Die Zeit ist gekommen, um Plastik vom Thron der Umweltverschmutzung zu stürzen. Vom 5. bis 9. November fordern Menschen weltweit deshalb Konzerne und Grossverteiler dazu auf, endlich auf Einwegverpackungen zu verzichten. Zusammen bilden sie die «Reuse Revolution».

Die mit braunen und blauen Planen zugedeckten Boote schaukeln ruhig auf der Limmat. Über ihnen ist der Himmel mit dicken, grauen Wolken behangen und die Wetter-App des Smartphones zeigt kalte 8 Grad. Am Ufer des Flusses drehen Porsches, BMWs und Maseratis ihre Runden, während eine asiatische Touristengruppe die idyllische Szene auf Kameras festhält. Es scheint ein typischer Zürcher Herbstmorgen zu werden heute um 10:45 Uhr vor der Lidl-Schweiz-Filiale an der Fraumünsterstrasse 16. Doch nur 10 Minuten später sieht alles ganz anders aus.

Kurz vor 11 Uhr gehen 5 Personen, die zuvor unauffällig am Strassenrand standen und sich unterhielten, auf einen Hertz-Wagen zu, öffnen die Kofferraumtüren, nehmen sich eine grüne Jacke heraus und werfen diese über. Auf der Rückseite deutlich in Grossbuchstaben zu lesen: «Greenpeace». Schritt für Schritt hieven sie anschliessend neongrüne Buchstaben aus dem Auto, legen diese vor der Filiale von Lidl Schweiz auf den Boden und stellen unzählige Glasflaschen darauf. Das Kunstwerk bildet das Wort «Zukunft». Als die Gruppe dann zwei Banner mit den Worten «Einweg vermüllt» und «Stop single use» ausbreitet, dürfte allen Schaulustigen klar geworden sein, dass sie gerade Zeuge einer Aktion von Greenpeace-Freiwilligen sind.

(© Greenpeace / Ex-Press / Flurin Bertschinger)

Dürftiges Mehrweg-Angebot

Dass Einweg die Zukunft vermüllt, ist Fakt: 2018 wurden international 359 Millionen Tonnen Plastik produziert, meldet der Branchenverband PlasticsEurope. Laut einer WWF-Studie nimmt der Mensch pro Woche durchschnittlich 5 Gramm Mikroplastik über seine Nahrung auf, was etwa einer Kreditkarte entspricht. Und die Herstellung und Entsorgung des Kunststoffs haben letztes Jahr laut Greenpeace-Report 850 Millionen Tonnen CO2 verursacht. Schweizer Konsumgüterfirmen und Grossverteiler wie Nestlé, Coop und Migros sind sich der Verschmutzung durch Einwegverpackungen zwar bewusst, reagieren darauf aber mit Scheinlösungen wie Bioplastik, Papier und Karton oder Recycling, die die Natur alles andere als entlasten.

Dabei wäre die Lösung des Plastikproblems eigentlich so simpel: sie heisst Mehrweg. Ein am 6. November veröffentlichter Bericht von Greenpeace Schweiz zeigt, dass 95 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer bereit sind, beim Einkaufen Mehrwegbehälter zu benutzen – und würden diese vor allem bei Gemüse und Früchten, Nüssen und Müesli und Getränken bevorzugen. Das Problem: Die Schweizer Detailhändler kommen der stetig wachsenden Nachfrage nicht nach. Mehrwegsysteme sind bei Migros, Coop, Volg, Aldi und Lidl wenig zu finden. Vor allem die letzten beiden bieten Kunden praktisch gar keine Möglichkeiten an, ohne Plastik den Laden zu verlassen.

Auch vor der Aldi-Suisse-Filiale an der Zollstrasse in Zürich sind die Greenpeace-Freiwilligen anzutreffen. (© Greenpeace / Ex-Press / Miriam Künzli)

Damit Aldi Suisse und Lidl Schweiz endlich auch den Ausbau bewährter Modelle wie Mehrwegflaschen sowie die Entwicklung innovativer Nachfüllsysteme in Angriff nehmen, haben sich die Greenpeace-Freiwilligen mit einer Zukunftsskulptur und Botschaften vor je einer Filiale der beiden Discountunternehmen in Zürich positioniert. Die Mehrheit der Einkaufenden findet es gut, ein Passant zeigt den Daumen nach oben, ein anderer applaudiert sogar. «Man muss etwas tun, damit die Menschheit zur Einsicht kommt», meint auch ein älterer Herr, der gerade mit einem Sack voll von in Plastik verpackten Produkten Lidl verlässt. «Wir können nicht weiter machen wie bisher, es gibt schon zu viel Abfall auf der Welt.»

Talkin› Bout A Revolution

Die Schweizer Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten stehen mit ihrer Forderung nicht alleine da. Weltweit findet vom 5. bis 9. November eine Aktionswoche statt, die vor allem ein Ziel hat: die Plastikkrise zu bewältigen. Aus diesem Grund rief Greenpeace International am 6. November zum «Global Refill Day» auf. Menschen aus aller Welt wurden dazu aufgefordert, ihr Essen an diesem Tag in Mehrwegbehältern zu holen, um dem Plastikverschleiss zumindest an einem Tag bedeutend Einhalt zu gebieten – und Teil der «Reuse Revolution» zu werden.

Die Mehrweg-Revolution kann dabei auch auf prominente Unterstützung zählen: Die Schauspielerinnen Bonnie Wright (spielt Ginny Weasley in der Harry-Potter-Reihe) und Shailene Woodley («Das Schicksal ist ein mieser Verräter») outen sich in einem Video öffentlich als Mehrweg-Fan. Letztere ging sogar im August persönlich an Bord des Greenpeace-Schiffs Esperanza, um mit der Umweltorganisation und einem Forschungsteam die Auswirkungen von Plastik und Mikroplastik auf die Meereslebewesen zu untersuchen. «Ich werde in Zukunft bewusster sein im Umgang mit Einwegprodukten», schreibt die US-Amerikanerin im Anschluss an ihre Reise, «und jeden Supermarkt in meiner Heimatstadt dazu bringen, Produkte zu beschaffen, die nicht auf Kunststoff basieren.»

People around the world joining the Reuse Revolution

Menschen auf der ganzen Welt sind bereit für #ReuseRevolution 💚💪 Bist du es auch? —> https://act.gp/32ol6wb #BreakFreeFromPlastic

Posted by Greenpeace Switzerland on Thursday, November 7, 2019

Ob berühmt oder nicht: Jeder einzelne Mensch kann Teil der «Reuse Revolution» werden und Konzerne und Grossverteiler davon überzeugen, zukünftig auf Mehrwegsysteme zu setzen. Denn wenn die grossen Revolutionen der Geschichte der Menschheit uns etwas gezeigt haben, dann nämlich das: Sie bewirken etwas.

Werde auch du Teil der Mehrweg-Revolution und unterzeichne hier die Petition.