Die Schweiz ist berühmt für Pünktlichkeit. In Sachen moderner Pestizidpolitik kommt sie aber erstaunlich spät. Ab 2017, erst fünf Jahre nach ihren europäischen Nachbarländern, soll nun auch die Schweiz einen «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» umsetzen. Heute beginnt die Anhörung der interessierten Kreise. Die Umweltverbände Greenpeace, Pro Natura, BirdLife Schweiz und WWF pochen auf einen mutigen Schritt für die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft.

Die Schweiz gehört zu den Ländern mit einem besonders hohen Pestizid-Einsatz. Pestizide sind giftige Chemikalien, die vor allem in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, um die Kulturen vor störenden Einflüssen wie Unkraut, Insekten oder Krankheiten zu schützen. Weil sie grossflächig in der Umwelt ausgebracht werden und auf unserer Nahrung landen, sind wir Menschen ihnen besonders ausgesetzt. Einige Pestizide stehen in Verdacht, an der Entstehung von schweren Krankheiten beteiligt zu sein. Zudem: Die Biodiversität schwindet unter dem Pestizid-Einsatz massiv. Das betrifft Bestäuber wie die Bienen, aber beispielsweise auch Vögel und Amphibien. Besonders die Pestizidbelastung der Schweizer Gewässer hat in den letzten Jahren für Aufregung gesorgt. So stellten das Bundesamt für Umwelt BAFU und das Wasserforschungsinstitut der ETH, die Eawag, bereits 2012 [1] fest, dass 70% aller Oberflächengewässer mit Pestiziden verunreinigt sind. Bis zu 40 verschiedene Pestizide konnten in manchen Gewässern nachgewiesen werden. Ein Giftcocktail, der besonders den wichtigen Kleinstlebewesen schadet und den ganzen Lebensraum Gewässer massiv gefährdet.

Die Schweizer Landwirtschaft muss hier zu Recht um ihr Image fürchten – stammen die Verunreinigungen gemäss der Eawag doch hauptsächlich von ihren Feldern. «Wir hoffen, die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte begreifen den Aktionsplan als Chance in Sachen Pestizidreduktion, wirklich Klassenbeste zu werden. Heute hat die Schweizer Landwirtschaft einen Rückstand auf die europäischen Nachbarn aufzuholen», sagt Daniela Hoffmann, Landwirtschaftsexpertin des WWF.

Die Schweiz war einst Wiege der Pestizidreduktion und Verbände wie IP Suisse und BioSuisse zeigen heute noch, wie Landwirtschaft ohne oder mit wenigen Pestiziden auskommt. Der Aktionsplan sollte an diese Geschichte anknüpfen. Dazu braucht es ambitionierte Reduktionsziele, Verbote von besonders gefährlichen Pestiziden, die Entwicklung und Förderung von Alternativen und grosse Transparenz – sei es in der Zulassung von Pestiziden oder bei der Information zu Verunreinigung und Belastung unserer Umwelt und unserer Gesundheit.

Die Umweltverbände Greenpeace, Pro Natura, BirdLife Schweiz und WWF Schweiz haben schon 2013 diese und andere zentralen Forderungen für eine moderne und umweltfreundliche Pestizidpolitik in der Anleitung zur Pestizidreduktion veröffentlicht. Im Mai veröffentlichte Vision Landwirtschaft einen Pestizidreduktionsplan, dessen Forderungen die Umweltverbände unterstützen. An dieser Arbeit und an den bestehenden Forderungen wird der Aktionsplan des Bundes sich nun messen müssen. 

Link Pestizidreduktionsplan (Vision Landwirtschaft)

Link Anleitung zur Pestizidreduktion (Umweltallianz)

 

Weitere Auskünfte:

Philippe Schenkel, Landwirtschaftscampaigner, Greenpeace Schweiz, Tel. 078 790 52 84

Pascal König, Landwirtschaftsexperte BirdLife Schweiz, Tel. 079 515 34 57

Marcel Liner, Landwirtschaftsexperte, Pro Natura, Tel. 061 317 92 40

Dr. Daniela Hoffmann, Landwirtschaftsexpertin, WWF Schweiz, Tel. 076 552 18 01



[1] Munz, N., Leu, C., Wittmer, I. 2012: Pestizidmessungen in Fliessgewässern: Schweizweite Auswertung. Aqua & Gas, 11, 32-41.