Wollen wir das Klima und die Biodiversität schützen und damit unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten, müssen endlich auch unsere Vorsorgegelder nachhaltig verwaltet werden. Doch die allermeisten Schweizer Pensionskassen hinken mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie weit hinterher. Das zeigt die Analyse entsprechender Dokumente, die wir dank engagierter Versicherten einsehen konnten. 

Mit einer artistischen Kundgebung haben Greenpeace-Aktivist:innen Anfang Februar Versicherte in der Schweiz dazu aufgerufen, ihrer Pensionskasse zu schreiben und konkrete Fragen zu deren Nachhaltigkeit zu stellen. Die fröhliche und bunte Aktion zeigte Wirkung: Über 1’200 Versicherte haben in den vergangenen Wochen mit unserem Online-Tool «PensionWatch» bei ihrer Vorsorgeeinrichtung mit 5 konkreten Fachfragen nachgefragt und Rechenschaft über deren Nachhaltigkeit verlangt. 

Hintergrund: Letztes Jahr haben wir in einem Bericht die durchschnittlichen Investitionen der Schweizer Pensionskassen in Regenwald zerstörende Unternehmen berechnet. Wir konnten aufzeigen: Die Schweizer Pensionskassen sind mit mindestens 60 Milliarden Franken in Unternehmen investiert, die für die Abholzung von tropischen Wäldern besonders verantwortlich sind. Zudem haben wir durch Stichproben in verschiedenen Anlagereglementen festgestellt, dass viele Pensionskassen ihren Einfluss, den sie als Investorinnen und Miteigentümerinnen dieser Unternehmen hätten, nur ungenügend wahrnehmen – oder nicht nachvollziehbar ausweisen. 

Künstlerische Kundgebung von Greenpeace-Aktivisten für klimafreundliche Pensionsfonds. © Jorma Mueller / Ex-Press / Greenpeace

Crowd Research

Weil nur wenige Pensionskassen transparent über ihre Nachhaltigkeitsstrategie informieren, sind wir dankbar für all jene Versicherte, die mit unserem Online-Tool «PensionWatch» ihre Pensionskasse angeschrieben und uns die Antwort, sofern eine eingegangen ist, weitergeleitet haben. 

Wir haben die Antworten analysiert und nach folgenden Kriterien bewertet:

  • Qualität der Antwort: Haben wir eine Antwort erhalten? Ging die Pensionskasse auf die Fragen ein? Sind die Antworten für Lai:innen verständlich? etc.
  • Inhaltliche Bewertung der Aussagen 
    • zur Dekarbonisierung des Portfolios
    • zu den Massnahmen gegen Abholzung
    • zu den Massnahmen bezüglich einer Dekarbonisierung des Immobilienportfolios
    • zur Einflussnahme auf die investierten Unternehmen mittels Dialog (Engagement-Prozess), Abstimmungen (Voting) und Resolutionen 
    • zu den getätigten Impact-Investments (Investitionen in Nachhaltigkeitslösungen)

Wir haben uns bei der Bewertung an denjenigen Antworten orientiert, die uns von Versicherten weitergeleitet wurden. Dabei haben wir viel Goodwill gezeigt, wenn die Fragen von den Pensionskassen nicht direkt beantwortet wurden, sondern in weiterführenden Dokumente nach entsprechenden Informationen gesucht werden musste. Dies haben wir bis zu einem, für eine:n Versicherte:n zumutbaren Mass getan. 

Die Bewertung der einzelnen Antworten sowie der Bewertungsleitfaden und weitere Erläuterungen sind in dieser Tabelle dokumentiert.

Zusammenfassung

Die Bereitschaft, auf Fragen von Versicherten einzugehen, insbesondere die Bereitschaft, spezifische Fragen zur Nachhaltigkeit zu beantworten, ist bei einer Mehrheit der Pensionskassen nicht vorhanden. Über 130 Pensionskassen wurden von mindestens einer versicherten Person per E-Mail angeschrieben. Am Ende lagen uns aber nur Antworten von 46 Kassen vor, die wir analysieren konnten. Dieses mutmassliche Ignorieren der eigenen Versicherten ist insbesondere irritierend bei grösseren und bei öffentlich-rechtlichen Kassen wie zum Beispiel: Kantone Jura, Genf, Schaffhausen, Zug, Swisscom, Sammelstiftungen Helvetia oder Vita Invest.

