Heute habe ich eine Tonne Thunfisch gesehen. Buchstäblich. Ich war Zeugin, wie jeder einzelne Fisch an Deck des Pole&Line-Fischerbootes landete. Es war ein relativ kleiner Fang: 1.3 Tonnen echter Bonito (ein guter Tag beginnt bei rund 5 Tonnen). Wenn man aber live mit an Bord dabei ist, kommt einem auch dieser verhältnismässig kleine Fang, der einem quasi um die Ohren fliegt, nach nicht gerade wenig vor. Insbesondere dann, wenn man – so wie ich – lange keinen Thunfisch mehr aus der Nähe gesehen hat.

Ich habe seit nun mehr knapp 3 Jahren keinen Thunfisch mehr gegessen. Nicht etwa, weil ich Thunfisch nicht mag – ganz im Gegenteil: Ich liebe Thunfisch – sondern weil die Thunfischbestände rund um die Weltmeere entweder bereits überfischt oder auf dem Weg zur Überfischung sind.

Und auch Thunfischarten und -bestände, die als stabil gelten, werden in der Regel mit Fangmethoden gefischt, die für eine Vielzahl anderer mariner Lebewesen verheerend sind.

So wird der Grossteil des echten Bonitos, die Art Thunfisch, die meist in Thunfischdosen landet, mit Ringwadennetzen unter dem Einsatz von Fischsammlern (FADs) oder mit Langleinen gefangen. Die Menge an Beifang, die mit diesen Fangmethoden einhergeht, beinhaltet oft nicht anvisierte Fischarten, Haie und Schildkröten. Aber auch Jungfische der anvisierten Thunfischart werden mitgefangen, was die Bestände enorm gefährdet.

Doch es gibt auch eine andere Methode Thunfisch zu fangen: Eine nachhaltige Methode.

Köder, der für den Fang von Thunfisch verwendet wird mit Pole&Line
© Paul Hilton / Greenpeace

Fangen wir von vorne an:

Die Rainbow Warrior ist eben erst nach einer Überfahrt von Mauritius quer durch den Indischen Ozean in den Malediven angekommen, um hier die nachhaltigste Fangmethode der Welt für Thunfisch zu dokumentieren: Pole & Line (dt. Angelrute & Leine). Eine traditionelle Fangmethode, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und sich im Laufe der Zeit nicht verändert hat. Nur Angelrute und lebender Köderfisch kommen zum Einsatz.

Es ist noch vor Sonnenaufgang als wir von dem Dhoni, einem traditionellen maledivischen Fischerboot, abgeholt werden. Das Wetter ist alles andere als paradiesisch und das Meer wird immer unruhiger, je weiter wir hinaus fahren. Die Dhonis sind aus Fiberglas gebaut – flach und breit – mit einem integrierten Wassertank in der Mitte, in dem die Lebendköder transportiert werden. Das Wasser in dem Becken gibt dem Dhoni einen unangenehmen Drall, so dass es wie ein Hula-Hoop Reifen auf dem Indischen Ozean hin und her schwankt.

Einige Seemeilen weiter draussen auf dem offenen Meer erreichen wir den festverankerten Fischsammler (FAD). Viele Pole&Line-Fischer benutzen diese Art der Fischmagneten um die Thunfischschulen anzulocken. Immer dann, wenn Fischsammler zur Effizienzsteigerung eingesetzt werden ist es unabdingbar, dass genaue Kontrollmechanismen greifen, um sicher zu stellen, dass keine oder wenige nicht-anvisierte Fischarten, insbesondere Jungfische anderer Thunfischarten, mitgefangen werden.

Die Merkmale, dass Thunfischschwärme ganz Nahe sind, sind unverkennbar. Seevögel kreisen über dem Gebiet, die dunklen Rücken von Delfinen sind in der Ferne zu sehen und ein paar andere Fischerboote sind schon vor Ort und holen ihre Angelruten ein.

Unser Boot wird langsamer und die Fischer versammeln sich im Heck des Schiffes. Zwei Männer aus der Crew beginnen die Lebendköder in grossen Mengen ins Meer zu werfen und kreieren so einen Fressrausch. Einmal im Fressrausch beginnen die hungrigen Thunfische nach allem zu schnappen, was sich im Wasser bewegt. Auch nach den Haken der Angelruten. Auf diese Weise kann der Thunfisch einzeln, Tier um Tier, gefischt werden, solange der Fressrausch andauert.

Der Kapitän des Schiffes verändert die Position des Dhonis mehrere Male. Und jedes mal wenn die Fischer ihre Angeln erneut ins Meer halten, beissen mehr Thunfische.

Die Crew könnte stundenlang so weiterfischen und dabei mehrere Tonnen Thunfisch fangen und dennoch den ganzen Thunfischschwarms um nicht mehr als 10 Prozent dezimieren: Nachhaltigkeit als Tradition.

Der Fang des Tages: Echter Bonito
© Paul Hilton / Greenpeace

Denn es gibt vieles zu schützen: Fischfang macht 6 bis 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts der  Malediven aus. High-Tech-Methoden, die die Bestände der Thunfische drastisch dezimieren würden, wurden hier – in einem Umkreis von 200 Meilen – rund um die Wirtschaftszone der Atolle, nie erlaubt. Tradition und Ressourcen werden auf diese Weise geschützt.

Und das nicht ohne Grund: Thunfisch ist extrem wichtig für die Bevölkerung der Malediven und wird zu jeder Mahlzeit konsumiert. Gesalzen, getrocknet oder als Curry. Für die Bevölkerung ist es die einzige Quelle an tierischem Protein und gemeinsam mit Kokosnuss eine der wenigen Nahrungsmittel, die das Land selbst produziert.

Indem Konsumenten weltweit mit Pole&Line gefangenen Thunfisch – zum Beispiel aus den Malediven – kaufen, unterstützen sie eine der nachhaltigsten und schonendsten Fangmethoden der Welt. Verlangen Konsumenten ausserdem von Herstellern und Supermärkten, dass sie keinen Thunfisch mehr aus Quellen, die zerstörerische Fischsammler einsetzen, anbieten, können sie darüber hinaus den Wandel in der Thunfischindustrie positiv beeinflussen.

Unser Tag endet nach über 12 langen Arbeitsstunden. Der Fang den die Fischer heute nach Hause bringen ist vielleicht nicht der grösste der Branche –  ganz sicher aber der fairste.

Der Fang eines Echten Bonitos in den Malediven durch Pole&Line
© Paul Hilton / Greenpeace