Die Umweltorganisation Greenpeace verlangt in einem Rechtsbegehren an den Bundesrat den Ausstand von Bundesanwältin Carla Del Ponte und Adjunkt Roland Hauenstein wegen Befangenheit. Greenpeace wirft der Bundesanwaltschaft vor, dass sie in einem Ermittlungsverfahren gegen die Atomindustrie einseitig die Interessen der AKW-Lobby berücksichtigt. Das Verfahren ist zur Farce verkommen.

Zürich. Die Vorgeschichte: Im November 1997 reichte Greenpeace Klage ein gegen die Verantwortlichen der Schweizer Atomindustrie und des Bundesamts für Energie (BfE). Greenpeace wirft ihnen vor, mit der Wiederaufarbeitung und den dazugehörigen Transporten bewusst die Gesundheit der Bevölkerung zu gefährden. Denn die Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield, die Schweizer Atommüll aufarbeiten, geben routinemässig unglaubliche Mengen von Radioaktivität an die Umwelt ab – mit katastrophalen Folgen für die Bevölkerung. Im Ermittlungsverfahren hat sich nun gezeigt, dass die Bundesanwaltschaft einseitig die Interessen der Atomlobby und des BfE wahrnimmt. • Den geschädigten AnwohnerInnen und Greenpeace wurde die Akteneinsicht verweigert, während den Angeschuldigten Einsicht gewährt wurde. • Die angeschuldigten Behörden und AKW-Betreiber wurden zu Stellungnahmen eingeladen. Den MitklägerInnen – betroffene AnwohnerInnen aus La Hague und Sellafield – wurde diese Möglichkeit nicht gewährt. • Greenpeace wurde eine Frist für eine Replik auf die Stellungnahme der AKW-Betreiber implizit verweigert. Hauptvorwurf: Diesen Frühling erkundigt sich der Waadtländer Untersuchungsrichter Jean-Luc Reymond bei der Bundesanwaltschaft über den Stand des Verfahrens, weil er in Sachen Atomtransport gegen vier Greenpeace-AktivistInnen ermittelt. Dr. Roland Hauenstein, Adjunkt in der Bundesanwaltschaft, gibt atomfreundliche Entwarnung: Die Untersuchung werde, schreibt er am 4. Mai, demnächst eingestellt. Greenpeace wird nicht informiert. Im Gegenteil: Einen knappen Monat später, am 1. Juni 1999, schreibt der selbe Dr. R. Hauen-stein, dass es Greenpeace frei stehe, weitere Eingaben zu machen. Und: «Über das weitere Schicksal des Verfahrens werden wir erst entscheiden, wenn uns die Ergebnisse der vom UVEK veranlassten Untersuchungen vorliegen. Das ist noch nicht der Fall.» Im Vertrauen auf den Rechtsstaat hat Greenpeace noch Ende Mai die aktuellste Studie zur Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield eingereicht. Befund: Der Kausalzusammenhang zwischen radioaktiven Abgaben an die Umwelt und der Häufung von Leukämieerkrankungen kann nicht, wie es die AKW-Industrie bislang immer tat, verneint werden. Es steht jedoch zu befürchten, dass die Bundesanwaltschaft die umfassendste Studie, die je zum Thema gemacht wurde, nicht berücksichtigt. Die Bundesanwaltschaft hat entschieden, bevor das Beweisaufnahmeverfahren abgeschlossen war. Offensichtlich handelt es sich dabei um einen politisch begründeten Entscheid: Die Bundesanwaltschaft steht den Atomkraftwerkbetreibern näher als den Atomkraftgegnern.

Kontakt:

Rainer Weibel, Greenpeace Anwalt Tel. 031 / 312 08 15

Stefan Füglister, Greenpeace Atom-Kampagne Tel. 01 / 447 41 24