Kann man noch auf eine grüne Zukunft made in California hoffen? Eine Spurensuche vom sterbenden Salton Sea über die gebrochene Bilderwelt von Los Angeles bis ins blühende San Francisco. Und zurück.

Von Hannes Grassegger


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Salton Sea bei Niland: Verseucht, versalzen, nahezu ausgetrocknet – Kaliforniens grösster See stirbt.

© 2011 Tomas Muscionico

Niland, Südostkalifornien. Irgendwann werden mir die glühende Hitze und der Ammoniakgeruch der Fischkadaver zu viel. Ich stehe am Fusse des Salvation Mountain, des knallbunt bemalten, religiösen Schuttmonuments aus Schrott und Lehm im Südosten Kaliforniens. Ganz in der Nähe stirbt der grösste See
des Bundes-staates vor sich hin: Salton Sea, verseucht, versalzen und verlassen. In Endzeitstimmung steige ich in den Dodge, starte den Motor und frage mich: Ist dieses Kalifornien, dieser Mix aus Day After und Disneyland, das gelobte Land, das dem Westen zu einer neuen Zukunft verhelfen soll?

 

Unterwegs, Los Angeles. Seit fast zwei Stunden auf der Innen-stadtautobahn. Zehn Spuren, alles dicht, sogar die Überholspur für ökologische Car-Pools (Fahrgemeinschaften). Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde mein Trip vom Echo Park zum Topanga Canyon etwa fünf Stunden dauern. Es gibt in Los Angeles zwar S-Bahnen und Busse, aber die reichen nicht. Und wegen der austrocknenden Stadtfinanzen werden sie immer knapper.

L.A. ist die Frontstadt der westlichen Welt: ein Ballungsgebiet zwischen Disneyland und Hollywood, 12,8 Millionen Einwohner, weltweit der drittgrösste Wirtschaftsraum. Kalifornien selber ist etwa die zehntstärkste Volkswirtschaft der Welt, die Nummer eins der Vereinigten Staaten.

Es hiess lange, wenn die USA eine grüne Zukunft haben könnten, dann würde sie aus Kalifornien kommen, aus den kalifornischen Unternehmen. Kalifornien bedeutet Goldfieber, Demonstrationen in Berkeley, grüne Modellstadt City of Davis, aber auch HP, Google, iPad. Von den 100 führenden Cleantech-Unternehmen weltweit befanden sich 2010 allein 34 in Kalifornien.

Kalifornien ist die Wiege einiger der grössten Veränderungen, die die westliche Welt in den letzten Jahrzehnten durchlief: von San Franciscos Haight Street, dem Symbol aller Hippieträume; der derzeit bedeutendsten Firma, Apple; von einigen der striktesten Umweltschutzgesetze der Welt.

Sogar Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger wurde hier zum Grünen. Im Juli 2006 überraschte er mit dem Vorschlag, eine Klimaschutzbehörde einzuführen, und formulierte einen Plan -gegen die Erderwärmung. Am 27. September 2006 unterzeichnete er das weitreichendste Gesetz zum Kampf gegen Klimawandel, das die Nation je gesehen hatte. Nun ist er weg, die Staatskasse ist leer und eine Krise jagt die nächste. Kann man noch auf eine grüne Revo-lution aus Kalifornien hoffen?

Im Frühherbst 2011 kollabierten grosse Teile der hoffnungsvollen grünen Energiebranche Kaliforniens. Die grüne Blase platzte mit Solyndra, einem Solarzellenhersteller, dessen Bankrott seit August die Bundesbehörden beschäftigt. Aufgrund von 500 Millionen Dollar versenkten Subventionen ist der Fall zum Wahlkampfproblem für Barack Obama geworden. Die grüne Wirtschaft war kaum angekommen, da implodierte sie.

Nur wenig hatte sie trotz grosser Pläne bisher erreicht. Laut einer Studie der renommierten Brookings-Instituts gab es in Kalifornien Mitte 2011 knapp 320 000 Jobs im grünen Bereich, im Grossraum L.A. waren es nicht einmal 90 000. Während der Rest der US-Wirtschaft seit 2003 mit einer jährlichen Rate von 4,2 Prozent wuchs, waren es im grünen Bereich 3,4 Prozent.

