Der Nationalrat hat als Zweitrat der Totalrevision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes, wie sie vom Bundesrat vorgeschlagen wird, zugestimmt. Somit soll nun die obligatorische Versicherungsdeckung für Atomenergieanlagen völlig unzureichend auf bloss 1.8 Milliarden Franken erhöht werden. Dieser Entscheid des Nationalrates ist verantwortungslos und bürdet dem Bund und den Steuerzahlenden eine grosse Last auf.

Mit seinem Entscheid hat es der Nationalrat verpasst, einen Schritt in Richtung Kostenwahrheit bei der Produktion von Atomstrom zu machen. Damit politisiert die Volkskammer am Volk vorbei, das grossmehrheitlich eine deutlich höhere Atomrisikodeckung will, wie die von Greenpeace im Februar durchgeführte Volksbefragung ergab, die von über 1000 Leute beantwortet und als Petition eingereicht wurde.

Angesichts der potentiellen Schadenssumme von rund 4’300 Milliarden Franken ist die Höhe der Versicherungsdeckung für AKW von 1.8 Milliarden Franken ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Atomindustrie muss so nur für einen Bruchteil des von ihr potentiell verursachten Schadens aufkommen. Für den Rest haften der Bund und die Steuerzahlenden. Diese indirekte staatliche AKW-Förderung ist eine Zumutung.

Eine derart weitgehende faktische Subventionierung der hochriskanten Atomenergie benachteiligt die risikolosen erneuerbaren Energien im Wettbewerb für eine sichere Stromversorgung und ist mit einer freien Marktwirtschaft unvereinbar. Für Greenpeace ist diese Wettbewerbsverzerrung unannehmbar.

Es ist juristisch inkonsequent und politisch irreführend, wenn im Gesetz zwar steht, dass der verursachende Atomkraftwerkbetreiber unbegrenzt haftet, der Nationalrat es aber unterlässt, dafür zu sorgen, dass die Atomkraftwerkbetreiber den ganzen Schaden auch tatsächlich decken können. De facto ist die Haftung nämlich auf die Zahlungsfähigkeit des Betreibers beschränkt. Das bedeutet, dass sich die Energieunternehmen mit der Bildung von Betriebsgesellschaften aus der unbegrenzten Haftung davon stehlen können.

Diese Sonderbehandlung der Atomrisiken entspricht nicht der Logik des Versicherungswesens und steht in scharfem Kontrast zu Gesetzesregelungen in anderen Risiko-Bereichen wie etwa der Motorfahrzeug-Haftpflicht. So muss beispielsweise jeder Autobesitzer das Unfallrisiko im Strassenverkehr obligatorisch mit einer Haftpflichtdeckung von mindestens 5 Millionen Franken absichern. Bei einer 1.8 Milliarden hohen Deckung würde ein Atomkraftwerksunfall mit 360 Automobilunfällen gleich gesetzt.

Kontakt:

Leo Scherer Atomkampagne Greenpeace    078 720 48 36