Donnerstag, 16. Oktober 2014

© Luis Liwanag / Greenpeace

 «Die Welt ernähren, für die Erde sorgen», heisst das Motto des heutigen Welternährungstags. Acht Gastbeiträge auf unserer internationalen (engl.) Greenpeace-Website zeigen unterschiedliche Perspektiven zu nachhaltiger Ernährung auf: von einem philippinischen Koch, einer Anthropologin bis zu einem Schriftsteller.

Uma Khumairoh und Pablo Tittonell forschen für die Farming Systems Ecology Group an der Wageningen University. Sie sind überzeugt, dass der so genannte Golden Rice kein Mittel gegen Mangelernährung ist – und nennen eine sinnvolle Alternative. Ihr hier veröffentlichter, gekürzter Gastbeitrag findet sich im Original (engl.) hier,weitere Informationen zum Thema auf unserer Website.

Gastbeitrag von Uma Khumairoh und Pablo Tittonell: Fremde Gene im Reis sind überflüssig

Menschen, Vögel, Fische, Pflanzen und Mikroben: Alle diese Organismen brauchen Nahrung, Luft, Wasser und Schutz. Sie haben eine komplexe Vielfalt von Interaktionen entwickelt, die jeder Spezies den Zugang zu einer ausgewogenen Nährstoffversorgung sichert.

Vielfalt ist auch in der menschlichen Ernährung entscheidend. Länder wie Indonesien mit 19,9 Millionen unterernährten Menschen, in denen Reis das Grundnahrungsmittel Nummer eins ist, kennen eine Vielzahl ernährungsbedingter Probleme. Eines von ihnen ist Erblindung infolge von Unterversorgung mit Vitamin A.

Komplexe und anpassungsfähige Anbausysteme für Reis

 

Food Artist Ida Frosk zum World Food Day

Unsere Studien zu komplexen Agrar-Ökosystemenzeigen: Der kombinierte Anbau von Reis und Azolla, einem Wasserfarn, führte zu einer deutlichen Steigerung des Kornertrags – wenn in den gefluteten Feldern zudem Enten und Fische gehalten werden.

Darüber hinaus stieg so auch die Vielfalt des Nahrungsangebots und bereicherte den Speiseplan der Menschen. Fisch, Eier und Enten sicherten die eigene Versorgung; die Bauern konnten sie aber auch verkaufen. Mit derartigen komplexen Reisanbausystemen wurde von einem Hektar Land genug Vitamin A gewonnen, um 50 Menschen ausreichend zu versorgen.

Kleinbauern, denen diese Anbausysteme vermittelt wurden, und die Kredite für die notwendigen Investitionen erhielten, sehen darin eine klare Verbesserung ihrer Lebenssituation. Daneben produzieren sie in ökologisch verantwortlicher Art und Weise und gefährden sich nicht länger durch den Einsatz gesundheitsschädlicher Pestizide. Die Vielfalt der Systeme sichert die Bauern gegen Schwankungen ökonomischer und klimatischer Bedingungen besser ab. Zuvor von Unter- und Mangelernährung betroffene Menschen werden so sicherer mit Lebensmitteln versorgt. Das alles sind gute Argumente gegen den Anbau von Golden Rice.

Brauchen wir den Golden Rice?

In Indonesien gibt es schon lange heimische rote, schwarze, lila, klebrige, halbklebrige und nicht-klebrige Reissorten mit hohen Gehalten an Zink, Antioxidantien und Vitaminen. Die Menschen in Indonesien essen schon lange sego-empog (heimischen Reis mit Mais), sego-gaplek (Reis mit Maniok), Reis mit Erbsen und andere Gerichte mit Reis für eine vielfältige Ernährung. Fisch, Enten, Eier, Gemüse, Bananen, Papaya und andere Früchte aus komplexen Reis-Anbausystemen, aber auch aus Kleingärten (Pekarangan), vervollständigen den Bedarf an Proteinen, Vitaminen und Mineralien.

Der so genannte Golden Rice ist ein gentechnisch modifizierter Reis mit artfremden Genen für die Synthese von Vitamin A. Er wird als Lösung für das Problem der Mangelernährung beworben. Doch er ist keine Lösung und zielt am Kern des Problems, den Reis-Monokulturen, vorbei. Der Anbau von gentechnisch verändertem Reis würde den Problemen des Mangels an Proteinen und anderer Nährstoffe in der Ernährung ebenso wenig gerecht wie den durch den Klimawandel hervorgerufenen Schwankungen in Ertrag und Haushaltseinkommen.

Golden Rice gefährdet zudem die lokale Versorgung, Ernährungsvielfalt und Esskultur. Eltern würden nicht länger ihren Kindern beibringen, wie sie mit statt gegen die Natur Landwirtschaft betreiben können. Die Kinder könnten nicht weiter in den Reisfeldern fischen gehen. Entenhaltern würden die Flächen für die Haltung ihrer Tiere fehlen. Wir haben bereits eine massive Simplifizierung von Agrarökosystemen erlebt. Dies war mit enormen Umweltwirkungen verbunden. Wir sollten diesen Weg nicht noch einmal gehen. Anstatt nach etwas zu suchen was es in den traditionellen Anbau- und Ernährungssystemen schon lange gibt – warum versuchen wir nicht die Vielfalt der Landwirtschaft wiederherzustellen und zu erhalten? 

Statt viel Geld in die Entwicklung von Golden-Rice zu pumpen wäre es sinnvoller und zielgerichteter, bereits existierende Programme zu finanzieren, die eine nachhaltige Landwirtschaft vorsehen und damit Nahrungssicherheit und -diversität sichern. So werden die Frauen in den Gesellschaften gestärkt, die Bauern kriegen ein regelmässiges Einkommen und die Ernährungssituation von Frauen und Kindern verbessert sich massiv.

Nein danke: Wir brauchen keinen Golden Rice.

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