 

Topanga Canyon, L.A. Der Smog verstopft meine Lungen. Seit -einer Stunde hätte ich bei Ramona Gonzalez sein sollen. Die Musikerin ist die Verkörperung jener Bohemiens, die sich in den Stadtteilen Echo Park und Silverlake sammeln. Als «Nite Jewel» macht -Ramona Musik, die man im iTunes Radio unter «Urban» finden würde. Sie ist L.A.s Darling. Nebenbei hat die 27-Jährige Philo-sophie studiert und ist kürzlich «aufs Land» gezogen.


Topanga Canyon: Raum für alle, die aussteigen wollen – aber nicht ganz.

© 2011 Tomas Muscionico


Ramona «Nite Jewel» Gonzalez: «Natur ist etwas für Einzelgänger.»

© 2011 Tomas Muscionico

 

Von der Küstenstrasse Richtung Malibu zweigt die Topanga Canyon Road ab und schlängelt sich durch ein immer grüner werdendes Tal. Der an L.A. grenzende Canyon bietet Raum für jene, die aussteigen wollen, aber nicht ganz. Hier wohnen Künstler, aber auch Geschäftsleute. Rockstar Neil Young, der mit seinem Elekt-roauto Lincvolt die Welt verändern wollte, lebte einst hier. Wir laufen rüber ins Froggy’s, in dem ein Dutzend Gratiszeitungen mit Titeln wie «Natürliches Erwachen» ausliegen.

Sie fühle sich glücklicher, leichter, weniger nachdenklich als in der Stadt, erzählt Ramona. Sie wandere viel. «Hier zu leben, ist Luxus», sagt sie. «Man wird nicht konfrontiert mit der Zerstörung dieser Welt. Das Einzige, was die Leute hier eint, ist ein Grund-gefühl: leben und leben lassen. Natur ist was für Einzelgänger.»

Ramona erzählt von ihrem Song Unearthly Delights: «Es geht um die Zufälligkeit der Natur. Ihre Willkür. Natur ist Chaos. Echte Natur, nicht die Natur, die wir aus Parks kennen, verschwendet keinen Gedanken auf dich.»

Sie nimmt einen Schluck von ihrem Cocktail.

«Hier in Topanga konsumiere ich die Natur. Ich kämpfe nicht mehr für den Naturschutz. Es sind weniger Leute um mich herum, die ich für die Zerstörung unseres Planeten hasse. Ich kümmere mich weniger um andere. Das ermöglicht mir, nur an mich zu denken, nur Musik zu machen.»

Während sich die einen in nostalgischen Kommunen wie dem Baumschützermekka Arcata in Nordkalifornien zusammen-schliessen, hat Nite Jewel sich in Topangas Idyll eingeigelt, um ihren eigenen ökologischen Lifestyle zu formulieren. Schonungslos -unromantisch, naturverbunden und nicht besonders verantwortungsvoll.

 

Big Sur, Highway One. Zwischen den in L.A. entstehenden Visionen und deren Umsetzung in der Wirtschaftsregion um San Francisco liegt viel Natur. Ich bin im Dodge auf der Fahrt nach Norden. Der Highway One führt immer näher ans Wasser, manchmal sind es nur zehn Meter zur Brandung. Ich folge dem One, seinen Windungen und Steigungen, bis nach Big Sur, in das hüge-lige Waldgebiet mit seinen steinigen Küsten. Kalifornier erleben Natur vom Auto aus. Man kann von L.A. aus in nur zwei Stunden Seelöwen im Sand -liegen sehen und durch Mammutbaumwälder kurven. Hier werden Parkplätze an Robbenliegeplätze gebaut.

In Big Sur lebte ab 1942 der Schriftsteller Henry Miller und schrieb seine USA-Kritik: Der klimatisierte Albtraum. Rückzug in die Natur hat in Kaliforniens Kultur Tradition. Gleichzeitig gab es hier einige der frühsten Initiativen, die Ökologie handfest im Alltag verankerten. Die Fahrradhochburg Davis zum Beispiel, eine Universitätsstadt nahe Sacramento. Während die USA Anfang der 1960er begannen, gegen Rassensegregation vorzugehen, kämpfte hier eine Bürgerbewegung gegen das amerikanische Statussymbol schlechthin – das Auto. Bereits 1966 erkämpften die Umwelt-schützer eine Pro-Fahrrad-Mehrheit im Stadtrat. Davis wurde weltweit zum Vorbild für grüne Stadtpolitik.


