Wälder bedecken etwa 40% der Landfläche Europas und sorgen für grüne und üppige Landschaften. Doch wenn man sich die Statistiken genauer ansieht, zeigt sich eine eher düstere Realität über ihren Zustand. Hier sind fünf Fakten über den aktuellen Zustand europäischer Wälder, die du wahrscheinlich nicht kanntest.

1. Die Vielfalt ist bedroht

Beunruhigende 75% der europäischen Wälder zeigen ein besorgniserregendes Muster: Sie bestehen aus Bäumen desselben Alters. Darüber hinaus besteht fast ein Drittel der Wälder in der EU aus nur einer Baumart: Nadelbäumen. Diese Uniformität aufgrund der intensiven industriellen Waldbewirtschaftung stellt eine ernsthafte Bedrohung für die natürliche Vielfalt dieser Ökosysteme dar.

2. Wir verlieren die einheimischen und höchsten Bäume

Mehr als die Hälfte der endemischen Bäume in Europa (Bäume, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt wie die Rosskastanie, die Europäische Esche und der Sorbus) sind vom Aussterben bedroht. Gleichzeitig verlieren wir die höchsten Wälder Europas. Stark bewirtschaftete Wälder mit wenigen, meist schnell wachsenden Baumarten und gleichmässig alten Bäumen treten an die Stelle der vielfältigen und ökologisch wertvollen Naturwälder, die einst auf dem Kontinent gediehen. Diese Entwicklung beeinträchtigt die lokale Artenvielfalt stark.

Ein Waldgebiet in Südfinnland, das 2018 von UPM, einem finnischen Forstindustrieunternehmen, abgeholzt und später verbrannt wurde. Jedes Jahr werden Tausende von Quadratkilometern Wald fragmentiert, degradiert oder zerstört. Die Abholzungsraten in Finnland steigen, da neue Zellstofffabriken gebaut werden.
© Jani Sipilä / Greenpeace

3. Die Wälder werden immer anfälliger 

Die industrielle Forstwirtschaft hat die Komplexität der europäischen Wälder erheblich geschädigt und die Vielfalt von Pflanzen und Tieren beeinträchtigt. Dieser Mangel an Vielfalt schwächt die Widerstandsfähigkeit der Wälder und führt dazu, dass über 60% der Bäume durch Brände, Schädlinge und Stürme bedroht sind. Die Sterblichkeitsrate der Baumkronen hat sich seit Ende des 20. Jahrhunderts verdoppelt. Wälder mit einer Vielzahl von Baumarten, Altersgruppen und Wachstumsstadien sind widerstandsfähiger gegen die Klimakrise, speichern mehr Kohlenstoff und liefern Ressourcen wie Holz. Darüber hinaus spielen diese vielfältigen Wälder eine wichtige Rolle bei der Reinigung der Luft, der Filterung von Wasser, der Eindämmung von Überschwemmungen, der Verhinderung von Erosion und der Erhaltung der Artenvielfalt.

Der Harz (Mittelgebirge in Deutschland) zeichnet sich durch Fichten, Buchen und Mischwälder aus. Fichten wachsen im Harz häufig in Monokulturen und aufgrund der Dürre leiden sie oft unter Trockenstress. Sie haben keine Abwehrkräfte mehr und der Borkenkäfer hat ein leichtes Spiel und befällt die Fichten in Massen. Diese sterben in grosser Zahl ab. Die Buche soll diese Flächen wieder besiedeln und naturnahe Wälder sollen entstehen.
© Kevin McElvaney / Greenpeace

4. Wir haben bereits 97% der alten Wälder in Europa verloren

Alte Wälder und andere Wälder mit hohem Naturwert sind reiche Ökosysteme. Diese Wälder spielen eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung des Wohlergehens unseres Planeten und dienen als Schutzwall gegen die Folgen der Klima- und Naturkrise. Leider sind Primär- und Altwälder in Europa nur begrenzt vorhanden. Sie existieren nur in fragmentierten Gebieten und machen weniger als 3% der gesamten Waldfläche in der EU aus.

