Zwischen Selbstverwirklichung, Sinnessuche und Sozialen Medien. Irgendwo unter all den Smartphones, Smart-TVs und Smartwatches begraben. Genau da setzt sich Greenpeace-Praktikantin Danielle mit den Hoffnungen, Herausforderungen und Problemen ihrer Generation Y auseinander – und fragt sich in ihren kommenden Kolumnen: Wie zum Teufel soll das grün gehen?

Ich bin ziemlich schweizerisch aufgewachsen. Wir hatten ein Haus auf einem Hügel, links davon ein grosser Wald, unsere Nachbarn hielten Hühner und der örtliche Bauer brachte zweimal im Jahr seine Kühe auf die Wiesen rechts von unserer Siedlung – ein besonderes Highlight für uns Kinder. Sobald wir die Kuhglocken hörten, rannten wir sofort zu den Tieren, fütterten sie mit Äpfeln und wer ganz mutig war, liess sich die Hand von einer rauen Kuh-Zunge ablecken. Brr.

Wenn ich seither durch einen Einkaufsladen schlendere und eine abgeschnittene Rindszunge im Kühlregal entdecke, sehe ich unweigerlich «meine» Kühe aus der Kindheit vor mir. Ohne weiter hinzuschauen, gehe ich dann daran vorbei und lege ein paar Reihen weiter die Kalbsbratwurst in den Einkaufswagen. Dazu gibt es am Abend rote Spaghetti und ein kaltes Glas Milch – mein Lieblingsgericht seit der Kindheit. Die Wurst sieht ja auch nicht mehr aus wie die Kuh.

Paradox? Und wie!

Noch bis vor zwei Jahren gehörte die «unbeschwerte» Ernährung zu meinem Alltag. Ich habe mir keine Gedanken zur Herkunft meiner Nahrung gemacht und auch mit dem Thema Nachhaltigkeit hatte ich nichts am Hut. Ich kannte in meiner Kindheit zwar eine Vegetarierin, die wollte aber alle Kinder dazu animieren, überfahrene Frösche von der Strasse aufzuheben und würdevoll zu beerdigen, was mir eher eigenartig vorkam. Auch mein Vater, der durch seine neue Partnerin stetig «grüner» wurde, traf damals auf eine gewisse Teenie-Ablehnung, wenn er über das Thema Bio diskutieren wollte. Und überhaupt: Der Vegan-Trend, der aufkam, als ich etwa 20 war, wurde von vielen Seiten belächelt. Mit der Nachhaltigkeit ist es wie mit dem Mittagsschlaf: Sie kann einem nicht aufgedrängt werden, man muss den Zugang dazu selbst – und vor allem freiwillig – finden.

Dies passierte bei mir ganz zufällig: Als ich wieder einmal auf Netflix auf der Suche nach einer neuen Serie war, stiess ich auf den Dokumentarfilm «Cowspiracy». Das spezielle Cover-Bild der Kuh erinnerte mich an meine Kindheit, also drückte ich auf «Play» – und war gleich von der ersten Minute an in deren Bann gezogen.

Der Dokumentarfilm ist im Jahre 2014 erschienen. (© Facebook Cowspiracy)

In der Doku beschäftigt sich Produzent Kip Andersen mit den Problemen, die der weltweit steigende Konsum tierischer Nahrungsmittel verursacht. Dabei zeigt er auf, dass die Tierhaltung für rund 15% der globalen Emissionen an Treibhausgasen verantwortlich ist. Weiter liegt laut dem Filmproduzenten der Wasserverbrauch für landwirtschaftliche Tiernutzung jährlich zwischen 129-287 Billionen Liter Wasser. Für ein halbes Kilo Rindfleisch sind im Schnitt 9’500 Liter Wasser nötig. Das heisst, alleine für einen Hamburger braucht es so viel Wasser, wie bei einer zweimonatigen Dusche verbraucht würde. Das ist schon fast grotesk.