Das Naturgefühl verinnerlichen: für viele Kalifornier ein Erlebnis aus dem Auto heraus.

© 2011 Tomas Muscionico

 

Fort Mason, San Francisco. Im Osten von San Francisco liegt die grün-alternative Uni-Stadt Berkeley, im Südwesten das Silicon Valley. Die sogenannte Bay Area ist ein Start-up-Paradies und -bietet ein mehrstufiges Fördersystem für Jungunternehmer: In The Hub kann man sich erst mal einen Arbeitsplatz mieten. Wer weiter will, kann auf «Beschleuniger» wie 500 Startups hoffen: Sie leisten Businessnachhilfe und vergeben Kleinkredite. Nächste Stufe: «Inkubatoren», die den Nachwuchs mit Mentoren zusammenbringen. So sollen die Googles, Apples und Facebooks der Zukunft -gezüchtet werden. Skalieren, in die Grösse treiben, das ist das Ziel dieses Wirtschaftstreibhauses. Nun hat man auch Social Impact (Soziale Wirkung) als Investment entdeckt.

Die Socap 11 findet in einem ehemaligen Kasernengelände an San Franciscos Bucht statt: Fort Mason, zwei Werfthallen voll -Anzugträger und Studententypen in Turnschuhen. Socap will der Marktplatz sein für Unternehmer und Investoren mit grünen
und sozialen Visionen. Besucher aus über 50 Ländern tagen hier. Workshops tragen Titel wie «Seeding Systems Change: A Look Toward Green 3.0.» Google-Verwaltungsrat Eric Schmidt ist da, ebenso die Gates-Stiftung, «Forbes Magazine» berichtet.

An einem Stand lächelt Myshkin Ingawale, 29, aus Mumbai. Sein Modell: kostengünstige elektronische Bluttester für Ärzte in Indien. Er braucht 300 000 Dollar. Aber das wird schon. Myshkin wurde an die Socap geholt vom Unreasonable Institute, dem Liebling dieser Messe. Das erst zwei Jahre alte Institut fördert ausschliesslich Social Enterprises, die das Leben von «mindestens einer Million Menschen» verbessern können. Unterstützt wird, wer sich für ein sechswöchiges Lerncamp qualifiziert, in dem Fähigkeiten vermittelt werden wie Kommunikation, Recruiting, Profitdenken. Im Kern spinnt Unreasonable ein feinselektiertes Netzwerk aus Investoren, Mentoren und Jungunternehmen.

«Als wir selber ein soziales Unternehmen gründen wollten, stiessen wir auf typische Probleme der Startphase», erklärt der 24-jährige Teju Ravilochan, Mitgründer des Unreasonable Institute. «Wir merkten, dass es kein Geld für soziale Unternehmer in der Frühphase gibt. Geld gibt es nur, wenn man Menschen kennt, die einem vertrauen. Also bauen wir Entrepreneuren ein echtes Netzwerk. Bei unseren Camps sind 25 Jungunternehmer in einem Haus. Dann kommen Mentoren. Da putzt sich der CTO von Hewlett Packard mit dem Start-up-Gründer die Zähne. Tagsüber gibt es Workshops oder man arbeitet.» So bilde man Vertrauensnetzwerke fürs Leben.

In 70 Ländern bewirbt das Unreasonable Institute seine Camps. Aus Europa komme fast niemand. Ein Drittel aller Teilnehmenden ist aus den USA. «Wir haben viele Inder, neu auch Kenianer und Ugander im Programm», erzählt der junge Vizepräsident, «für uns ist entscheidend, ob man ein Projekt skalieren kann.» Grösse, Optimismus und weltweite Perspektive sind das Rezept von -Unreasonable.

«Silicon Valley ist eine ganz eigene Art und Weise, Wirtschaft zu machen. Hochvernetzt und egalitär», schreibt die Wirtschaftshistorikerin Margaret O’Mara. Seit der Zeit des Goldrauschs werde hier grosse Risikobereitschaft mit Talent aus aller Welt verknüpft. Boulder, Colorado, und Austin, Texas, versuchen gerade, Silicon Valley den Ruf als grünes Mekka streitig zu machen. Alle arbeiten an einer neuen Idee von Business. Shared Value nennt der Wirtschaftswissenschaftler Michael Porter die Vision von Unternehmen, die der Welt wirklich nützen – und trotzdem ungehemmt Profit abwerfen.

