Wenn die «Jan Maria» ausläuft, weiss die Crew bereits exakt, mit welchem Fang sie zurückkehren wird. Ein Mitarbeiter der Reederei berichtet im niederländischen Fernsehen: «Der Fisch ist bereits verkauft, bevor er gefangen ist. Stimmen Grösse und Gewicht nicht überein, geht er wieder über Bord. Tot.»

Diese Praxis nennt sich «Highgrading» und bedeutet nicht nur eine riesige Verschwendung von essbarem Fisch, sondern ist nach EU-Recht illegal. In der 40 minütigen Dokumentation des TV-Senders Zembla «Wild West op Zee» bestätigt sich, was bereits Frontal 21 (ZDF) in seinem Beitrag «Was taugen die Fischfangquoten» jüngst aufdeckte: Das deutsche Fangschiff Jan Maria, das zum niederländischen Mutterkonzern «Parlevliet en van der Plas» gehört, ist tief in illegale Machenschaften auf See verstrickt. Das ist keine Ausnahme. Ob «Helen Mary», «Margiris» oder «Maartje Theadora» – die Parlevliet-Flotte hat sich bereits einiges geleistet. Siehe auch: «Skandalfirma Parlevliet & van der Plas».

Ohne Chance: Behördliche Kontrollen auf See

Im Zembla-Beitrag erzählt ein Augenzeuge anonym: An Bord der schwimmenden Fischfabriken benutze man die Sortiermaschinen, um schlecht verkaufbaren Fisch abzuzweigen und bei nächster Gelegenheit illegal ins Meer zurückzuleiten. Bei der Ausstattung der schwimmenden Fabriken ist das ein Leichtes: Es ist genügend Platz, um Fisch zwischenzulagern oder abzuschotten. Im Laderaum können rund 7 Millionen Pfund Fisch gekühlt werden, das entspricht laut Zembla-Rechnung 18 Millionen Mahlzeiten.

Die Mitarbeiter diskutieren darüber, dass «engere Maschen» her müssen.

Auch der Deutsche Andreas Mehmecke ist als nautischer Offizier auf der «Jan Maria» mitgefahren und gibt wenig auf die Behördenaufsicht. «Man kann heute alles beobachten», sagt er im TV-Beitrag. Die Fangschiffe hätten die Kontrolleure längst auf dem Radar, wenn sie noch weit genug entfernt sind. Ein Anruf genüge: «Kein Fisch aussenbords» – und der Ausschuss-Fisch werde zwischengelagert. «Wenn die Kontrolle vorbei ist, und die Kontrollboote ausser Sicht sind, geht er dann über Bord.»

Bereits bei Frontal 21 berichtete Mehmecke vor der Kamera, dass die «Jan Maria» in grossem Stil Hering zurück ins Meer gekippt hat, um an anderer Stelle erneut zu fischen in der Hoffnung auf besser vermartkbaren, grösseren Fisch. Zwei Dokumente, das offizielle Fangtagebuch für die Behörden sowie eine geheime Fangkladde bestätigen diese Praxis. Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen die Reaktionen im Internet. In einem internen Forum freuen sich einige Parlevliet-Mitarbeiter «gut, dass sie nur ein Logbuch gefunden haben» und «uns haben sie nicht immer erwischt – und wenn wars nich so teuer».

Wie geht es jetzt weiter? Beide Dokumente hat Memecke in Kopie den Behörden ausgehändigt; zuständig ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BLE. Deren Vertreter gibt sich im TV-Beitrag zurückhaltend: Das inoffizielle Logbuch liesse vemuten, dass es sich um einen Verstoss handelt, man müsse sich ein Bild machen. Unsere Kollegen von Greenpeace Niederlande haben übrigens Klage gegen den niederländischen Kapitän der «Jan Maria» erhoben.

Fischvernichtung auf See – zukünftig erschwert?

Die Skandal-Reederei «Parlevliet und van der Plas» erhielt in den letzten Jahren fast 18 Millionen Euro an EU-Zuschüssen

Industrielle Fischerei ist ein Geschäft, in dem Profit vor Nachhaltigkeit geht. Die laschen EU-Regeln haben ohne effektive Kontrollen kaum eine Chance, Missbrauch zu verhindern. Die Umweltverbände schauen in den letzten Monaten deshalb scharf nach Brüssel, wo die Reform der europäischen Fischereiregeln in die Endphase geht. Alle zehn Jahre werden diese überarbeitet – in den nächsten Wochen werden die neuen Gesetze wohl beschlossen werden.

Neu geregelt werden nicht nur Fangquoten und Rückwurfverbote, sondern auch die Steuergelder für die Fischereimonster. Im Zembla-Beitrag findet EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki klare Worte auf die Frage, wie man zukünftig mit Subventionen für Fangschiffe umgehen werde, die gegen die EU-Regeln verstossen: «Das muss aufhören, wirklich, das muss aufhören.» Sie habe nun die Fördergelder für den Neubau von Fangschiffen gestoppt, denn die überdimensionierten Supertrawler bedeuten, dass zukünftig noch grössere Mengen Fisch gefangen werden.

In welchem Umfang die Industrieschiffe für ihr kriminelles Geschäft sogar von den EU-Fördertöpfen profitierten, zeigt ein Beispiel in der niederländischen Doku: Die Skandal-Reederei «Parlevliet und van der Plas» erhielt in den letzten Jahren fast 18 Millionen Euro an EU-Zuschüssen für die Schiffe – der Löwenanteil übrigens für ihre deutschen Schiffe wie die «Jan Maria».

Schicke jetzt noch ein Papierboot zu den Fischereiministern, um den Druck auf diese zu erhöhen.

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