Greenpeace begrüsst die für morgen geplante Stilllegung des letzten Reaktorblockes des Atomkraftwerkes Tschernobyl. «Vierzehn Jahre nach der grössten Katastrophe der zivilen Atomnutzung wird die tickende Zeitbombe Tschernobyl endlich entschärft», sagt Veit Bürger, Greenpeace-Energieexperte. «Aber trotz des Desasters von Tschernobyl setzen viele Staaten noch immer auf die Atomenergie. Die Abschaltung des Unglücksreaktors sollte aller Welt klar machen: Atomenergie ist nie vollständig sicher, sie ist und bleibt ein Verbrechen an der Umwelt und sie ist ersetzbar.»

Hamburg. Freude und Erleichterung über die Abschaltung von Tschernobyl werden dadurch getrübt, dass sich die westlichen Staaten die Stilllegung mit Krediten in Höhe von rund 2,5 Milliarden Mark für zwei neue Atomkraftwerke in der Ukraine teuer erkauft haben. Veit Bürger: «Anstatt die richtigen Lehren aus der Reaktorkatastrophe zu ziehen und in sichere und umweltfreundliche Energietechnik zu investieren, baut der Westen in der Ukraine neue potenzielle Tschernobyls auf.» Die als Ersatz für Tschernobyl geplanten Reaktoren sowjetischer Bauart weisen zahlreiche Sicherheitsdefizite auf.Bis die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Tschernobyl-Katastrophe bewältigt sind, werden noch Jahre vergehen. Das Unglück von 1986 hat vermutlich Zehntausende Tote gefordert. Wegen der langen Latenzzeiten vor allem bei Krebserkrankungen erwarten Wissenschaftler die meisten Opfer erst ist in den nächsten Jahrzehnten. Neben der Ukraine und Russland ist vor allem Weissrussland betroffen. Im weissrussischen Bezirk Gomel werden von rund 141.000 Kindern, die zur Zeit des Unfalles unter vier Jahren alt waren, etwa 51.200 an strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs erkranken. Allein in Weissrussland wird der finanzielle Gesamtschaden der Katastrophe auf rund 235 Millliarden US-Dollar geschätzt.In Osteuropa sind heute noch rund 13 Reaktoren vom Typ Tschernobyl in Betrieb. Zahlreiche Nuklearexperten weisen darauf hin, dass diese Reaktoren nicht auf westliches Sicherheitsniveau nachgerüstet werden können. Weltweit sind über 430 Atomreaktoren in Betrieb und rund 35 in Bau. Veit Bürger: «Wer sich heute in Sicherheit wiegt und glaubt, ein Unglück wie Tschernobyl könne sich nur in wirtschaftlich schwachen Ländern ereignen, irrt gewaltig. Atomunglücke wie im japanischen Tokaimura ebenso wie die zahllosen Pannen auch in deutschen Atomkraftwerken beweisen, dass die absolute Sicherheit der Atomenergie ein Märchen der Betreiberfirmen ist.