 

Ferry Plaza Farmer’s Market. Kurz vor der Oakland Bay Bridge sehe ich einen Bauernmarkt. Gutes Obst ist rare Ware in Kalifornien. In den Supermärkten finden sich fast nur überzüchtete Produkte: einförmig, riesig, fade. Nicht so am Ferry Plaza Farmer’s Market. Der Markt ist ein Muss für San Franciscos iPad-Bürgertum. Es duftet nach frisch Gekochtem, die Famiglia Bariani wirbt mit Olivenöl aus kalifornischer Produktion, überall sieht man Kunden neugierig Früchte probieren.

Die 21-jährige Jennifer erklärt, warum an jedem Stand Informationsplakate hängen: «Wir haben 50 Jahre lang vergessen, uns um unser Essen zu kümmern. Wir dachten, Essen kommt aus Fabriken. Dann wurden wir alle krank. Wir müssen wieder lernen, was Essen überhaupt ist.»

Diabetes hat die USA allein im Jahr 2007 174 Milliarden Dollar gekostet, fast 30 Prozent der über 65-Jährigen haben Altersdia-betes in den USA. Es gibt Hunderte Organisationen, die an einem grundlegenden Wandel arbeiten, der Kalifornien ergriffen zu haben scheint. Küchenchefs sind Celebrities geworden. Nun eröffnen überall vegane Restaurants. Sogar die Tacotrucks, fahrende Imbisse, satteln auf Gourmet und Bio um.

Lebensmittel sind ein smarter Kniff, um die meist in Städten lebenden Kalifornier wieder mit der Natur zu verbinden. Vor-derhand geht es um das Geschmackserlebnis. Durch die Hintertür kommt der Umweltschutz. «Erlebe echten Geschmack. Verbinde dich mit dem Rhythmus der Natur», fordert das Flugblatt, das mir Jennifer in die Hand drückt. Punkt 4: «Schütze die Umwelt.» Logisch, wenn man plötzlich versteht, dass da die Grapefruit herkommt.


James Ferraro im Fresh Produce Street Market, Silverlake: «Der grüne Supermarkt ist ein soziales Phänomen.»

© 2011 Tomas Muscionico

Wholefoods, Santa Monica. Die Bay Area ist für Technik-Nerds, die Firmen starten. Los Angeles produziert den Lifestyle. Zurück in L.A., treffe ich im Wholefoods, Santa Monica, den 26-jährigen Musiker James Ferraro beim Einkaufen. Der grüne Supermarkt ist superhip, die Verkaufsfläche ein Catwalk.

«Wholefoods ist ein soziales Phänomen», erklärt James. Er hat gerade eine Platte über den ökologischen Lifestyle im digitalen Zeitalter rausgebracht. «Es funktioniert wie Apple, wie alles in Kalifornien. Das Produkt ist ein Medium für symbolische Werte. Wholefoods verkauft das Feeling, Teil einer Graswurzelbewegung zu sein.»

Natürlichkeit als Ware im Zeitalter virtueller Währungen. «Local» ist der Slogan. Er steht für die Verbindung zum Land. Durch den Konsum lokaler Waren entstehe ein Bezug zur «Community», erklärt mir eine Kellnerin im Restaurant «Local». Und Szene-Metzgerin Amelia gelobt: «Wir kaufen unser Fleisch immer von einem einzigen Farmer. Dann kommt das Tier vor den Augen unserer Kunden komplett in den Laden, und wir zerlegen es hier. Man kann alles sehen.» Sie glaubt nicht an Bio-Labels, sondern an eine «Postbio»-Wirtschaft, die auf vertrauensvoller Zusammenarbeit beruhe.

So gross ist das Bedürfnis nach Nähe zum Land, dass die hippen Leute von L.A. nach der Yogastunde in Gemeinschaftsgärten jäten gehen.

 


VELA-Community: Latino-Teenager lernen, wie man sich gesund ernährt.

© 2011 Tomas Muscionico

VELA Community Center, L.A. 20 Minuten östlich sind die Häuser einstöckig und spanisch angeschrieben. Reanne Estrada kämpft im Community Center VELA damit, einer Handvoll Latino-Teenager beizubringen, wie man sich gesund ernährt. In der Latino Community (40 Prozent der Stadtbevölkerung) grassiert Diabetes sogar schon bei Jugendlichen.

