Die Betreiberin des Atomkraftwerks Leibstadt hat der Atomaufsichtsbehörde ENSI einen Bericht zu den Brennelementschäden eingereicht und wünscht sich die Freigabe zum Wiederanfahren mit einer neuen Kernbeladung. Die Leibstadt-Betreiberin tut diese ohne abschliessende Kenntnis der Ursachen. Greenpeace Schweiz verurteilt dieses Vorgehen und fordert die Veröffentlichung des Berichts.

Am Ende der Jahresrevision des AKW Leibstadt war von acht schadhaften Brennelementen die Rede, nun sind es sechsmal so viele. 47 Befunde an neuen Brennelementen – nach nur einjährigem Einsatz – bedeuten in diesem Ausmass eine neue Dimension in der Atomtechnologie.

Die Leibstadt-Betreiberin spricht verharmlosend von «Verfärbungen an den Hüllrohren». Dabei handelt es sich um eine vorzeitige, rostähnliche Oxidation. Das wiederum bedeutet eine Schwächung der ersten Sicherheitsbarriere. Als Ursache für die Brennelementschäden wird ein «Dryout» genannt – das Austrocknen an der Oberfläche, welches auf eine unzureichende Kühlung der Brennelemente schliessen lässt. «Das kann zu einer Überhitzung und Ausdehnung des Uranbrennstoffs führen, und das ist alles andere als harmlos», sagt Stefan Füglister, Atomexperte für Greenpeace Schweiz.

Ursache weiterhin im Dunkeln
Weder ENSI noch Leibstadt äussern sich heute zur eigentlichen Ursache, dem Grund für das «Dryout». Die Mitteilung der Leibstadt-Betreiberin deutet darauf hin, dass man diesbezüglich noch immer im Dunkeln tappt. Die Ursachenanalyse werde fortgesetzt, heisst es im Communiqué. Dass das AKW dennoch grünes Licht fürs Wiederanfahren vom ENSI verlangt, ist für Greenpeace Schweiz nicht annehmbar: «Leibstadt wieder ans Netz zu nehmen ohne die Gründe für die Brennelementschäden zu kennen wäre schlicht fahrlässig», sagt Experte Füglister.

Fehler nicht wiederholen
Die Leibstadt-Betreiberin baut offenbar auf die Praxis und die Kooperationsbereitschaft des ENSI. Die Aufsichtsbehörde hatte letztes Jahr die Freigabe trotz fehlender Ursachenklärung eines Brennelementschadens erteilt – und sich bei der Beurteilung der Sachlage mächtig getäuscht:

Angesichts der noch nicht abgeschlossenen Ursachenabklärung hat das ENSI die Freigabe für das Wiederanfahren zum 32. Zyklus mit der Auflage eines MCPR-Werts von über 1,45 verbunden. Diese verschärfte Sicherheitsgrenze bedeutet einen erhöhten Abstand zu kritischen Siedezuständen und damit eine Reduktion der Gefahr weiterer übermässiger Hüllrohroxidation oder Hüllrohrschäden. (Aufsichtsbericht 2015) 

Heute wissen wir: Das Gegenteil war der Fall. Statt weniger Schäden, wie das ENSI annahm, vervielfachte sich die Anzahl der Befunde. Greenpeace Schweiz fordert, dass die Atomaufsichtsbehörde jetzt genauer hinschaut und Leibstadt erst grünes Licht gibt, wenn die Ursachen geklärt sind. Zudem verlangt Greenpeace die Veröffentlichung des Berichts der Betreiberin und die Prüfung der Unterlagen durch unabhängige Experten.

Für weitere Informationen:

Stefan Füglister, Atomexperte für Greenpeace Schweiz, 079 773 19 31

Thomas Mäder, Medienverantwortlicher Greenpeace Schweiz, 044 447 41 74,