«What the Health» heisst ein weiterer Dokumentarfilm von Kip Andersen – welchen ich mir natürlich ebenfalls anschaute. Darin beleuchtet der US-Amerikaner die Auswirkungen der fleischlichen Ernährung auf unseren Körper. Laut der Doku erhöht der Konsum von verarbeitetem Fleisch das Krebsrisiko um 18 Prozent – und nur eine Portion davon das Risiko auf Diabetes um 51 Prozent! Die Weltgesundheitsorganisation stuft Speck und Würste mittlerweile als genauso krebserregend ein wie Plutonium und Asbest – also radioaktives Material.

Die typischen Bestandteile eines «Zmorge». (© Jan Kornstaedt/Greenpeace)

Aber nicht nur Fleisch, sondern auch Milchprodukte schaden dem Körper. Beispielsweise in Form von Prostatakrebs oder Osteoporose. Dies schmerzt vor allem eine Milch-aus-der-Tüte-Trinkerin wie mich. Aber wenn ich ehrlich bin, frage ich mich: Müssen wir wirklich eine Flüssigkeit trinken, die eigentlich Babynahrung für Kälber ist? Dazu ein perfektes 3-Minuten-Ei kochen, das ursprünglich der Fortpflanzung von Hühnern dient? Und daneben ein Stück Schwein aufs Brot legen, welches extra für uns geschlachtet wurde?

Die Antworten auf diese Fragen sind eigentlich so leicht – aber zugleich so schwer. Deswegen gehen die Meinungen darüber auch auseinander. Die einen sagen, ohne tierische Produkte fehlten dem Körper wichtige Stoffe wie Eisen, Kalzium und essenzielle Fettsäuren, die nicht durch anderes ersetzt werden könnten. Schliesslich ernähre sich der Mensch seit der Steinzeit von Tieren und konnte nur so überleben. Die anderen sagen, eine vegane Ernährung sei die einzige Lösung, die Defizite liessen sich durch pflanzliche Stoffe ausgleichen. Und wenn’s hart auf hart kommt, könne der Mensch auch mit Beeren und Nüssen sein Überleben sichern. Wer hat nun recht?

Dies wollte ich selbst herausfinden. Inspiriert von den Dokus, versuchte ich, vegan zu leben – und bin kläglich gescheitert. Nach nicht mal einer Woche, wohlgemerkt. Nicht mein stolzester Moment. Warum es nicht geklappt hat? Ich könnte so einige Ausreden präsentieren: Aufwand, Gesundheit, Gewohnheit, etc. Doch schlussendlich lag es vor allem an einem: Ich esse gerne Fleisch. Die Lust war zu gross, mein Wille zu schwach und die Kalbsbratwurst zu verlockend.

Aber auch wenn mein Wille nicht stark genug ist, um auf Fleisch zu verzichten, so kann ich doch eines: reduzieren. Erstens der Umwelt zu liebe. Zweitens dem Körper zu liebe. Und drittens: den Tieren zu liebe. Denn viel zu oft werden Tiere in der Zucht nicht artgerecht gehalten. Viel zu viele Tiere auf viel zu engem Raum wachsen viel zu schnell heran, um dann viel zu früh für unseren Konsum zu sterben. Um bei der Haltung Platz zu sparen, werden den Kühen in der Schweiz sogar die Hörner abgeschnitten, was die jüngste Hornkuh-Initiative zu ändern versucht.

Ein Melkkarussell in Deutschland. (© Paul Langrock/Greenpeace)

Natürlich hat die Gesellschaft nach dem Karnismus, dem Vegetarismus, dem Pescetarismus und dem Veganismus schon einen passenden Begriff für die Fleischreduktion gefunden: Flexitarismus. Dabei lässt man den Fleischkonsum zwar zu, er steht aber nicht im Mittelpunkt der Ernährung. Das heisst, Fleisch wird nur ausgewähltes, nachhaltig produziertes und vor allem wenig gegessen. Für Menschen wie mich, die den veganen Weg versucht haben und gescheiter sind, ist dies ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Deswegen gehe ich seither im Einkaufsladen neun von zehn Mal an der Kalbsbratwurst vorbei – wenn auch mit geschlossenen Augen.

Danielle Müller studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin und schnuppert nun bei Greenpeace rein. Die 27-Jährige Baslerin ist stets im Sattel ihres Rennvelos anzutreffen und sagt nie Nein zu einer guten Umwelt-Doku auf Netflix.