Vor dem Wiederanfahren des letzten Kraftwerkblocks des ukrainischen Atomkraftwerks Tschernobyl warnt die Umweltorganisation Greenpeace. Am 20. November soll der Block Drei wieder ans Netz gehen. Somit läuft die Anlage mit den vier Kraftwerksblöcken, in der es 1986 zum schwersten Atomunfall in der Geschichte kam, auch im nächsten Jahrtausend weiter.

Hamburg. Greenpeace appelliert an den gerade wiedergewählten Staatspräsidenten der Ukraine Leonid Kutschma auf die Wiederinbetriebnahme des Risikomeilers zu verzichten. «Kutschma bricht mit dem Wiederanfahren des Katastrophenreaktors von Tschernobyl eine Vereinbarung mit den G-7-Staaten, die sich mit der Ukraine 1995 darauf geeinigt hatten, Tschernobyl ab Ende diesen Jahres stillzulegen», sagt Greenpeace-Energie-Experte Veit Bürger. «Block drei entspricht genau dem Reaktortyp, der 1986 explodierte und seine Radioaktivität über ganz Europa verbreitete. Der einzige Unterschied: Block drei ist inzwischen 14 Jahre älter.» Für die Energieversorgung der Ukraine wird Block drei nicht gebraucht. Ausreichend Kraftwerkskapazitäten stehen zur Verfügung. Schon in den letzten beiden Jahren wurde der Reaktor häufig abgeschaltet. Über die schweren Sicherheitsmängel hinaus, arbeitet der letzte Reaktorblock in Tschernobyl vollkommen ineffektiv. Da ein Grossteil der Stromrechnungen in der Ukraine seit langen nicht mehr bezahlt werden, fährt die Anlage keine Gewinne mehr ein. Für die Stilllegung von Tschernobyl hatten die G-7-Staaten der Ukraine 3,4 Milliarden Mark an Krediten und Bürgschaften in Aussicht gestellt. Das 1995 zwischen der Ukraine und den G-7-Staaten geschlossene «Memorandum of Understanding» sieht die Förderung der kostengünstigsten Alternative zu Tschernobyl vor. Obwohl die von den G-7-Staaten favorisierte Lösung, die Fertigstellung der beiden Reaktoren Khmelnitsky 2 und Rowno 4 (K2R4), nicht die wirtschaftlichste Lösung ist, beabsichtigt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, den Weiterbau von K2R4 noch in diesem Jahr grünes Licht zu geben. Derzeit berät die rot-grüne Bundesregierung, inwieweit K2R4-Investitionen von Siemens mit Hermes-Bürgschaften abgesichert werden können.Obwohl unabhängige Wissenschaftler vor den Risiken der geplanten Reaktoren warnen, haben die G7-Staaten bislang ausschliesslich auf K2R4 gesetzt. Veit Bürger: «Die G7-Staaten müssen endlich akzeptieren, dass der Fertigbau von K2R4 gefährlich und wirtschaftlich unsinnig ist. Deutschland darf nicht den Bau neuerr Tschernobyls unterstützen.» Von der Fertigstellung von K2R4 erhoffen sich vor allem Atomfirmen wie Siemens (Deutschland) und Framatome (Frankreich) Aufträge in Millionenhöhe.