In der Diskussion um Gentech-Pflanzen geht es immer wieder um die Frage, ob sich tatsächlich eine Trennung zwischen Gentech- und konventionellen Kulturen realisieren lässt. Bienenzüchter aus Kanada beweisen an Hand ihrer Erfahrungen, dass dies unmöglich ist.
Der kanadische Imker Anicet Desrochers (l) und die kanadische Bioberaterin und Bäuerin Anne-Virginie Schmidt (r) berichten über ihre Erfahrungen in Kanada.
© Greenpeace
Dieser Artikel ist im Greenpeace Magazin 4/2005 erschienen.
«Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr.» Was Albert Einstein so formuliert hat, ist den wenigsten Leuten bewusst – nämlich, dass Bienen viel mehr tun, als nur Honig zu produzieren: Sie sind unerlässlich für die Bestäubung vieler Wild- und Kulturpflanzen. Der Ertrag landwirtschaftlicher Obst- und Beerenkulturen hängt davon ab, ob zur richtigen Zeit genügend Bienen die Blüten befliegen können. Wildsträucher, die Vögeln und kleineren Säugetieren Nahrung und Schutz bieten, werden grösstenteils von Honigbienen bestäubt.
Zwei Leute, die sich das Einstein-Zitat zur Grundlage ihrer Arbeit gemacht haben, sind Anne-Virginie Schmidt und Anicet Desrochers. Die junge kanadische Bäuerin und ihr Mann betreiben in Québec seit fünf Jahren eine Bio-Imkerei mit 800 Völkern. In idyllischer Umgebung produzieren sie zertifizierten Honig und züchten 5000 krankheitsresistente Königinnen pro Jahr. Eine Spezialität von ihnen ist, die Produktion von biologischem Honig auch durch Bienenzucht zu optimieren, indem sie aus Russland stammende milbenresistente Königinnen züchten. Zudem engagieren sich Anicet und Anne-Virginie für ihre Leidenschaft und treten an internationalen Treffen auf, wo sie die Erkenntnisse ihrer Arbeit weitergeben.
Ihre heile Welt ist jedoch arg bedroht: Wie in ganz Kanada gibt es auch in Québec immer mehr Gentech-Felder, und der Agro-Multi Monsanto will auch in ihrer Region mit dem Anbau von Gentech-Pflanzen beginnen. Zwar können Anne-Virginie und Anicet heute noch garantiert gentechfreien Honig verkaufen, aber Anicet weist darauf hin, dass in ganz Nordamerika nur noch fünf Imkereien zertifizierten Bio-Honig herstellen können.
Denn Flächen von bis zu hundert Quadratkilometern und natürliche Barrieren wie Berge oder Wälder müssten Bio- von Gentech-Feldern trennen, damit die beiden Anbauarten nicht vermischt werden. Bienen tragen Pollen über viele Kilometer, wandern von Volk zu Volk und unterscheiden selbstverständlich nicht zwischen Gentech-Äckern und konventionellen Kulturen. Die tatsächlichen Abstände gewährleisten keine wirksame Trennung.
Damit Bienenvölker keine Pollen von Gentech-Feldern sammeln, bleibt Imkern deshalb nichts anderes übrig, als ihre Völker umzuplatzieren. Was dadurch erschwert wird, dass auch die Gentech-Anbaugebiete immer wieder an andere Standorte verlegt werden.
Prominentes Opfer dieser Entwicklung ist der Präsident der Vereinigung der kanadischen Biobauern, der seine Honigproduktion massiv zurückfahren musste, weil er kein Biozertifikat bekommt: In seiner Region werden Gentech-Raps und -Mais angebaut. Neben den Schwierigkeiten, ihren Honig rein zu halten, haben die Imker aber noch ein anderes Problem: Es ist ungewiss, ob die Bienen selber durch das Sammeln von Gentech-Pollen beeinträchtigt werden – unter Bienenspezialisten wird diskutiert, ob mit Gentech-Pollen gefütterte Bienen den Orientierungssinn einbüssen.
Was heute schon klar ist: Bienen scheinen konventionellen Raps dem Gentech-Raps eindeutig vorzuziehen. Eine Forschungsarbeit hat gezeigt, dass sie gentechfreie Rapsblütenfelder häufiger befliegen als andere. Der vermehrte Spritzmitteleinsatz in Gentech-Feldern dezimiert die Vielfalt der Ackerkräuter, und es wird vermutet, dass das Nahrungsangebot für die Bienen dadurch weniger attraktiv ist.
Solche Forschungsprojekte sind allerdings die Ausnahme: Für Projekte, welche die Auswirkungen von Gentech-Kulturen auf Flora und Fauna untersuchen, wird meist kein Geld bereitgestellt. So berichtet Anicet Desrochers, dass ein Forschungsprojekt, welches hätte klären sollen, ob Bienen durch den Besuch von Gentech-Kulturen ihren Orientierungssinn verlieren, auf heftigsten Widerstand in Industriekreisen stiess.
Die Bio-Imkerei ist durch den fortschreitenden Gentech-Anbau in Kanada stark bedroht, für den Biolandbau ist das Desaster bereits eingetreten: Immer weniger kanadische Biobauern können noch garantieren, wirklich gentechfreie Ware anzubieten. Mais-Saatgut ist inzwischen in ganz Québec nicht mehr in gentechfreier Qualität erhältlich. Biobauern müssen einen erheblichen Aufwand an Zeit und Geld erbringen, allein um beweisen zu können, dass ihre Produkte nicht kontaminiert sind.
Anne-Virginie berät neben ihrer Tätigkeit auf dem Imkerhof andere Biobauern. Daher weiss sie aus erster Hand, dass mehrere von ihnen ihren Betrieb aufgeben mussten, weil die Hürde, gentechfreie Produkte garantieren zu können, einfach zu gross geworden ist. Denn viele in Genossenschaften organisierte Bauern teilen ihre Maschinen, um Kosten zu sparen. Aber gerade Erntemaschinen können Ursache für Gentech-Verunreinigungen sein, wenn sie auch von Gentech-Bauern benutzt werden.
So erwähnt Anne-Virginie das Beispiel eines Biobauern, der aus diesem Grund seine Sojaproduktion aufgeben musste. Dabei ist auch den kanadischen Gentech-Bauern klar, dass ihre Produktionsweise nicht ganz unproblematisch ist: In einer Umfrage wurden sie unter anderem gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, dass der Konsum von Gentech-Produkten zu Gesundheitsrisiken führen kann – eine Mehrheit von ihnen hat dies mit Ja beantwortet. Die Folgen bekommen alle kanadischen Bauern zu spüren: Die Exporte landwirtschaftlicher Produkte nach Europa und Asien sind rückläufig, weil Kanada den Stempel «Gentech-Land» trägt. Die Gäste schliessen deshalb ihre Berichte aus dem so idyllisch erscheinenden Québec mit einer ganz klaren Botschaft: Anicet beugt sich über das Mikrofon und sagt mit seiner zurückhaltend leisen Stimme zum Publikum: «Wenn ich Ihnen einen Ratschlag geben darf: Machen Sie in der Schweiz nicht denselben Fehler, wie wir ihn in Kanada gemacht haben.»