Der Krieg in der Ukraine beschleunigt den Preisanstieg für Nahrungsmittel und andere Rohstoffe. Die Schweiz reagiert darauf, indem sie die Einfuhrzölle für Futtermittel senkt. Das ist ungerecht gegenüber Ländern, die sich solche Massnahmen nicht leisten können. Mit einer standortangepassten Landwirtschaft, die nicht von Futtermittelimporten abhängig ist, kann und muss die Schweiz diese Ungerechtigkeit bekämpfen.

Russland und die Ukraine gehören zu den fünf grössten Getreideexporteuren weltweit. Nebst Weizen, Mais und anderen Getreiden produzieren und exportieren sie grosse Mengen an Hülsenfrüchten wie Soja und Sonnenblumenöl. Ein grosser Teil davon liefern sie in Länder in Zentralasien und Afrika. Aber auch die Schweiz importiert Getreide und Sojaerzeugnisse. 

Bereits seit einiger Zeit führen Lieferkettenschwierigkeiten, extreme Wetterereignisse, ausgelöst durch die Klimakrise, steigende Energiepreise und die Corona-Pandemie dazu, dass die Preise für Nahrungsmittel steigen. Der Krieg in der Ukraine bringt nun weitere Ernteeinbussen und Handelsschwierigkeiten: Kriegszerstörungen, fehlende Arbeitskräfte und unterbrochene Handelsrouten. Auch der neue IPCC-Bericht zeigt, dass die Nachfrage nach verfügbaren Ressourcen aufgrund der Klimakrise weiter unter Druck geraten wird. Kurz gesagt: Die Preise für Nahrungsmittel werden weiter steigen.

Schweiz senkt die Einfuhrzölle auf Futtergetreide

Als Reaktion auf die steigenden Rohstoffpreise hat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) per 15. März 2022 die Einfuhrzölle für Futtergetreide gesenkt, um die Erhöhung der Kosten für die Futtermittelimporte möglichst gering zu halten. Während die Schweiz die global höherer Preise durch die Kostensenkung bei der Einfuhr ausgleichen kann, können weniger reiche Länder in Zentralasien und Afrika die Preisschwankungen weniger gut ausgleichen. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass essentielle Grundnahrungsmittel nur noch für Menschen mit genügend Geld bezahlbar sein werden! Wer nicht genügend Geld hat oder unterstützt wird, hungert. 

Diese Ungleichheit zeigt: Wir müssen uns international solidarisch verhalten. So, wie dies die Länder des globalen Südens, zum Beispiel an der COP26 in Glasgow, auch im Zusammenhang mit der Klimakrise fordern. 

460’000 Tonnen Getreide als Futtermittel importiert

Die Massnahme des WBF verdeutlicht, wie stark die Schweizer Landwirtschaft von Futtermittelimporten abhängig ist und das die Politik bereit ist, zu Gunsten inländischer Interessen Einfuhrkosten zu reduzieren, um den Status Quo der Produktion tierischer Nahrungsmittel zu erhalten. Nur dank ihrer privilegierten Situation kann es sich die Schweiz leisten, Preisschwankungen mit reduzierten Einfuhrkosten auszugleichen. Denn die Abhängigkeit von Importen ist beachtlich: 2020 importierte die Schweiz über 460’000 Tonnen Getreide als Futtermittel – zum Vergleich: Für den menschlichen Verzehr wurden nur rund 245’000 Tonnen Getreide importiert (Quelle: Swiss granum)

Nebst Getreideprodukten importiert die Schweiz auch anderes Kraftfutter, ein beträchtlicher Teil davon beispielsweise als Soja in Form von Ölkuchen und Schrot. In 2021 kamen 41’000 Tonnen dieses Sojaschrots aus Russland, das sind 16,4 Prozent aller Sojaschrot-Importe (Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft BLW). 2018 stammten mehr als 20 Prozent der Sojaölkuchen, bzw. über alle Ölkuchen und -saaten über 18 Prozent der Ölsaaten für Futtermittel ebenfalls aus Russland.

Doch warum müssen wir Getreide importieren? Da wir in der Schweiz rund die Hälfte der Ackerflächen für die Futtermittelproduktion brauchen, sind wir auch auf Getreideimporte für den direkten menschlichen Verzehr angewiesen u.a. auch  aus der Ukraine. Konkret importierten wir 2021 für den menschlichen Verzehr 2’459 Tonnen Weichweizen, knapp 66 Tonnen Roggen, rund 109 Tonnen Gerste und ca. 197 Tonnen Hafer aus der Ukraine (Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft BLW).

Auf den inländischen Flächen könnten wir aber mehr Nahrungsmittel für die direkte menschliche Ernährung anbauen und die inländische Resilienz des Ernährungssystems verbessern. 

Versorgung mit Grundnahrungsmitteln im globalen Süden bedroht 

Während sich die drohende Rohstoffknappheit als Folge des Krieges in der Ukraine bei uns insbesondere auf die Verfügbarkeit von Futtermitteln auswirkt, sind die Getreideexporte aus der Ukraine und Russland in Zentralasien und Afrika vielerorts wichtig für die Versorgung der Bevölkerung. Die Ukraine exportierte im Jahr 2020 landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 2,9 Milliarden US-Dollar auf den afrikanischen Kontinent. Etwa 48 Prozent davon waren Weizen, 31 Prozent  Mais und der Rest Sonnenblumenöl, Gerste und Sojabohnen. Aus Russlandimportierten die afrikanischen Länder im Jahr 2020 landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 4 Milliarden US-Dollar. Davon entfielen etwa 90 Prozent  auf Weizen und 6 Prozent  auf Sonnenblumenöl (Quelle: The Conversation). In einigen Ländern wie Ägypten könnten steigende Getreidepreise – und der damit drohende Hunger – die politische Stabilität beeinflussen.  

Wir verfüttern in der Schweiz Weizen, Hafer, Soja und ähnliches an unsere Nutztiere, um sie nachher zu essen, während anderswo Leute hungern, weil sich sich genau diese Nahrungsmittel nicht mehr leisten können. Was bereits geschieht, verschärft sich mit dem Krieg in der Ukraine – und zukünftig aufgrund der Klimakrise. Die Initiative gegen Massentierhaltung, welche auch die Standards für Importprodukte festlegt, könnte einen wichtigen Schritt zu einem besseren Umgang mit den verfügbaren Ressourcen ermöglichen. Lösen wir uns endlich aus der Abhängigkeit von Futtermittelimporten und den damit verbundenen Umweltzerstörungen – zugunsten einer standortangepassten, fairen und zukunftsgerichteten Landwirtschaft und mehr globaler Gerechtigkeit.