Der Trend, auf lokal produzierte Lebensmittel zu setzen, hat sich in den letzten drei Jahrzehnten im Schweizer Detailhandel durchgesetzt. Der CO2-Ausstoss beim Transport und die wiederkehrenden Skandale in der Fleischproduktion motivieren Konsumentinnen und Konsumenten, vermehrt einheimische Produkte zu kaufen. Proviande, die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, erhält denn auch Subventionsgelder zur Absatzförderung von «Schweizer Fleisch». Im vergangenen Jahr verschlang diese Werbekampagne 6 Millionen Schweizer Franken. Aber was bekommen Konsumentinnen und Konsument eigentlich, wenn sie sich für Schweizer Fleisch entscheiden? 

Es ist nicht einfach, sich zwischen den vielen Fleischlabels zurechtzufinden. In der Schweiz gibt es knapp 150 davon, mit sehr unterschiedlichen Auflagen. Um da etwas Ordnung zu schaffen, wurde 2004 die Marke «Suisse Garantie» geschaffen. Diese Bezeichnung ist kein Label an sich, sondern ein «Garantiemarke». Die Marke gehört also nicht einem bestimmten Unternehmen, sondern kann von allen Herstellern verwendet werden, «sofern sie die Bedingungen der vorhandenen Reglemente erfüllen.» 

Die Bezeichnung «Suisse Garantie» kann für eine breite Palette von pflanzlichen und tierischen Produkten verwendet werden. Auf der Webseite von Suisse Garantie wird erklärt, dass als Vorgabe «für nicht zusammengesetzte Produkte 100% Schweizer Herkunft» gilt, «für zusammengesetzte Produkte mindestens 90%». Wenn man also ein Schweinsplätzli mit der Aufschrift «Suisse Garantie» kauft, muss es in der Schweiz produziert worden sein. Bei einem Cordon Bleu dürfen hingegen 10% der Zutaten aus dem Ausland stammen.

Zurück zum Schweinsplätzli: Damit es die «Suisse Garantie»-Marke tragen darf, muss das entsprechende Schwein aus einem Schweizer Betrieb stammen. Aber was ist mit dem Futter, mit dem dieses Schwein gemästet wurde? Der Internetauftritt von «Suisse Garantie» erwähnt die geografische Herkunft von Futtermitteln nicht. Es wird lediglich gesagt, dass weder Nutztiere noch Futtermittel gentechnisch verändert werden dürfen. Faktisch könnte besagtes Schwein ausschliesslich importiertes Futter gefressen haben und trotzdem die Marke «Suisse Garantie» tragen. 

Beilage ist top! 

Werbeslogans wie «Schweizer Fleisch — Alles andere ist Beilage» oder «Schweizer Fleisch — Der feine Unterschied» haben die meisten Menschen in den letzten Jahren immer wieder gehört und gelesen. Die entsprechenden Werbekampagnen haben sie übrigens selber mit ihren Steuergeldern finanziert, und zwar über die Qualitäts- und Absatzförderung des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW). Mit diesem Anreizsystem wird den Konsumentinnen und Konsumenten jedoch suggeriert, dass das Produkt zu 100% aus Schweizer Produktion stammt, obwohl dies nicht garantiert ist. «Schweizer Fleisch» ist sicherlich eine sinnvolle Bezeichnung für Produkte, die wirklich zu 100% einheimisch produziert werden. Dies ist aber bei Fleisch von Tieren, die mit importierten Futtermitteln ernährt wurden, nicht der Fall. Damit werden Konsumentinnen und Konsumenten getäuscht, Landwirte zur Fleischproduktion gedrängt und der Fleischverzehr angekurbelt, auf Kosten der Gesundheit und der Umwelt.

Regionale Tierprodukte sind nur dann nachhaltig, wenn die Nutztiere mit lokal erzeugtem Futter gefüttert werden. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil des Versprechens an Käuferinnen und Käufer: Wer regionale Produkte kauft, vermeidet Lebensmittelrohstoffe, die eine halbe Weltreise hinter sich haben, wenn sie bei uns auf dem Teller landen. Wird hier mit Bezeichnungen geschummelt?

Proviande weist gerne darauf hin, dass der Grossteil der hierzulande verwendeten Futtermittel aus der Schweiz stammt, und hebt speziell jene Landwirte hervor, die ihre Tiere mit ihrer eigenen Ernte füttern. Wer die Marke «Schweizer Fleisch» nutzt, ist jedoch nicht verpflichtet, Schweizer Futter zu verwenden. Das Versprechen liegt also ganz in der Eigenverantwortung der Produzenten. Ein Verbot von Futtermittelimporten würde zwar zu einer geringeren Produktion in der Schweiz führen. Hochwertiges Schweizer Fleisch und entsprechende Milchprodukte wären aber weiterhin verfügbar. Würde ein solches Verbot in Kraft treten, so müsste das Thema «weniger Fleisch essen» zeitnah angepackt werden. Den Produktionsrückgang durch importierte Fleischprodukte zu kompensieren, wäre für die Umwelt noch schädlicher als die jetzige Situation, und würde zudem die Schweizer Landwirtschaft schwächen.

Schlimmer noch: Wer die Marke «Schweizer Fleisch» verwendet, muss nicht einmal das Label «Suisse Garantie» besitzen. Die Bezeichnung «Schweizer Fleisch» bietet also kaum Gewähr, dass das Fleisch aus wirklich nachhaltiger Produktion stammt. 

Die vom Bund finanzierte Absatzförderung bietet keine Garantie für Nachhaltigkeit. Steuergelder, die zur Unterstützung der Landwirtschaft eingesetzt werden, müssten eigentlich den ökologischen Wandel in der Landwirtschaft fördern. Nicht umsonst hat der Bund im Jahr 2008 Umweltziele für die Landwirtschaft festgelegt. Rund 13 Jahre später ist die Bilanz jedoch kläglich: Keines der Ziele wurde erreicht, und die Debatte um eine neue Agrarpolitik ist im Parlament blockiert. 

Währenddessen steigen die Futtermittelimporte in den letzten Jahren deutlich. Die Schweiz verbraucht zur Futtermittelproduktion für ihre Nutztiere im Ausland nochmal so viel Agrarfläche wie im Inland. Damit erhöht sich der Druck, weltweit Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. Dieser Nutzungsdruck ist massgeblich für den Zusammenbruch der globalen Biodiversität und die Abholzung der Wälder verantwortlich.

Aber wie können wir dann eine nachhaltige Produktion fördern? Als erstes muss der Fleischverbrauch in der Schweiz reduziert werden. So können Futtermittelimporte gestoppt werden. Und Flächen werden frei zur Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln für Menschen. Dies reduziert die Umweltbelastung durch die Schweizer Landwirtschaft und stärkt die Ernährungssicherheit.

Es ist ein erster Schritt hin zu einem neuen Agrarsystem, das im Einklang mit der Artenvielfalt und dem Klimaschutz steht. Für eine solche Agrarreform muss zuallererst die landwirtschaftspolitische Diskussion wieder in Gang kommen. Und der Wandel muss eine neue, ökologische und tiergerechte Produktion hervorbringen. Ein mögliches Modell dafür hat Greenpeace im Jahr 2018 entwickelt: «Landwirtschaft mit Zukunft».

Am 13. Juni 2021 stimmt die Schweiz über die «Initiative für sauberes Trinkwasser» ab. Greenpeace unterstützt diese Initiative, denn sie stoppt Futtermittelimporte und führt rasch zu einer nachhaltigeren Fütterung von Schweizer Nutztieren.