Der Trinationale Atomschutzverband (TRAS) und Greenpeace Schweiz haben am 19. Dezember 2012 Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft wegen Urkundenfälschung gegen die Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG (KKG) und gegen die Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL) eingereicht. In den Bilanzen dieser Werke sind insgesamt über 1,8 Milliarden Franken aktiviert, die nicht werthaltig sind. Zweck dieser Manipulationen ist es offensichtlich, die Nachsorgekosten der Bundeskasse und den Steuerpflichtigen anzulasten (nach Artikel 80 Kernenergiegesetz). Per Ende 2011 fehlen für die Nachsorgekosten liquide Mittel von 11,5 Milliarden Franken.

In den Bilanzen per Ende 2011 von KKL und KKG werden die Wertschriften des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds um insgesamt 599 Mio. CHF höher ausgewiesen als die Marktwerte in den Bilanzen des Stilllegungs- und des Entsorgungsfonds. Beim KKL sind es CHF 238 Mio. und beim KKG CHF 361 Mio. Gemäss Artikel 667 Obligationenrecht dürfen Wertschriften jedoch höchstens zu Marktwerten bewertet werden.

Zudem sind beim KKL zu amortisierende Kosten für Nachbetrieb, Stilllegung und Entsorgung in Höhe von CHF 630 Mio. aktiviert. Beim KKG sind es CHF 608 Mio.

Artikel 664 OR zählt Aktivierungsfälle abschliessend auf und schliesst eine Aktivierung von zu amortisierenden Kosten für Nachbetrieb, Stilllegung und Entsorgung aus.

Per Ende 2011 erscheinen somit insgesamt 1,837 Milliarden Franken Aktiven in den Bilanzen, die nicht in die Bilanz gehören, weil sie keine verkehrsfähigen oder übertragbaren Werte verkörpern und deshalb auch nicht werthaltig sind. Ohne diese Aktiven wäre kein Eigenkapital mehr vorhanden. Diese Überbewertungen und Aktivierungen sind im Falle des KKL und des KKG deshalb so kritisch, weil damit eine gemäss Art. 725 OR zwingende finanzielle Sanierung mit dieser Buchungsmethode umgangen wird.

Als Folge dieser Falschbilanzierung und Unterdeckung der Nachsorgekosten

  1. a)  werden die Kosten der Atomkraftwerke und damit des Atomstroms zu tief ausgewiesen;

  2. b)  werden die Stilllegungs- und Entsorgungskosten in eine unsichere Zukunft verschoben;

  3. c)  droht den Steuerzahlern die Bürde, für die Nachsorgekosten aufkommen zu müssen. Artikel 80 KEG ermöglicht Kostendeckung durch den Bund, wenn ein Atomkraftwerk „wirtschaftlich nicht tragbar“ geworden ist.

  4. d)  werden die Aufsichtsbehörden de facto unter Druck gesetzt, nach dem Motto „Wirtschaftlichkeit vor Sicherheit“ nur geringe Nachrüstungen zu verlangen und längere Laufzeiten zu erwirken für Werke, die in anderen Ländern wegen ungenügender Sicherheit längst stillgelegt worden wären.

  5. e)  wird die dringend notwendige finanzielle Sanierung der Kernkraftwerke vermieden. Ohne diese Aktiven würden weder das KKL noch das KKG über Eigenkapital verfügen und müssten zwingend finanziell saniert werden.

Milliardenlöcher bei der Finanzierung der Nachsorgekosten

Die offensichtlichen Bilanzmanipulationen sind nur die Spitze des Eisbergs eines weit grösseren Problems. Zur Deckung der nuklearen Nachsorge fehlten per Ende 2011 liquide Geldmittel von über 11,5 Milliarden Franken, wobei das ENSI dazu noch Kostenabweichungen von +30% für möglich hält, die ebenfalls nicht vorfinanziert sind.

Nach der kalkulatorischen Betriebsverlängerung vom 7. Dezember 2007 durch den Bundesrat auf 50 Jahre wurden jahrelang teilweise keine Beiträge mehr an die Fonds geleistet und es kam sogar zu Rückzahlungen an die Atomkraftwerkbetreiber; der Kapitalbestand im Entsorgungsfonds sank seither von 3,028 auf 2,829 Milliarden Franken.

Die gesetzlich vorgesehene Kostendeckung durch die Verursacher ist gefährdet, weil die Preise am Strommarkt gesunken sind und weil die Energiepreise mit dem Vormarsch der erneuerbaren Energien weiter sinken werden.

Auch Parlament und Bundesrat sind gefordert

Die von den Atomkraftwerkbetreibern und vom Bundesrat kalkulierten Zinserträge von 5% auf dem Fondsvermögen sind realitätsfern und verschleiern die in Wirklichkeit bestehende Unterdeckung. TRAS und Greenpeace appellieren an Parlament und Bundesrat.

Um der Staatshaftung aus der Bundeskasse zu entgehen und um das Verursacherprinzip durchzusetzen sind Massnahmen notwendig:

  1. Die KKG und die KKL sowie Stilllegungs- und Entsorgungsfonds sind zu sanieren.

  2. Die Aktionäre der Betreibergesellschaften sollen für die Nachsorgekosten mithaften.

  3. Der gesamte Nachsorgeaufwand sollte in selbständigen Fonds sichergestellt werden.

  4. Das Gesetz sollte die kalkulatorischen Laufzeiten regeln, sonst kann das Verursacherprinzip durch neue Laufzeitverlängerungen des Bundesrates erneut ausgehebelt werden.

  5. Die Kalkulation sollte nach dem Vorsichtsprinzip auf 40 Jahre Betrieb ausgelegt werden.

  6. Für die Bandbreite möglicher Mehrkosten sollte der Gesetzgeber Reserven verlangen.

Wie in anderen Ländern (zB. Finnland) sollte bei Fehlen der Finanzierungsgarantie die Betriebsbewilligung sofort entzogen werden.

Rückfragen:

  • Kaspar Müller 076 393 42 08
  • Florian Kasser 076 345 26 55
  • Rudolf Rechsteiner 079 785 71 82
  • Jürg Stöcklin 079 817 57 33

Das gesamte Dossier mit folgenden Beiträgen finden Sie auf

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