Zwischen Selbstverwirklichung, Sinnessuche und sozialen Medien. Irgendwo unter all den Smartphones, Smart-TVs und Smartwatches begraben. Genau da setzt sich Greenpeace-Praktikantin Danielle mit den Hoffnungen, Herausforderungen und Problemen ihrer Generation Y auseinander – und fragt sich in ihren kommenden Kolumnen: Wie zum Teufel soll das grün gehen?

In meinen Kolumnen versuche ich stets, Leser dazu zu animieren, etwas Kleines für die Umwelt zu tun. Sei dies nun anhand einer Holzzahnbürste oder einer Po-Dusche (die übrigens angekommen ist und meinen Po echt glücklich macht). Manchmal mag es fast so scheinen, als wäre ich die kleine Miss Greenpeace, die alles richtig macht und es den Menschen auf die Nase bindet. Doch davon bin ich meilenweit entfernt. Flugmeilen nämlich.

Just während ich an dieser Kolumne sitze, erhalte ich oben rechts an meinem Mac-Book-Rand eine Mailbenachrichtigung von Easyjet – kein Scherz. «Danielle, Flüge ab 25,99 Euro – Sonnenbad oder Städtetrip?» steht da geschrieben. Natürlich nicht ohne ein schönes Bild einer Stadt, die ich zwar nicht kenne, aber nun das Gefühl habe, unbedingt einmal in meinem Leben gesehen haben zu müssen. Damn you, Easyjet – wieso machst du es mir auch so schwer?

Es gab eine Zeit, da war ich ein richtiger Easyjet-Junkie. Das war damals, als ich in Berlin mein Studium absolvierte und etwa einmal im Monat für ein Wochenende zurück in die Schweiz flog. Ob ein Flug 20 Euro oder 80 kostete, war mir dabei egal – mit dem Schweizer Kindergeld meines Vaters musste ich mir in Deutschland keine Sorgen um meine Existenz machen. Und das Thema Umwelt war mir sowieso fern. 12 Mal im Jahr hin und herzufliegen, was macht das schon aus? Ich sah die Welt mit orangen Augen. Heutzutage weiss ich, wie falsch das war – nicht nur, weil ich das Geld schmerzlichst auf meinem Konto vermisse.

Seit ich bei Greenpeace arbeite, hat sich mein Weltbild geändert. Natürlich wusste ich bereits zuvor, dass man Erdbeeren besser nicht im Winter kauft. Oder im Regal lieber zum Bio-Fleisch greift. Doch mit dem ganzen Emissionen-Thema hatte ich nichts am Hut. Dass Fliegen schlecht sein soll für die Umwelt, davon hatte ich in Geografie nie etwas mitbekommen – obwohl ich mit einer knappen 4 im Zeugnis vermutlich so einiges nicht mitbekommen habe. Nach sechs Monaten bei Greenpeace verstehe ich aber die Zusammenhänge zwischen CO2-Emissionen und dem Klimawandel. Weshalb ich mir vor fünf Monaten vorgenommen habe, wenn immer möglich auf das Fliegen zu verzichten. Leichter gesagt als getan.

Vor vier Monaten erreicht mich nämlich eine freudige Nachricht aus Berlin: Eine meiner Freundinnen heiratet! Ich bin eingeladen – und natürlich sage ich zu. Das Fest soll an einem Wochenende im September in Österreich stattfinden. Es gibt zwar einen Zug dorthin, doch der würde nicht pünktlich für die Hochzeit am Samstag ankommen. Ausserdem wäre es schade, wenn ich den ganzen Sonntag im Zug nach Hause verbringen würde, anstatt mit meinen Berlin-Freundinnen etwas zu unternehmen. Die sehe ich schliesslich nur einmal im Jahr. Ausnahmsweise kann ich ja den orangen Flieger noch ein letztes Mal nehmen – einmal ist bekanntlich keinmal.

Vor drei Monaten ist meine Schwester bei mir zum Abendessen. Seit zwei Jahren ist sie in der Selbstständigkeit tätig, führt ihre eigene Brautboutique. Dazu gehört auch, an Hochzeitsmessen die Konkurrenz auszuspionieren. Zufälligerweise findet eine im März in Amsterdam statt. Meine Schwester fragt mich, ob wir gemeinsam dahin wollen – und natürlich sage ich zu. Es gibt zwar einen Bus nach Amsterdam, doch würden 3/4 der Reise der Busfahrt zum Opfer fallen. Ausserdem kostet der ganz schön viel – ich habe ja schliesslich nur einen Praktikantenlohn. Ein zweites Mal kann ich ja noch eine orange Ausnahme machen. Zweimal ist auch fast noch keinmal.

Vor zwei Monaten zeigt mir mein Smartphone dann eine Benachrichtigung aus meiner Schulfreundinnen-Whatsappgruppe an. Ob wir nicht mal wieder für ein Wochenende zusammen weg wollen? Die letzte gemeinsame Reise ist über vier Jahre her – natürlich bin ich dabei. Das erste Wochenende, das allen passt, findet sich erst im Mai. Da kann ich nicht auch noch vorschlagen, den Zug nach Budapest zu nehmen. Dann müssten wir ein verlängertes Wochenende daraus machen und bis wir da ein Datum gefunden hätten – Ojehmine. Also ab auf die orange Webseite. Dreimal sind immerhin keine zwölfmal.

Jetzt sitze ich hier und habe zu Beginn des Jahres bereits drei Reisen mit dem Flugzeug gebucht. Wieso ich so kläglich versagt habe? Ich könnte die Schuld natürlich den verfluchten Billigfluganbietern und ihren verführenden Werbemassnahmen in die Schuhe schieben. Aber wenn ich ehrlich bin, trage ich sie ganz alleine. Erstens, weil ich zu egoistisch war, um meine Zeit für die Umwelt zu opfern. Zweitens, weil ich zu geizig war, um mein Geld für den teureren Zug auszugeben. Und drittens, weil es einfach zu umständlich war, eine Alternative vorzuschlagen. Da kann ich noch so oft über Po-Duschen und Holzzahnbürsten schreiben – wenn ich nicht wirklich bereit bin, etwas in meinem Leben zu ändern, mach ich keinen Unterschied.

Aber aller Anfang ist bekanntlich schwer. Immerhin etwas Gutes hatte mein Versagen schlussendlich: Es hat mir den nötigen Tritt in den Hintern gegeben. Meine Zeit bei Greenpeace habe ich verlängert, so kann ich es immerhin wieder etwas gut machen. Und an meinen übrig gebliebenen Ferientagen plane ich mit dem Zug ins Tessin zu fahren – Orange ist sowieso eine hässliche Farbe.

Danielle Müller studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin und schnuppert nun bei Greenpeace rein. Die 27-Jährige Baslerin ist stets im Sattel ihres Rennvelos anzutreffen und sagt nie Nein zu einer guten Umwelt-Doku auf Netflix.