Greenpeace Demonstration auf der berühmten Shibuya Kreuzung.

Toru Suzuki und Junichi Sato haben eigentlich wenig zu lachen. Doch die beiden, 41- und 31-jährig, lachen voller Freude, als wir ihnen im Anwaltsbüro gegenübersitzen. Wir, das sind acht Geschäftsleiter von nationalen Greenpeace-Büros, und wir haben den «Tag der Menschenrechte» im vergangenen Dezember zum Anlass genommen, um das japanische Büro im Kampf um Gerechtigkeit für die beiden Walschützer zu unterstützen. Toru und Junichi droht Gefängnis, weil sie aus einem Lagerhaus einen Karton mit Walfleisch sichergestellt haben, um zu beweisen, dass die Crew des Walfängers «Nissin Maru» bestes Fleisch im Wert von einigen Tausend Franken für die eigene Bereicherung abgezweigt hat.

Der Fall ist brisant, wird doch in Japan der Walfang – angeblich zu wissenschaftlichen Zwecken – grosszügig mit Steuergeldern subventioniert. So brisant anscheinend, dass die japanische Regierung von Anfang an auf Gegenangriff gegangen ist. Gelingt es ihr, die beiden Greenpeace-Mitarbeiter zu Kriminellen zu stempeln, ist für Greenpeace Japan die Aberkennung des Status als Nonprofitorganisation nicht mehr weit. Die Walkampagne würde dadurch empfindlich geschwächt, was durchaus politische Absicht ist.

Diebstahl gilt im japanischen Strafrecht zwar als schweres Verbrechen, doch für eine Entwendung in dieser Grössenordnung wären laut Anwalt zwei Polizisten, ein Richter und eine zweimonatige Dauer bis zum gerichtlichen Urteil angemessen. Junichi und Toru wurden aber zuerst während 23 Tagen in Untersuchungshaft gesteckt, das japanische Greenpeace-Büro wurde von 75 Polizisten einen ganzen Tag lang durchsucht, drei Richter kümmern sich um den Fall, und ein Gerichtsurteil ist erst im kommenden Frühling, also nach einem knappen Jahr zu erwarten.

Amnesty International hat zusammen mit 35 mitunterzeichnenden Organisationen gegen die lange Untersuchungshaft protestiert und Junichi Sato und Toru Suzuki als politische Gefangene bezeichnet. Greenpeace hat für die beiden eine Kampagne gestartet und in über 20 Ländern vor den japanischen Botschaften protestiert.

«In einer verkehrten Welt kann es passieren, dass Sie verhaftet werden, weil Sie einen kriminellen Skandal aufgedeckt haben», sagt die Greenpeace-Anzeige, die im Dezember ganzseitig in der Zeitung «Herald Tribune» geschaltet wurde. «Verhaftet auch mich» oder «Walschutz ist kein Verbrechen. Freiheit für Junichi und Toru» fordern die Plakate, welche die Geschäftsleiter vor dem Parlamentsgebäude in Tokio den Kameras der internationalen Medien entgegenhalten. Greenpeace will dieses Jahr die Walschutzkampagne voll auf den Aufbau von politischem Druck in Japan konzentrieren – und hat deshalb auch kein Schiff in die südpazifischen Walfanggebiete geschickt.

«Aufrichtige, beherzte Menschen»

«Die Aktivisten von Greenpeace waren damals für uns wie Fliegen, die dauernd stören», sagt der frühere Walfänger Paddy an der Medienkonferenz auf die Frage, wie er Greenpeace vor 30 Jahren auf hoher See erlebt habe. «Ein Haufen Hippies, die Dope rauchen und nerven. Bis ich feststellen musste, dass es aufrichtige, beherzte Menschen sind, die für ihre Ideale einstehen.» Das bewegt. Und steht im Widerspruch zum Vorwurf, Toru und Junichi seien Kriminelle.

Junichi hat den Karton mit Walfleisch eigenhändig zur Polizei gebracht, nachdem der Inhalt identifiziert war. Mit unserem Rechtsverständnis ist schwer nachvollziehbar, warum sich die Regierung nicht dafür bedankt und Interesse an der Aufklärung der Missstände zeigt. Doch sie denkt nicht daran, im Gegenteil: Sie ist interessiert daran, Greenpeace in Japan zu schwächen. Es macht wütend zu erfahren, dass die Untersuchung der illegalen Bereicherung «mangels Beweisen» eingestellt worden ist, dafür aber mit voller Kraft gegen die zwei Greenpeace-Mitarbeiter vorgegangen wird. Es wäre also nur verständlich, wenn Toru und Junichi jetzt geknickt und resigniert wären.

Das sind sie nicht. Junichi und Toru, die inzwischen den Spitznamen «Tokyo Two» («Tokio-Zwei») bekommen haben, sind unter Kaution und mit strengen Auflagen auf freiem Fuss, bis das Urteil gefällt ist. Sie dürfen einander ohne Anwalt nicht sehen und Kontakte mit Greenpeace ebenfalls nur in Anwesenheit des Anwalts aufnehmen. Beide halten sich zu Hause bei Frau und Kind auf und arbeiten an ihrer Verteidigung. Junichi ist begeistert, dass es über diesen Prozess vielleicht möglich wird, mehr über die japanische Walfangindustrie zu erfahren. Das sei für die Walkampagne von unschätzbarem Wert. Garantie dafür hat er allerdings keine. Es ist offen, wie gründlich die Richter den Hintergrund des Tatbestands aufarbeiten wollen.

Zehn Jahre Gefängnis wäre das maximale Strafmass. Doch so weit darf es nicht kommen! Ein Abgeordneter der demokratischen Partei wies an der Medienkonferenz darauf hin, dass es bald zu einem Regierungswechsel kommen könnte, denn der jetzige Premierminister Aso finde in der Bevölkerung nur noch schwachen Rückhalt.

Das japanische Büro und Greenpeace weltweit mit seinen 2,9 Millionen Unterstützern haben also Grund zur Hoffnung. Würden die beiden hingegen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, müssten wir alle sagen: «Take me too!» Denn wir alle stellen uns gegen den unsinnigen Walfang im international geschützten Antarktischen Ozean.Wir warten darauf, dass die japanischen Medien berichten, Toru und Junichi hätten rechtens gehandelt!

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