Tag für Tag sind die abgelegenen Regenwälder Zentralafrikas Schauplatz von Menschenrechtsverletzungen, Wilderei und Naturzerstörung: ein geheimer Krieg, ausgelöst durch Holzindustrie und Konsumenten, gefördert durch korrupte Regierungen. Eindrücke einer Expedition ins grüne Herz Afrikas.

 

Waldzerstörung in Gabun, Zentral-Afrika. © Markus Mauthe / Greenpeace

Dieser Artikel ist im Greenpeace Magazin 4/03 erschienen.

Zu schnell, zu gefährlich. «Fahren Sie langsamer», bittet Karl Ammann den kamerunischen Fahrer. Der in Kenia lebende Schweizer (geb. 1949) kennt die Regenwälder Zentralafrikas wie seine Hosentasche. Seit Jahrzehnten bereist der Fotojournalist das risikoreiche Kongobecken. Auch diese Route nach Ostkamerun zu den Ortschaften Libongo, Kabo und Ouessou ist ihm vertraut. Dorthin, ins schwer zugängliche Dreiländereck am Shanga, dem mächtigen Grenzfluss, wo sich Kamerun, die Zentralafrikanische Republik und Kongo-Brazzaville berühren, hat er sich oft schon durchgeschlagen. Rund 700 Kilometer Landweg mit vielen Strassensperren liegen vor uns. Mehrere Tage Rütteln und Rutschen auf engen, nach dem Tagesregen glitschigen Pisten.

Der Fahrer verlangsamt. Der hinter der nächsten Kurve in der Strassenmitte heranrasende, mit tonnenschweren Stämmen beladene Lastwagen lässt unserem Driver keine Chance: Der reisst das Steuer herum, wir schleudern, überschlagen uns und krachen aufs Dach.

Die täglichen Holztransporte vom Osten in Richtung Kameruns Hauptstadt Yaounde und weiter in die Hafenstadt Douala am Atlantik fordern laufend Opfer. Die Fahrer der schweren Trucks dröhnen sich gerne mit Guinness oder Cannabis zu. Dann fahren sie mit Vollgas um die Wette. An den einst von der Holzindustrie angelegten Pisten verrosten die Fahrzeugwracks – Zeugen oft scheusslicher Unfälle.

Wir wollen an die Front. Dorthin, wo keiner freiwillig hinreist. Wo im frisch aufgerissenen Urwald bis zu 900 Jahre alte Baumriesen krachend zu Fall gebracht werden. Wo dem Urvolk der Pygmäen wie auch den Elefanten, Gorillas und anderen geschützten Tieren die Lebensgrundlagen zerstört werden. Wo der Krach der Bulldozer, der Kettensägen, Lastwagen, Generatoren und Sägewerke den bis vor kurzem unangetasteten Regenwäldern die Ruhe und die Werte raubt.

Wo Barackenstädte aus dem gerodeten Boden schiessen und sich mit Scharen von Händlern, Siedlern, Holzarbeitern, Waffenhändlern, Wilderern und Prostituierten füllen. Wo auf firmeneigenen Flugpisten die Verantwortlichen der Holzkonzerne sowie Beamte für Stippvisiten landen, um sich in gekühlten Räumen über Fortschritt, Fällquoten, Exportraten, Investitionen, Korruption – und auch über Umweltschutz zu unterhalten. Und wo immer mal wieder auch ehrlich bemühte Mitarbeiter von westlichen Entwicklungs- und Umweltschutzorganisationen vorsprechen, um den listigen Holzbaronen Zugeständnisse und Verträge abzuringen, deren Umsetzung im Busch aber kaum kontrolliert wird.

Glück gehabt! Nur einige Schnittwunden. Wir kriechen zum Fenster hinaus. Karl Ammann bringt sich am Waldrand in Sicherheit, verbindet sich, öffnet seinen Koffer. Darin ist ein ganzes Kommunikationszentrum: Handys, Kameras, Filmapparate, GPS-Gerät, Computer und ein Satellitentelefon. Via Weltraum informiert der Schweizer stoisch seine Kontaktpersonen. Nun wird klar: Diese Expedition ist generalstabsmässig geplant. Bei einem Verschwinden, einem Unfall oder einer Verhaftung würde ein Netz engagierter MitarbeiterInnen aus Kreisen von Umweltschützern, Menschenrechtlern und Diplomaten aktiv.

Was ist das für ein Mensch, der sich zu Hause gelegentlich mit dem ausgewachsenen Schimpansen «Mzee» balgt, den er vor einiger Zeit vor dem Kochtopf gerettet hat? Ich kenne ihn nicht, kenne nur seine Fotos von misshandelten und abgeschlachteten Menschenaffen aus den afrikanischen Regenwäldern. Erschütternde Bilder, die vor zehn Jahren der Welt erstmals bewiesen haben: Im Herzen Afrikas tobt ein Krieg gegen die Schöpfung, abgeschieden, erbarmungslos, verdrängt. Dort beschaffen sich Holzkonzerne aus Europa und den USA höchstwertiges, aber unverschämt billiges Tropenholz – für uns Konsumenten in den Industrieländern.