Was das Bundesamt für Energie nicht weiss und worüber die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) präzise Informationen zurückhält, steht nun fest: Auch Atomtransporte aus der Wiederaufarbeitunganlage Sellafield (England) kamen verseucht in den Schweizer AKW an und mindestens ein Strassentransport aus dem AKW Mühleberg erreichte Sellafield mit überschrittenen Grenzwerten. Der Vertuschungsskandal zieht immer weitere Kreise.

Zürich. Nachdem bis anhin ausschliesslich von verseuchten Eisenbahntransporten nach Frankreich die Rede war, steht nun fest, dass auch Strassen- und Schiffstransporte nach England stärker als erlaubt strahlten. Gegenüber Greenpeace bestätigten die HSK und die britische Wiederaufarbeitungsfirma British Nuclear Fuels Ltd. (BNFL) in Sellafield die Kontamination von mehreren Schweizer Atomtransporten. Die Bewilligungsbehörde für Atomtransporte, das Bundesamt für Energie, war am Montag Morgen noch nicht über diese Tatsache informiert. Es ist unglaublich, wie trotz des aufgeflogenen Vertuschungsskandals weiterhin versucht wird, neue brisante Informationen und Sachverhalte unter den Teppich zu kehren. Allerdings scheinen auch die neuesten Informationen der BNFL nicht sehr vertrauenswürdig. Nachforschungen der wissenschaftlichen Zeitschrift «New Scientist» in der neuesten Ausgabe (13.Juni.98) zeigen, dass frühere Äusserungen der Firma nicht der Wahrheit entsprachen. In ersten Stellungnahmen vom 19. und 22. Mai sprach BNFL von sechs Behältern mit einer rund fünffachen Überschreitung der Grenzwerte. Gegenüber der Zeitschrift «New Scientist» räumte ein BNFL-Sprecher sowohl eine höhere Anzahl kontaminierter Transporte ein, als auch eine stärkere Verseuchung der Behälter: Der Grenzwert sei nicht nur fünfach überschritten worden, sondern bis zu fünfundzwanzigfach. Derart von der Realität überrascht, besinnt sich die BNFL auf einen Bericht der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) und weist in einer Stellungnahme lapidar darauf hin, dass die Kontamination von Atomtransporten ein altbekanntes Phänomen sei. Die Fakten geben Greenpeace recht: Als von ersten Kontaminationen französischer Atomüllbehälter die Rede war, forderte die Umweltorganisation in der Schweiz die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission. Dies sehr zum Missfallen von Bundesrat Moritz Leuenberger, der als Energieminister die Verantwortung für den Informationsgau trägt. Der Antrag auf die Einsetzung einer PUK – letzte Woche vom Ratsbüro des Nationalrats abgeschmettert – muss nun neu verhandelt werden. Greenpeace verlangt weiter, dass nun auch die Absprachen zwischen Atomkraftwerk-Betreibern, einzelnen Behördenmitgliedern und der britischen Wiederaufarbeitungsfirma BNFL genauer untersucht werden.

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Stefan Füglister, Koordiantor der Atomkampagne 01 / 447 41 41