Mit einem offenen Brief haben heute mehrere Verbraucher-, Ärzte- und Umweltverbände das Schweizer Chemieunternehmen Novartis aufgefordert, die weitere Vermarktung von Genmais einzustellen. In dem offenen Brief heißt es: «Antibiotika-Resistenzgene in gentechnisch veränderten Pflanzen sind eine vermeidbare Gesundheitsgefahr. Deswegen fordern wir Novartis auf, freiwillig auf den Einsatz von Antibiotika-Resistenzgenen zu verzichten und den bereits in Europa angebauten gentechnisch veränderten Mais zurückzuziehen.»

Hamburg/Mainz/Bremen. Novartis hat in diesem
Jahr gentechnisch verändertes Saatgut für den Anbau von 350 Hektar
Mais an deutsche Landwirte verteilt. Für die Verwendung des Maises
gibt es keinerlei Beschränkungen. Die Bauern können selbst darüber
entscheiden, ob sie ihre Ernte als Körner- oder Futtermais
verkaufen oder auf dem eigenen Hof an ihr Vieh verfüttern. Ob zu
Viehfutter, Stärke oder Gries verarbeitet: über Fleisch- oder
Milchprodukte oder in Form von Cornflakes und Polenta gelangt der
Genmais in unser Essen. Dem Novartis-Mais wurde nur zu Laborzwecken
ein Antibiotika-Resistenz-Gen eingebaut. Auf dem Acker oder im
Magen-Darm-Trakt von Menschen und Tieren kann dieses Gen von
Bakterien aufgenommen werden. Gefährliche Krankheitserreger könnten
dann mit gebräuchlichen Antibiotika nicht mehr wirksam bekämpft
werden. «Landwirte und Lebensmittelproduzenten sollten darauf
verzichten, Genmais von Novartis einzusetzen, um mögliche
Gesundheitsrisiken zu vermeiden», sagt die Sprecherin der
Verbraucherzentralen, Ulrike von der Lühe.«Die Gesundheitsrisiken
sind nicht abschätzbar. Die EU-Kommission sollte die Zulassung für
diesen Genmais deshalb zurücknehmen», fordert Ernst-Michael Epstein
von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) in Bonn.
Die Antibiotika, gegen die der Novartis-Mais resistent gemacht
wurde, werden bei häufig auftretenden Infektionskrankheiten wie
Lungen- und Gehirnhautentzündungen, Keuchhusten, Scharlach oder
Typhus verordnet. Allein 1996 wurden in Deutschland zwölf Millionen
Verschreibungen ausgestellt. Mediziner warnen schon heute vor der
zunehmenden Verbreitung resistenter Krankheitserreger, bei denen
übliche Antibiotika versagen. «Es grenzt an Zynismus und zeugt von
beispielloser Arroganz, wenn die gleichen Firmen, die Antibiotika
herstellen und vor unkontrollierter Anwendung warnen, Resistenzgene
als Marker in Saatgut einsetzen», sagt Dr. Alexander Mauckner vom
Ökologischen Ärztebund in Bremen. «Angesichts der bisher schon kaum
abschätzbaren Risiken der gentechnischen Nahrung birgt die
Antibiotikaresistenz zusätzlich nicht tolerierbare
Gefahrenpotentiale.» Bereits vor einer Woche hatte sich der
Präsident der Berliner Ärztekammer, Dr. Ellis Huber, für ein Verbot
von gentechnisch veränderten Pflanzen ausgesprochen, die
Antibiotika-Resistenzgene enthalten. Österreich und Luxemburg haben
ein Importverbot für den Novartis-Mais verhängt. Auch andere
EU-Mitgliedsstaaten wie das eher gentechnikfreundliche England
hatten sich gegen die Zulassung gesperrt. «Der
gesundheitsgefährdende Genmais gehört weder auf den Acker noch auf
den Teller» sagt Jan van Aken, Gentechnik-Experte bei Greenpeace.