«Meine Mutter kann sich kein Auto leisten. Das nächste frische Obst liegt Stunden entfernt. Wenn ich in der Schule Hunger habe, dann hab ich keine Zeit, um Gemüse zu kaufen. Das gibt es ja -nirgends», beschreibt die 17-jährige Jocelyne das Problem der Food Deserts (Nahrungswüsten). In ihrer Gegend gibt es Fastfood-ketten und Liquor Stores voll Alkohol.

In Reannes Projekt Market Makeovers versucht man, durch Aufklärung Nachfrage für Frischwaren zu wecken und andererseits Inhaber von Nachbarschaftsläden – oft Liquor Stores – zu überzeugen, überhaupt Frisches anzubieten. Nirgendwo scheint die grüne Revolution weiter entfernt.

Und doch.

 

Ein neues Eden. «Kalifornien ist das Zentrum technologischer Innovation in der Welt. Tonnen von Erfindungen in Cleantech. Right here, jeden Tag», sagt Jason Matlof vom milliardenschweren Wagniskapitalgeber Battery. «Cleantech blüht weiter. Es ist nach Digital Media und Cloud Computing in der Investorenwelt Thema Nummer drei.»

Zukunftsforscher Jamais Cascio gilt als Guru für grüne Technologie am und jenseits des Horizonts. Der 45-Jährige sieht die Region als entscheidendes Testfeld: «Los Angeles ist die Welt in klein. Wenn wir es hier schaffen, dann können wir es überall.»
In seinen Augen hat Chinas aggressive Subventionspolitik für grüne Technologie den Zusammenbruch der kalifornischen Solarzellen-industrie verursacht. Doch er sieht Hoffnung. Er arbeitet an einem Buch mit dem Titel «A New Kind of Eden». Darin entwickelt er drei Szenarien für eine grüne Zukunft Kaliforniens:

 Entschieden Grün: Das althergebrachte kalifornische Modell des grünen Pfades funktioniere nur, wenn die Ökonomie an Fahrt gewinne und sowohl Bevölkerung als auch Politik weiter die -lokale Wirtschaft in eine grüne Richtung steuerten.

Grün durch Zwang: Halte die wirtschaftliche Stagnation an und entscheide sich Kalifornien für die billigste Infrastruktur, also Importe aus China, werde die Region umweltfreundlicher, weil China so stark auf grüne Technologien setzte.

Grünes Überholmanöver: Trotz weiteren ökonomischen Niedergangs entschliesst sich Kalifornien zu einem «grünen Bocksprung» und sieht die Notwendigkeit, die einheimische Infrastruktur grösstenteils ersetzen zu müssen, als Chance für eine grüne Erneuerung. Kalifornien bliebe Vorreiterstaat.

Jamais Cascio hält die kalifornische Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, als die wichtigste grüne Tendenz überhaupt. Er sagt: «Kalifornien bedeutet: kein Stillstand.»

 

Disneyland. Ich fahre zum ersten Mal in einem kalifornischen Zug. Am Gleisrand ein Werbeplakat: Agrifuture. Darauf ein Roboter beim Pflegen eines Gartens voll riesiger Früchte. Seltsamerweise sind robotisierte Gemeinschaftsgärten genau eine der grünen Visionen von Jamais Cascio. Hier in Disneyland wohnt Tarzan in einem Plastikbaum, hält sich der amerikanische Durchschnittsbürger Mickey Mouse Hühner, genau wie die Trendsetter aus Echo Park, und hier fährt jener Hochgeschwindigkeitszug, auf den Kalifornien in der Realität seit der Projektgenehmigung vor Jahren vergeblich wartet. Die Hochbahn ist fast leer. Unter den Gleisen aber bilden sich Schlangen vor dem von Chevron gesponserten Autopia. Lachende Kinder brausen in Boxautos herum, die echtes Benzin verbrennen. Im Stadtteil Tomorrowland erstelle ich mir auf einem Touchscreen eine virtuelle nachhaltige Zukunft. Dann lasse ich mir ein Auto vorführen, bei dem man auf einen grünen Knopf drücken kann, um es auf umweltfreundlich zu schalten.

 

Von Hannes Grassegger


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