Der Białowieża-Urwald ist ein Naturschutzgebiet auf beiden Seiten der Grenze zwischen Belarus und Polen. Er ist einer der letzten verbliebenen Teile des riesigen Urwalds, der sich einst über die europäische Tiefebene erstreckte.
© Greenpeace

5. Die biologische Vielfalt in Europa nimmt ab

Anstatt ein lebendiger Ort für die biologische Vielfalt zu sein, hat die nicht nachhaltige, aber immer noch weit verbreitete industrielle Forstwirtschaft unsere Wälder in Lebensräume verwandelt, in denen viele Arten nicht mehr leben können. Nach Angaben von Birdlife International sind die Bestände von mehr als einem Viertel aller Vogelarten, die in Wäldern leben, rückläufig. Der europäische Nerz und die bayerische Wühlmaus sind beide vom Aussterben bedroht – nur einen Schritt vom Aussterben entfernt – und viele weitere sind gefährdet oder bedroht.

Abholzung, Kahlschlag und die Entfernung von Habitatbäumen, Totholz und Baumstümpfen haben negative Auswirkungen auf vom Wald abhängige Arten wie Insekten, Säugetiere, Pflanzen und Brutvögel.

Der derzeitige Zustand der Wälder in Europa erfordert dringendes und entschlossenes Handeln. Gierige Konzerne, die von Banken mit Milliardenbeträgen unterstützt werden, beuten die Natur in Europa und weltweit aus und zerstören sie. Es ist an der Zeit, den Profiteuren, die unser Wohlergehen und unsere Artenvielfalt gefährden, entgegenzutreten. Die europäischen Entscheidungsträger:innen müssen ihre Verantwortung für den Schutz und die Wiederherstellung der Wälder in Europa ernst nehmen.

Unsere Forderungen

  • Schutz von 30% der Meeres- und Landgebiete der EU
  • Eine wirksame Umsetzung ist der Schlüssel zum Erfolg: Um sicherzustellen, dass Ökosysteme vor Aktivitäten wie industrieller Land- und Forstwirtschaft geschützt werden, ist eine wirksame Umsetzung erforderlich, damit die Natur gedeihen kann.
  • Manchmal sind Eingriffe erforderlich, um natürliche Prozesse zu fördern; Schutzgebiete können ein aktives Management beinhalten, um natürliche Prozesse wie die Verhütung von Waldbränden oder die Wiederherstellung zu fördern.
  • Wir brauchen ungestörte Gebiete: Mindestens ein Drittel der Gebiete mit grosser biologischer Vielfalt und hohem Kohlenstoffgehalt sollte streng geschützt und vom Menschen unberührt bleiben. 
  • Wiederherstellung von 20% der Meeres- und Landflächen der EU: Wir müssen nicht nur unsere wertvollsten Ökosysteme schützen, sondern auch die Natur dort wiederherstellen, wo sie geschädigt worden ist.
  • Umlenkung schädlicher Subventionen und privater Finanzierungen zugunsten der Wiederherstellung der Natur und der Widerstandsfähigkeit sowie eines gerechten Übergangs für die betroffenen Gemeinschaften, deren Einkommen durch diese Massnahmen beeinträchtigt wird.
  • Umstellung der Forstwirtschaft auf eine naturnahe Bewirtschaftung der Wälder und sofortiger Stopp der Ausbeutung alter Wälder.
  • Drastische Reduzierung der Produktion und des Verbrauchs von Holz zur Energiegewinnung und von kurzlebigen Produkten und stattdessen Förderung der Verwendung von langlebigen Produkten.
  • Verzicht auf falsche Lösungen wie Kohlenstoffausgleiche, Zertifizierungssysteme oder grosse Baumfarmen in Monokultur.