In Babel wollten die Menschen einen riesigen Turm bauen. Einen richtig grossen. Sie wurden ­über­mütig, schliesslich grössenwahnsinnig und begannen zu streiten. Da liess Gott Gericht ­walten und erschuf mit den Sprachen die Sprachverwirrung. Hatten sich ­bisher alle Menschen einer Sprache bedient, so verstand nun der eine den anderen nicht mehr.

Heute heisst Babel Gorleben (D), Jura Ost / Zürich Nordost (CH) oder Bure (F). Hier soll sich in naher Zukunft der Atommüll stapeln. Ein riesiges Problem, über dessen Lösung man sich weder einig wird noch verständigen kann. Schon gar nicht, wenn man sich das Ganze in die Zukunft denkt: Das AKW Beznau hat in nur 47 Jahren radioaktiven Müll produziert, der eine Million Jahre lang strahlen wird. Das sind 33 000 Generationen, von denen möglichst keine auf die Idee kommen sollte, im Garten Erde an der falschen Stelle auf Schatzsuche zu gehen.

Es stellt sich die Frage, wie wir unsere Nachkommen über dieses problematische Erbe informieren wollen. Linguisten schätzen, dass eine Sprache nur ungefähr 10 000 Jahre überlebt. Zum Vergleich: Die Keilschrift, die erste Schriftsprache der Menschen, entstand vor etwa 5000 Jahren und ist heute kaum mehr verständlich.

Deshalb befasste sich 1981 das amerikanische Energieministerium mit der Frage, wie Lesbarkeit und Verständnis einer Information über Hunderttausende von Jahren erhalten werden könnte und initiierte eine Forschungsgruppe: Die Atomsemiotik. Ein Forschungszweig, der Atommüll als Kommunikationsproblem versteht. Seit über 35 Jahren suchen Forscher nach den richtigen Worten, um den Müll zu beschreiben, den wir weiter anhäufen.

Die erste konkrete Umsetzung plant derzeit die USA: Ab 2033 sollen insgesamt 50 sieben Meter hohe Monolithen das Endlager der amerikanischen Atomwaffenproduktion in New Mexico abstecken. In ihrer Mitte soll ein von Mauern umgebenes Informationszentrum über das atomare Erbe Aufschluss geben – mit Warnhinweisen in den sechs Weltsprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Russisch und Chinesisch sowie in der Sprache der Navajo-Indianer. Ob das ausreicht und das aktuelle Warndreieck der Internationalen Atomenergiebehörde auch in Tausenden von Jahren noch verstanden werden wird, ist fraglich. So zeigen Untersuchungen, dass Kinder das Atomzeichen eher für einem Flugzeugpropeller halten, als es lebensbedrohlichem Abfall zuzuordnen. Totenköpfe können heute zwar Tod bedeuten, aber eben auch das Emblem einer politischen Gruppe wie der Piraten-Partei darstellen.

Die Ideen der Forschungsgruppe sind so wild, dass sie schon verzweifelt wirken. So schlug der Sprachwissenschaftler Thomas Sebeok vor, die Problematik der zeitlichen Begrenztheit von Symbolen zu umgehen, indem man eine Atompriesterschaft gründe. Eine unabhängige Organisation mit der einzigen Aufgabe, den nachfolgenden Generationen Wissen und Warnungen zum Atommüll weiterzugeben.

Dem Semiotiker Roland Posner schwebt ein «Zukunftsrat» aus demokratisch gewählten Abgeordneten mit derselben Aufgabe vor. Der Philosoph Stanislaw Lem sieht die Lösung in der Züchtung einer bei Radioaktivität aufblühenden Pflanze; eine sich selbst fortpflanzende Warnung an unsere Nachkommen. Die AutorInnen Françoise Bastide und Paolo Fabbri verfolgen eine ähnliche Idee mit der genetisch angepassten Strahlenkatze, deren Fell sich als Reaktion auf atomare Strahlung verfärbt. Die Unmöglichkeit, die richtigen Mittel zu finden, belegt vor allem eines: Atomenergie ist und bleibt eine Sackgasse. Und wir stecken mittendrin.

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©Michael Raaflaub

Wie lange radioaktiver Abfall vor der Umwelt sicher verschlossen werden muss, unterliegt nationalen Richtlinien. In der Schweiz müssen schwach- und mittelaktive Abfälle 100 000 Jahre, hochaktive Abfälle wie abgebrannte Brennelemente eine Million Jahre sicher isoliert werden. Nach Ablauf dieser Zeit sollte die Radioaktivität der Abfälle auf das Niveau der natürlichen Strahlung gefallen sein.

Falls sich die gewählten Lagerstandorte als zu wenig sicher erweisen, wird die Rückholbarkeit in der Schweiz für 50 bis 100 Jahre vorgesehen, in Deutschland für 500 Jahre. Danach soll ein Tiefenlager endgültig versiegelt werden.

Beim Lager für militärische Abfälle in New Mexico (USA) werden 10 000 Jahre sichere Verwahrung als ausreichend bewertet. Die untenstehende Illustration zeigt, wie die Anlage über diesen Zeitraum mit Warnzeichen vor menschlichen Übergriffen geschützt werden soll. Wie sähe das für hundert Mal längere Zeiträume aus, wie sie für hochaktive Abfälle in der Schweiz errechnet wurden?

©Michael Raaflaub
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Inga Laas. Online-Redakteurin und Umweltingenieurin. Irgendwas zwischen Digital Native und Digital Immigrant. Bekennender Bücherwurm. Wohnt mit ihrer Familie am Zimmerberg im Kanton Zürich. Wenn sie nicht für Greenpeace schreibt, studiert sie Natur und Umwelt lieber analog. Vom Texten erholt sie sich beim Gärtnern, Lesen und Handwerkeln.

Michael Raaflaub. Nach abgeschlossenem Studium im Bereich Visuelle Kommunikation mit Vertiefung Illustration in Luzern ist Michael seit Anfang 2009 als selbstständiger Illustrator tätig. Michael lebt und zeichnet in Bern. www.mraaflaub.ch

«Die Sicherheit von AKWs ist überlebenswichtig. Darum muss jede Massnahme ergriffen werden, um ein weiteres Unglück zu verhindern: dazu gehört auch Magie. Beznau, das älteste AKW der Welt erhält Schutz durch einen magischen Zaun. Magic Fence schliesst die Sicherheitslücke und macht den ersten Schritt zum Atomkult.» Mach mit! Mehr dazu hier.