Hannes Blaser ist Aktivist bei Extinction Rebellion Schweiz. Im Interview erzählt der Berner über den Verein, wie er sich die Welt in 50 Jahren vorstellt und wie weit für ihn ziviler Ungehorsam gehen darf.

Hannes, wie bist du auf die Extinction Rebellion aufmerksam geworden?

Für mich war die Umwelt schon immer ein grosses Anliegen. Als ich vom gewaltfreien Verein gehört hatte, der zivil ungehorsame Aktionen macht und weder rechts noch links, sondern basisdemokratisch organisiert ist, dachte ich mir «Wow». Meine Partnerin und ich fanden das beide genial und wollten daraufhin auf Facebook eine Extinction Rebellion-Gruppe Schweiz gründen, die gab es jedoch schon. Also habe ich diese angeschrieben und vorgeschlagen, wir könnten doch ein Extinction Rebellion Schweiz-Treffen machen. Und so kam das ganze ins Rollen.

Hannes setzt sich seit seiner Jugend für die Umwelt ein. (Bild: zVg)

Was ist der Unterschied zu anderen Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace beispielsweise?

Der grosse Unterschied ist, dass wir keine Lösungen bieten. Wir machen reines Finger-Pointing, also auf etwas aufmerksam, informieren die Menschen und versuchen sie auf eine Thematik hinzuweisen. Das Ziel dabei ist, dass wir über einen demokratischen Weg mit dem Volk einen friedlichen Systemwechsel erreichen. Wichtig ist, dass wir dies immer gewaltfrei tun.

Wie finanziert ihr euch?

Über Spenden. Es wird für uns nie einen Lohn geben, wir machen dies aus absoluter Überzeugung. Ich habe mich so ohnmächtig gefühlt und konnte nichts für das Klima tun. Jetzt habe ich etwas gefunden, bei dem ich das Gefühl habe, das bringt wirklich etwas und dass wir vorankommen. Da brauche ich auch kein Geld.

Eure Aktionen richten sich gegen die Regierung. Weshalb?

Wir arbeiten mit dem IPCC-Bericht, der ganz klar sagt, dass die schlimmstmögliche Annahme schon heutzutage ums fünffache überschritten wurde. Es ist an der Zeit, dass die Schweizer Regierung ihre Verantwortung übernimmt und unserem Volk die Wahrheit über den Zustand des Klimas sagt. Panik muss jetzt ausbrechen, sonst passiert nichts, sonst ist es zu spät. Gleichzeitig wollen wir die Mündigkeit des Volkes stärken. Man kann nur mündig sein und Verantwortung übernehmen, wenn man die richtigen Informationen hat.

Ihr wollt also auch an die Eigenverantwortung appellieren?

Wir sagen ganz klar, dass es die «Anderen» nicht gibt. Es sind nicht die Politiker, die es für uns richten werden, wir sind es, die dies tun müssen. D.h., unsere Verantwortung gegenüber unseren Nachkommen und unserem Planeten übernehmen. Wir bei Extinction Rebellion machen etwas, anstatt einfach FB-Videos zu liken oder Stammtisch-Diskussionen zu führen. So können wir unsere Verantwortung übernehmen. Gleichzeitig fordern wir das aber auch von Politikern. Denn unsere Bundesverfassung wird mit den Füßen getreten.

Wie weit darf für dich ziviler Ungehorsam gehen?

Sehr weit. Solange es gewaltfrei ist, geht alles. Und damit meine ich alles. Denn unser System funktioniert nicht, es hat komplett versagt. Wieso sollten wir uns dann an Richtlinien dieses Systems halten?

Was gefällt dir besonders an der Extinction Rebellion?

Unsere Bewegung ist eine Bewegung der Realisten. Eine Bewegung aller derjenigen, die nicht mehr in einer Utopie leben. Das schöne daran ist, dass, auch wenn ich Auto fahre und Fleisch esse, ich hier trotzdem als Klimaaktivist angesehen werde. Wir brauchen alle, das Parteidenken ist falsch. Wir müssen merken, dass wir ein Volk sind.

Achtest du auch in deinem Alltag auf den Klimaschutz?

Ich lebe sehr simpel und werfe nicht viel weg, reise nicht mehr und werde erst wieder fliegen, wenn es eine ökologische Art gibt. Ich fahre aber noch Auto, weil ich es beruflich bedingt muss. Aber mein Auto hat aktuell 289’000 Kilometer auf dem Tacho und ich hoffe, es schafft eine halbe Million. Ich nutze alles, bis es nicht mehr geht, auch mein Handy. Es muss nicht immer alles neu sein. Damit kann man schon viel bewirken.

Was erhoffst du dir von deinem Engagement?

Dass, wenn ich mal Kinder habe, ich ihnen in die Augen schauen und sagen kann, dass ich versucht habe, etwas zu tun.

Was ist deine grösste Hoffnung für die Schweiz?

Früher war die Schweiz das grünste und innovativste Land, jetzt sind wir eines der Schlusslichter. Meine Hoffnung ist, dass wir wieder dahin zurückfinden. Dass ich wieder stolz sein kann auf die Schweiz. Denn wir könnten so viel weiter sein.

Wenn du dir dich mit 70 Jahren vorstellst, wo siehst du dich dann?

Ich bin ein absoluter Optimist, ich glaube, wir schaffen die Wende noch. Natürlich ist es nicht gut, dass wir auf Abwege gekommen sind. Jetzt müssen wir halt die Leitplanken richten und falls wir in eine Sackgasse geraten, umkehren und einen anderen Weg suchen – und nicht frontal in die Wand fahren. Mit 70 sehe ich mich deswegen in einer super technologischen Welt, in der alles nachhaltig funktioniert, in der wir Energie haben, die gratis ist und in der wir anstatt als Parasit für unseren Planeten in Symbiose mit ihm leben. Ich bin zuversichtlich, dass es so sein wird, wenn ich 70 bin.

Du würdest dich selbst aber nicht als utopisch bezeichnen?

Ich denke, es ist machbar, zumindest wissenschaftlich und technisch. Was es noch braucht, ist der Wille des Menschen. Wir haben noch einen langen und schwierigen Weg vor uns, aber wir werden nicht locker lassen.

Hier findest du die ganze Magazin-Ausgabe zum Thema Klima.