Offener Brief an die Novartis AG Wir – die unterzeichnenden
Organisationen – fordern die Novartis AG auf, die Vermarktung und
Vermehrung der bereits in Europa angebauten gentechnisch
veränderten Maislinie zu stoppen. Mit diesem Mais bringt Novartis
Resistenzgene für therapeutisch wirksame Antibiotika in Umlauf. Die
Verbreitung dieser Resistenzgene erhöht das Gesundheitsrisiko durch
Krankheitserreger, die nicht mehr mit diesen Antibiotika bekämpft
werden können. Das Vorsorgeprinzip verlangt, jedwede mögliche
Gefahr für die Gesundheit zu vermeiden. Krankheitserreger, die
gegen Antibiotika resistent sind, bereiten schon heute große
Probleme bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Eigentlich
harmlose Infektionen können zur Lebensgefahr für Mensch und Tier
werden, wenn Antibiotika nicht mehr wirken. Die Ursachen für die
starke Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien sind zum einem
der z.T. unsachgemäße Einsatz von Antibiotika als Medikament in der
Human- und Tiermedizin. Antibiotika werden zu häufig verschrieben
und oftmals vom Patienten nicht über einen ausreichend langen
Zeitraum eingenommen. Zum anderen werden Antibiotika in der
Tierzucht als Leistungsförderer verfüttert. Der ständige Kontakt
von Bakterien mit diesen Antibiotika im Darm der Tiere führt zu
einer Selektion derjenigen Bakterien, die gegen das Antibiotikum
resistent sind. Beides sind Gründe für die z.T. brisante Situation
in Krankenhäusern. Angesichts dieser Situation ist es
unverantwortlich, jetzt auch noch die Gene für eine
Antibiotikaresistenz bewußt und massenhaft in die Natur
auszubringen. Die gentechnisch veränderte Maislinie CG 00256-176
aus Ihrem Hause enthält ein Resistenzgen gegen das Antibiotikum
Ampicillin. Das Resistenzgen bewirkt zusätzlich Resistenzen
gegenüber einer Reihe verwandter Penicilline wie Amoxicillin,
Propicillin, Penicillin V und Penicillin G. In vielen
Krankheitsfällen sind diese Antibiotika die Mittel der Wahl. Viele
Gentechnikbefürworter argumentieren, die Ampicillin-Resistenzgene
im genveränderten Mais von Novartis wären kein Problem, weil
sowieso schon so viele Bakterien gegen Ampicillin resistent sind.
Richtig ist aber, daß viele Krankheitserreger nicht resistent sind
und auch heute noch sehr effektiv mit Ampicillin und verwandten
Antibiotika bekämpft werden können. Das zeigt allein die Tatsache,
daß noch 1996 in Deutschland Ampicillin, Amoxicillin, Propicillin,
Penicillin V und Penicillin G. fast 12 Mio. mal verschrieben
wurden. Mit dem Anbau und der Verarbeitung Ihrer gentechnisch
veränderten Maislinie zu Futter- und Lebensmitteln werden
Milliarden Resistenzgene in die Umwelt freigesetzt. Das Risiko
einer Übertragung der Gene auf krankheitserregende Bakterien kann
niemand ausschließen. Vielmehr zeigen wissenschaftliche
Untersuchun-gen, daß ein Gentransfer von Pflanzenmaterial auf
Bakterien im Tier- oder Menschendarm sowie im Boden prinzipiell
möglich ist. Die von Novartis gemachte Aussage, daß ein Gentransfer
extrem unwahrscheinlich sei, läßt sich nicht wissenschaftlich
belegen. Antibiotika-Resistenzgene in gentechnisch veränderten
Pflanzen sind eine vermeidbare Gesundheitsgefahr. Deswegen fordern
wir Novartis auf, freiwillig auf den Einsatz von
Antibiotika-Resistenzgenen zu verzichten und den bereits in Europa
angebauten gentechnisch veränderten Mais zurückzuziehen.
Unterzeichnende Organisationen AgV – Arbeitsgemeinschaft der
Verbraucherverbände; IGUMED – Interdisziplinäre Gesellschaft für
Umweltmedizin e.V.; Ökologischer Ärztebund
e.V.;Verbraucherzentralen Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg,
Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen; Greenpeace.

http://www.greenpeace.de