Zwischen Selbstverwirklichung, Sinnessuche und Sozialen Medien. Irgendwo unter all den Smartphones, Smart-TVs und Smartwatches begraben. Genau da setzt sich Greenpeace-Praktikantin Danielle mit den Hoffnungen, Herausforderungen und Problemen ihrer Generation Y auseinander – und fragt sich in ihren kommenden Kolumnen: Wie zum Teufel soll das grün gehen?

Eine Kolumne von Danielle Müller

Wie immer am Ende des Tages, scrolle ich vor dem Einschlafen durch Instagram. Eine Influencerin nach der anderen drängt sich mir auf. Hier ein Beauty-Produkt, das mich 20 Jahre jünger machen soll (d.h. sieben Jahre alt, wohlgemerkt), da eine Feriendestination, die sich ein Normalo wie ich niemals leisten könnte. «Wieso gucke ich mir das eigentlich an?», frage ich mich wie jeden Abend. Und scrolle weiter.

Dann fällt mein Blick auf ein Bild, das so gar nicht in meinen Verlauf von «Möchtegern»-Beeinflussern passt: eine braune Zahnbürste mit pinken Borsten. «Die sieht ja cool aus», denke ich mir. Mal etwas anderes, mal etwas Hippes. Ich klicke drauf – und schon bin ich Umweltaktivistin.

Nun ja, so schnell geht das natürlich nicht. Aber immerhin weiss ich mit einem Klick mehr: Bei der Zahnbürste, die normalerweise aus Plastik besteht, handelt es sich um eine Bambus-Variante. Der Hersteller verkauft eine Art Abonnement: Alle 1, 2, 3 oder 4 Monate kann man sich eine neue Bambus-Zahnbürste in einer Papp-Verpackung zukommen lassen.* Das soll nachhaltiger sein, denn Bambus erzeugt erheblich mehr Sauerstoff und bindet während des Wachstums deutlich mehr CO2 als Bäume. Das wirkt sich positiv auf die Ökobilanz des Herstellungsprozesses aus.

«Das ist ja schön und gut», denk ich mir, «doch mal ganz ehrlich, so schlimm können diese kleinen Dinger ja nun wirklich nicht sein?» Dass man hingegen keine Plastiktüten im Supermarkt mehr nimmt, das kann ich verstehen – Die volle Gewohnheitstier-Manier in mir. Und doch fängt mein Gehirn an zu rattern. Schnell google ich «Weltbevölkerung»: 7’642’176’065. Rund 7,6 Milliarden Menschen leben zur Zeit auf unserem Planeten. Wenn also jeder Mensch eine Zahnbürste besitzt, dann macht das 7,6 Milliarden Zahnbürsten. Es rattert weiter. Leben wir denn in einer Welt, in der jeder Mensch Zugang zu einer Zahnbürste hat? Die Frage klingt eigentlich schon schlimm genug. Wieso gibt es heutzutage immer noch so viele Menschen, die nicht einmal ein vernünftiges Dach über dem Kopf haben..? Halt, stopp! Zurück zu den Zahnbürsten.

Zieht man von den 7,6 Milliarden Menschen also – Handgelenk mal Pi – alle laut Statistik in extremer Armut lebenden Menschen ohne Zugang zu Zahnbürsten ab, ergibt das grob 6 Milliarden Stück, die jetzt gerade auf der Welt für saubere Gebisse sorgen. Geht man zusätzlich davon aus, dass jeder Mensch aus hygienischen Gründen mindestens einmal im Jahr die Zahnbürste wechselt (was ich schwer hoffe), ergibt das 12 Milliarden Bürsten, die jährlich gebraucht werden. Und danach im Mülleimer verschwinden.

12 Milliarden Zahnbürsten. Das muss man erstmal sacken lassen. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 8 Gramm pro Zahnbürste macht das 96’000 Tonnen Abfall. Die Plastikverpackungen nicht dazu gerechnet. Das scheint viel? Schön wär’s. Zahnbürsten sind ja nicht alles. Laut Statistik landen jährlich rund 25 Millionen Tonnen Plastik unkontrolliert in der Umwelt. Und gehen um die Welt – als Bilder von Mikroplastik, der in toten Tieren gefunden wird.

Der Mageninhalt eines toten Albatross. (© Chris Jordan)

Reicht es also wirklich aus, wenn ich alleine eine Bambuszahnbürste kaufe? Dann sind es immer noch 11’999’999’996 Zahnbürsten (ja, ich wechsle sie alle drei Monate), die jährlich im Müll landen. Wohlgemerkt nicht mal ein Tausendstel des gesamten Plastikverbrauchs. Wo ist denn der eigentliche Ursprung des Übels? Braucht es nicht viel, viel mehr als nur ein Bambus-Produkt? Und kann ich denn überhaupt mehr sein, als nur ein Smartphone-Zombie und mein Leben grundlegend nachhaltig gestalten?

Mein Blick löst sich von meinem Handy. Ohne «Smart» bleibt nur das Phone – aus einigen Plastik-Bauteilen. Auch die Ikea-Lampe auf meinem Nachttisch: Plastik. Der Plattenspieler im Regal. Der Wäschekorb in der Ecke. Die Handcreme auf der Kommode. Ich besitze sogar eine Plastik-Pflanze…

Und mit einem Klick auf den Bestell-Button bin ich Umweltaktivistin. Diesmal wirklich. Denn jeder fängt mal klein an. Warum also nicht mit 8 Gramm?

*In der Schweiz kann man eine Bambuszahnbürste direkt unter www.changemaker.ch bestellen oder in verschiedenen Unverpackt-Einkaufsläden erwerben.

Danielle Müller studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin und schnuppert nun bei Greenpeace rein. Die 27-Jährige Baslerin ist stets im Sattel ihres Rennvelos anzutreffen und sagt nie Nein zu einer guten Umwelt-Doku auf Netflix.