Nach fast 20 Jahren haben sich die Vereinten Nationen auf ein internationales Abkommen zum Schutz der Meere geeinigt. Die lange Arbeit von Greenpeace und anderen Umweltorganisationen hat sich gelohnt. Jetzt geht es an die Umsetzung.

«Ich habe heute immer wieder ein paar Tränen verdrückt. Was für eine Reise! Höhen und viele Tiefen.» Iris Menn, Meeresbiologin und Geschäftsleiterin von Greenpeace, blickt – bewegt, aber auch erfreut – auf fast 20 Jahre Kampagnenarbeit zum Meeresschutz zurück: «Greenpeace ist immer drangeblieben, von der ersten Idee bis zur finalen Verabschiedung. Ohne unser Durchhaltevermögen, unsere Fachexpertise und unsere globale Stärke als Organisation wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.»

Ein Erfolg für Mensch und Natur

«The ship has reached the shore». Das waren die Worte von Rena Lee, Präsidentin der fünften Verhandlungsrunde der Uno zu einem globalen Meeresschutzabkommen, als sie in den Abendstunden des 4. März in New York die Einigung für den «UN High Seas Treaty» verkündete.

Das Abkommen ist ein historischer Erfolg für den Meeresschutz. Es ist ein Erfolg für Greenpeace, für viele andere Umwelt- und Meeresschutzorganisationen und für alle Unterstützer:innen, ob auf der Strasse, mit einer Spende oder dem Unterzeichnen einer Meeresschutz-Petition. Und: Es ein Erfolg für Mensch und Natur und für das Brückenbauen zwischen Nationen mit unterschiedlichen Interessen.

Das Abkommen regelt erstmalig den Schutz und die Nutzung auf der sogenannten Hohen See (siehe Kasten). Die Hohe See umfasst 2/3 unserer Ozeane und ist unser aller Gemeingut («global commons»). Bisher gab es dort einen grossen rechtsfreien Raum. Die wenigen Regeln waren lückenhaft und auf die Nutzung der Meere ausgerichtet. Nun wird das langersehnte Ziel möglich, 30 Prozent der Meere bis 2030 über ein globales Netzwerk von Meeresschutzgebieten zu schützen.

Die einzelnen Staaten werden den Vertragstext nun juristisch überprüfen und ihn danach ratifizieren. Erst dann werden alle Vertragsdetails öffentlich bekannt.

Bereits jetzt ist klar: «Schutzgebiete» können grundsätzlich eingerichtet werden. Jetzt geht es darum, Einigung zu erzielen, wo und wie diese Schutzgebiete entstehen sollen. Im Abkommen wurde festgelegt, dass kein Staat ein Vetorecht gegen die Einrichtung erhält, es wurde eine Mehrheitsreglung ausgehandelt. Diese Regelung ist wichtig, da die in der Vergangenheit immer wieder von Einzelstaaten gezeigte Blockadehaltung nicht mehr möglich sein wird.

Noch bleiben Fragen offen

Ein schwieriges Thema bleibt die Aufteilung möglicher Gewinne durch genetische Ressourcen aus internationalen Gewässern, die für die Pharma-, Chemie- und Kosmetikindustrie von Interesse sind. Nur reiche Nationen oder große Unternehmen können sich die Erforschung und Gewinnung solcher Ressourcen leisten. Ärmere Länder wollen aber an den möglichen Einnahmen angemessen und gerecht beteiligt werden. 

Ein anderes, ungelöstes Problem ist der Tiefseebergbau. 2023 ist ein Schlüsseljahr für die Zukunft von fast der Hälfte des Planeten: Die Tiefsee, völkerrechtlich als Gemeingut («global commons») anerkannt, ist massiv bedroht. Regierungen und die Rohstoffindustrie planen in einer Tiefe von 4000 bis 6000 Metern unter der Meeresoberfläche mit gigantischen Maschinen den Abbau von Metallen wie Nickel, Cobalt, Zink und Mangan. Die Industrie setzt Regierungen unter Druck und die Internationale Meeresbodenbehörde ISA hat angekündigt, im kommenden Juli über die Vergabe der ersten Abbaulizenzen zu entscheiden.

Der Rettungsplan für die Meere ist dringend notwendig

Die Weltmeere machen 73 Prozent des Planeten aus. Sie produzieren Sauerstoff, bieten Lebensräume und Nahrung und regulieren das Klima. Ausbeutung und die Klimakrise haben sie massiv verändert, weshalb es dringend einen verbindlichen globalen Rettungsplan braucht. Das weltweite Abkommen soll ähnlich wie der Pariser Klimaschutzvertrag für alle Staaten gelten, um die Klimakrise einzudämmen und Ökosysteme sowie die Biodiversität unter Wasser zu schützen.

Das Meeresschutzabkommen ist entscheidend für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Meere, die ausserhalb der nationalen Gerichtsbarkeit liegen (BBNJ). Rechtlich gesehen hat auf einen grossen Teil der Weltmeere niemand Anspruch – nur im küstennahen Teil des Meeres, das heisst, bis zu 370 Kilometer vom Land entfernt, hat der angrenzende Staat gewisse Hoheitsrechte. Hinter dieser sogenannten «Ausschliesslichen Wirtschaftszone» beginnt die Hohe See. Sie umfasst zwei Drittel der gesamten Ozeane und gehört niemandem – und damit letztlich allen.

Das ist ein Problem, aber auch eine Verpflichtung. Wenn in Hochseegebieten, dem grössten und tiefsten Lebensraum der Erde, die Industrie nicht ungehindert Lebewesen und Bodenschätze ausbeuten soll, braucht es viele Schutzzonen fernab der Küsten. Bislang ist lediglich ein Hundertstel der Hohen See auf diese Weise geschützt. Der am 4. März von der Uno in New York verabschiedete Ozeanvertrag soll das ändern.