Du und dein Smartphone im Supermarkt. Die GPS-Ortung deiner Umweltorganisation erkennt, dass du – sagen wir – bei Aldi einkaufst. Du stehst vor dem Fischangebot. Das GPS-Feintuning deiner Organisation hat das bereits festgestellt. Auf dem Schirm deines Phones erscheint ihr aktueller Ratgeber. Er sagt dir, welcher Fisch zu verzehren korrekt ist. Bio-Fisch gibt’s in deinem Aldi nicht. Du begutachtest das Angebot und entscheidest, welche drei Fische du prüfen willst. Du scannst dafür den Barcode auf der Packung des ersten Fischs ein. Dorsch. So wie es dein Rezept vorschlägt. Auf deinem Screen erscheint in Zehntelsekundenschnelle: generell gefährdet. Beim zweiten, dem Heilbutt, nach dem Scan die Info: FAO-Nummer 47, heisst «Fanggebiet südöstlicher Atlantik» und «stark bedroht». Geht nicht. Der Dritte. Kabeljau mit der FAO-Nummer 67. Er sei «noch akzeptierbar», und du überlegst, ob das Dorsch-Rezept auch für den Kabeljau passe – vermutlich schon, entscheidest dich für ihn.

Du gehst weiter. Um die Beilage Kartoffeln zu kaufen. Du scannst den Code der Knollen. Sind polnischen Ursprungs. Haben 6,4 Kilogramm CO2 verursacht. Ausserdem brauchst du eine neue Glühlampe und bleibst beim entsprechenden Regal stehen. Der «Leuchten und Lampen»-Ratgeber ist schon auf deinem Phone. Und die richtige Birne im Korb. An der Kasse scannst du deine Einkäufe. Zahlst mit der Rappen-App deiner Bank. Ziehst ökologisch bestückt von dannen.

Auf dem Nachhauseweg schaltest du mit der Ofen-App den Backofen minutengenau, also energieeffizient zum Vorheizen ein. Die Zeit unterwegs reicht noch, die vergessene Kühlschrank-Check-App zu betätigen. Die CoolCam zeigt: Milch fehlt! Der nur zwei Daumenwische entfernte Blick in den Vorratsschrank zeigt eine Bio-UHT-Milch. Uff. Zuhause empfängt dich das beim Eintreten eingeschaltete, stromsparende Wand-Tablet. Es hat für dich massgeschneiderte Angebote für’s frühabendliche Online-Engagement zusammengestellt. Bevor du also den Kabeljau in die Pfanne haust, tust du selbiges per Fingerdruck noch rasch mit Nestlé, Shell und VW.

Du stehst in der Küche, als dir Eva, deine Partnerin, mit der Bin-Etwas-Knapp-App ihre acht Minuten Verspätung durchgibt. Die Effi-App legt für diese Zeit den Herd still und projiziert die Tablet-Oberfläche auf die Küchenschranktür vor dir. Der Kochherd-Knopf dient in der Auszeit als Maus. Beim Checken deiner Mails siehst du, dass die Konzerne bereits geantwortet haben. Und zwar die CEOs höchst persönlich. Sie versprechen, dein Anliegen sehr ernst zu nehmen. Irgendwie kommt dir ihr Sound zwar bekannt vor, doch der Kabeljau jault auf bzw. brät weiter. Die acht Minuten sind vorbei.

Beim Essen und einem guten Tropfen Grün-Roten sinnierst du mit Eva über App-Lücken auf dem Ökoaktiv-Markt. Den besten Einfall bringt sie: eine Kochherd-Blocker-App! Die ginge so, dass ein Sensor im Türrahmen erkennen würde, käme unerlaubter Fisch oder unökologisches Fleisch über die Türschwelle. Eine App würde aktiviert, die den Kochherd blockierte. Und zwar solange, bis die Ware wieder über die Schwelle raus wäre.

Du als iPhoner hast die iDeaApp installiert und kannst damit eure Brainstorm-Key-Ideas direkt im Apple-Lab platzieren. «Jetzt wollen wir mal sehen, ob Tim Cook seine Jobs gut macht», sagst du augenzwinkernd zu Eva. Sie hat in dieser Zeit das Resultat als Kurz-Powerpoint und per Rap-App unterlegtem Beat auf weTube gestellt. Eva sinniert noch darüber, ob die Daten, die weltweit mit einer solchen Türschwellen-App gesammelt würden, nicht für eine gemeinnützige Gugl-Stiftung interessant sein könnten. Derweil überlegst du bereits, ob du mit der TantrApp oder ZimmerdeckenTVApp Stimmung ins Schlafzimmer bringen willst.

Apps erleichtern nicht nur zunehmend den Alltag, sie haben zudem das Potenzial, ökologische Probleme nebenher beim Einkaufen zu erledigen: Verappelung als Vision eines endlich bequemen Umweltengagements? Eine grossartige Applenkung?

Kuno Roth schreibt in seinen Kolumnen manchmal unverblümt, manchmal humoristisch, manchmal gar satirisch und immer solidarisch-kritisch über das Umfeld und Randerscheinungen der Ökobewegung aus (noch) unkonventioneller Sicht, die naheliegend und überraschend zugleich ist. Er arbeitet international als Leiter des globalen Mentoring-System bei Greenpeace.