In seiner letzten Kolumne für das Greenpeace-Magazin setzt sich Kuno Roth mit verbrecherischen Konzernen auseinander. 

Ob Blutdiamanten, Waffen für Saudiarabien, Kohleabbau in Indonesien, Kobaltgewinnung im Kongo – manch dubioses Geschäft von Schweizer Konzernen wird damit gerechtfertigt, dass Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten blieben oder geschaffen würden: im Rohstoffhandel, in Banken, in Waffenschmieden. Und weil ja jedes Land gleich denke – als ob Länder denken würden -, müssten «wir» diese Geschäfte tätigen, sonst tue es ein anderes. Ein Totschlag-Argument. So bestechend, dass es jeder Konzern braucht, wie auch der Wirtschafts­minister: Hinter Arbeitsplätzen lassen sich die eigenen Interessen oder die der Klientel bestens verstecken.

Andrerseits und erstaunlicherweise braucht dagegen der gewöhnliche Verbrecher dieses Argument bei seiner Verteidigung nicht, obwohl er eigentlich könnte, schafft sein Tun doch Arbeitsplätze bei Polizei und Justiz. Aussergewöhnliche, d. h. versteckte und gedeckte verbrecherische Wölfe in Arbeitsplatz-Schafspelzen, wie etwa Ölkonzerne, hingegen benutzen es ungestraft zur Rechtfertigung ihrer zerstörerischen Tätigkeiten. Sie werden gedeckt, weil Öl jene dominante Wirtschaft schmiert, die Wachsdumm vor Sorgfalt und Profit vor Menschen stellt.

Und kaum werden die Eisdecken der Pole dünner, stehen die Öl-Konzerne schon Schlange auch noch Arktis und Antarktis anzubohren, um …, um noch mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Die Öl- wie auch die Kohleindustrie machen mit der in Kauf genommenen Klimaerwärmung arme Menschen im globalen Süden zu Opfern und Flüchtlingen. Seit spätestens 1982 wissen sie, dass CO2, das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht, das Klima erwärmt. Damals warnten hausinterne Wissenschaftler den damaligen Exxon-Konzern vor genau dieser Erwärmung (siehe BUND vom 17.5.19). Und doch zweifeln sie noch heute an, dass ihr Tun die Klimakrise befeuert. Entgegen gesichertem Wissen, dass diese die grösste Gefahr für die Menschheit ist. Und wir schauen zu, wie weiter nach Öl gebohrt und noch mehr Kohle abgebaut wird. Nach dem Motto: «Die Klimakatastrophe schafft Arbeitsplätze, Ihre Kohleindustrie.» Danke.

Wie viel weniger schädlicher und ehrlicher ist da im Prinzip der gemeine Kriminelle, der «nur» einzelne Menschen gefährdet, nicht aber die Menschheit. Und wie erwähnt ebenfalls Arbeitsplätze schafft – für Kriminalbeamten, die ihn verfolgen, für Richter, die ihn verurteilen, für Gefängniswärter, die ihn bewachen, für Sozialarbeitende, die ihn resozialisieren, in der Sicherheitsindustrie, die potenzielle Opfer abschirmt, in der IT-Branche, die überwacht. Trotzdem bzw. natürlich wird der Kriminelle zu Recht verfolgt. Aber aus einer reinen Arbeitsplatz-Logik heraus müsste auch das Verbrechertum gefördert werden. Ob die Opfer in der Schweiz wohnen oder nicht, sollte ja keine Rolle spielen.

Und was können gewöhnliche LeserInnen tun? Z. B. die Konzernverantwortungsinitiative unterstützen. Diese verlangt eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit: Vergiften Konzerne bzw. deren Tochterfirmen Trinkwasser oder zerstören Lebensräume, sollen sie fürs Getane geradestehen. Auch wenn das nicht auf Schweizer Boden stattfand. Denn sonst, wie heute der Fall, wird verantwortungsloses Verhalten finanziell belohnt und bedeutet eigentlich einen unsittlichen «Konkurrenzvorteil».

Also, was nun konkret tun?

  1. Selber abstimmen (nächstes Jahr).
  2. Jemanden im Umfeld überzeugen, abstimmen zu gehen.
  3. Noch jemanden überzeugen.
  4. Und ab morgen für die Initiative werben: https://konzern-initiative.ch/

PS: Ein paar aktuelle Schlagzeilen zum «Lobbying der Erdöl-Lobby»:

  • Gemäss dem InfluenceMap report «Big Oil’s Real Agenda on Climate Change» (März 2019) geben die fünf grössten, wohlgemerkt staatlichen, Ölfirmen BP, Shell, ExxonMobil, Total und Chevron pro Jahr 200 Millionen Dollar fürs Öl-Lobbying aus.
  • Greenpeace UK hat kürzlich den Hauptsitz von BP in London blockiert, weil eine Untersuchung von Unearthed gezeigt hat, wie BP die Trump Regierung erfolgreich lobbierte «to weaken regulations that would have prevented the release of millions of tonnes of (…) methane.» Zudem hatte BP die Ankündigung von Trump «to open up the Arctic National Wildlife Refuge to oil drillers» begrüsst.
  • «Ungebührliches Benehmen» warf ebenfalls die niederländische «Shell Must Fall»-Koalition bei ihrem Auftritt an der Aktionärsversammlung dem Shell-Konzern.

Kuno Roth schreibt in seinen Kolumnen manchmal unverblümt, manchmal humoristisch, manchmal gar satirisch und immer solidarisch-kritisch über das Umfeld und Randerscheinungen der Ökobewegung aus (noch) unkonventioneller Sicht, die naheliegend und überraschend zugleich ist. Er arbeitet international als Leiter des globalen Mentoring-System bei Greenpeace.