Zwischen Selbstverwirklichung, Sinnessuche und sozialen Medien. Irgendwo unter all den Smartphones, Smart-TVs und Smartwatches begraben. Genau da setzt sich Greenpeace-Praktikantin Danielle mit den Hoffnungen, Herausforderungen und Problemen ihrer Generation Y auseinander – und fragt sich in ihren kommenden Kolumnen: Wie zum Teufel soll das grün gehen?

Sonntagabend ist heilig. Mal ehrlich: Am letzten Abend des Wochenendes möchte ich weder Besuch bei mir empfangen noch selbst auf Besuch gehen müssen. Alles, was ich will, ist, mich auf meiner Couch suhlen, irgendetwas auf Netflix im Hintergrund laufen lassen und mich selbst bemitleiden, weil schon wieder eine neue Arbeitswoche ansteht. Logisch also, dass bei mir Zuhause an einem Sonntagabend relativ selten gekocht wird. Stattdessen wird Sonntag für Sonntag ein Restaurant nach dem anderen auf eat.ch abgeklappert. Und weil die Diät auch erst am Montag wieder anfängt, wird bei der Zusammenstellung des Warenkorbs nicht gegeizt. Dass all das bestellte Essen in meinem Magen Platz findet, ist höchst unlogisch – im Abfalleimer aber allemal.

Jüngstes Beispiel: Die sieben Kartoffelstücke, die, während ich diese Kolumne schreibe, rechts von meinem Laptop auf einem Teller unangetastet in Erdnusssauce herumdümpeln – und mich schon fast vorwurfsvoll anblicken. Da vor zwei Tagen Sonntag war und ich mich dazu entschieden habe, mal wieder beim Chinesen meines Vertrauens zu bestellen, sind sie wegen Übersättigung übrig geblieben. Es ist aber auch schwierig zu den Vorspeise-Frühlingsrollen nein zu sagen. Wenn ich jetzt jeden Sonntag halt mal sieben Kartoffelstücke wegschmeisse, davon geht die Welt auch nicht unter. Und auch nicht vom Butterzopf-«Chöpfli» vom Samstag, das seinen Weg in den «Bebbisack» gefunden hat, weil  – wer mag schon Anschnitt. Und schon gar nicht von der Hälfte-Preis-Familien-Salatpackung, die ich am Freitag holte, weil sie günstiger war und die nun halbvoll im Kühlschrank vergammelt. Vor lauter Unds ist der Abfallsack schon längst übergequollen.

Mein Zweipersonen-Haushalt wirft aber sicherlich nicht so viele Esswaren weg, wie es ein Fünfpersonen-Haushalt tut. Mit dem Finger auf andere Menschen zeigen, wenn man sich in die Ecke gedrängt fühlt, klappt doch immer. Noch besser funktioniert aber, weg von den anderen Individuen und auf Konzerne zu verweisen. Man stelle sich deshalb vor, was eine Coop-Filiale pro Tag an Lebensmittel in den Mülleimer schmeissen muss. Wenn man das auf alle Filialen der Schweiz hochrechnet, bin ich mit meinem sieben Kartoffelstücken ja ganz unten in der Food Waste-Pyramide einzuordnen. Voilà, Gewissen beruhigt.

Wie so oft im Leben wird man schnell eines Besseren belehrt – so auch ich, als ich am Montagmorgen die 20-Minuten-App öffne, um meine Schnell-informiert-Runde zu starten. «Haushalte werfen 1 Million Tonnen Lebensmittel weg». Schon fast höre ich die sieben Kartoffelstücke hämisch lachen. Der Artikel bezieht sich auf vom Bundesamt für Umwelt neu veröffentlichte Zahlen zum Thema Food Waste in der Schweiz. Aus den Zahlen geht hervor, dass die Haushalte hierzulande jährlich eine Million Tonnen Lebensmittel fortwerfen. Pro Person sind das 190 Kilogramm Esswaren im Jahr, die nicht im Magen, sondern in den Händen der orangen Abfallabfuhrmänner landen. Wobei die Statistik besagt, dass 60 Kilogramm davon vermeidbar wären! Die Gründe für diese immense Verschwendung? «Die fehlende Wahrnehmung der eigenen Lebensmittelabfälle, mangelndes Bewusstsein für den Wert von Nahrungsmitteln sowie unzureichendes Wissen über die Haltbarkeit, Lagerung und Methoden zur Resteverwertung.» Wenn ich mich da nicht wiedererkenne…

Wäre ich nämlich nicht so gierig, würde ich auf die Frühlingsrollen verzichten. Würde ich auf die Frühlingsrollen verzichten, blieben keine sieben Kartoffelstücke übrig. Würden keine sieben Kartoffelstücke übrig bleiben, würde ich im Schnitt nicht 48 Kartoffeln im Jahr wegschmeissen. Und würde ich keine 48 Kartoffeln im Jahr wegschmeissen, würde sich mein jährlicher Food Waste-Abdruck bereits um rund fünf Kilogramm verkleinern. So einfach könnte es sein.

Nächsten Sonntag lasse ich die Vorspeise deswegen weg. Dann muss ich auch einmal weniger joggen gehen. Wenn das mal nicht verlockender ist als eine Frühlingsrolle.

Danielle Müller studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin und schnuppert nun bei Greenpeace rein. Die 27-Jährige Baslerin ist stets im Sattel ihres Rennvelos anzutreffen und sagt nie Nein zu einer guten Umwelt-Doku auf Netflix.

Alles zum Thema Food Waste und wie du dich bewusster ernähren kannst, findest du hier.