Von den Vorsorgeeinrichtungen, die geantwortet haben, liefern nur die wenigsten konkrete Antworten auf die spezifischen Fragen zur Nachhaltigkeit (Positiv: ASGA, BLPK, PKSL, Previs, Publica, PKZ, Abendrot, Nest). Die Mehrheit speist ihre Versicherten mit pauschalen Allgemeinplätzen ab oder verweist auf ihr Anlagereglement bzw. ihre Nachhaltigkeitsstrategie, wo die Antworten mühsam selbst gesucht werden müssen. Wir konnten aber auch in den weiterführenden Dokumenten nur selten aussagekräftige Informationen finden. (Äusserst negativ: zB Coop-PK, AHV-Ausgleichsfonds Compenswiss und Siemens). Fazit: Viele Kassen nehmen die Anliegen und Fragen von Versicherten nicht ernst oder sehen es nicht als ihre Aufgabe, spezifische Fragen zur Nachhaltigkeit zu beantworten (Sika).

Wie wir heute investieren, bestimmt das Leben von morgen. © Jorma Mueller / Ex-Press / Greenpeace

Bei den verbleibenden 18 Kassen, bei denen wir konkrete Antworten bewerten konnten, zeigt sich ein diverses Bild bezüglich ihrer Nachhaltigkeitsanstrengungen. 

Die systematische Dekarbonisierung ihres Anlage-Portfolios gehen erst wenige Pensionskassen an. Und wenn, dann haben sich viele noch keine Zwischenziele gesetzt. Dabei ist das zentral, denn: Ein langfristiges 2050-Klimaziel ist nichts wert, wenn keine Zwischenziele das Tempo der Emissionsreduktionen vorgeben. (Positiv: zB: Publica, Migros). Zwischenziele fehlen zum Beispiel bei (Kantone Bern, Solothurn und Aargau, Profond, SRG) 

Die Bewertung der wirksamen Einflussnahme der Pensionskassen auf die investierten Unternehmen, des sogenannten Engagement & Votings mittels Dialog, Resolutionen und Abstimmungen war schwierig, weil die Angaben dazu in den meisten Fällen sehr unkonkret formuliert wurden oder einfach auf Mitgliedschaften bei Engagement-Dienstleistern verwiesen wurde. Es wurde aber trotzdem deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Kassen diesen Wirkungskanal noch viel zu wenig zugunsten von Nachhaltigkeitszielen nutzen. 

Mangelnde Nutzung der Stimmrechte

Falls sie ihre Stimmrechte überhaupt nutzen, überlassen die Vorsorgeeinrichtungen die Entscheidung meist ihren Asset Managern, die hauptsächlich im Sinne von kurzfristiger Rendite handeln. Wenige positive Ausnahmen geben an, ihre Stimmrechte zugunsten von Nachhaltigkeitszielen zu nutzen, indem sie den Empfehlungen von Dienstleistern wie ETHOS, EOS at Federated Hermes, ISS-ESG oder Inrate folgen. (Beispiele: Retraites Populaire (CIP, CPEV),  Abendrot, Previs). Allerdings wird von diesen Diensten das konsequenteste Mittel, nämlich das Abstimmen gegen die Wiederwahl eines zuständigen Verwaltungsrates bei ungenügenden Nachhaltigkeitszielen, erst selten empfohlen. Hier wäre auch bei den Vorreitern noch mehr möglich.

Vorsorgeeinrichtungen könnten die Strategie und das Verhalten eines Unternehmens, in das sie investieren, viel mehr beeinflussen. © Greenpeace / Nicolas Fojtu

Für eine Einflussnahme mittels Engagement-Dialogen organisieren sich die nachhaltigen Kassen in Engagement-Pools. Hier haben wir eine Mitgliedschaft beim «ETHOS-Engagement Pool International» oder bei «EOS at Federated Hermes» am höchsten bewertet, weil diese Anbieter auf eine grosse Zahl Klima- und Wald-relevanter Unternehmen Einfluss nehmen. (Beispiele: PKZ, Previs, BPK, Retraites populaires (CPEV, CIP), PKBS, BLVK, Abendrot, APK, CPCN, Nest, PKSG (Pensionskasse St. Gallen), PKAR (Pensionskasse Appenzell Ausserrhoden)) Zudem scheinen sie vor einer Eskalation weniger zurückzuschrecken, so dass sie auch mal den angeschlossenen Pensionskassen empfehlen, die Investitionen aus einem bestimmten Unternehmen abzuziehen (Ausschluss-Empfehlung). Dies im Gegensatz zum SVVK-ASIR-Engagement-Pool, bei dem zudem aufgrund von Intransparenz schwer nachzuvollziehen ist, wie konsequent die Engagement-Prozesse geführt werden (Post, Publica, SBB, Migros, Compenswiss).

Die Anzahl der Unternehmen, auf welche die Engagement-Pools Einfluss nehmen, ist aber allgemein beschränkt und müsste massiv ausgeweitet werden, denn ALLE Unternehmen müssen nachhaltiger werden. Auch sollten sich die Pensionskassen in ihren Pools noch viel stärker für das Zustandekommen von Aktionärsanträgen zugunsten von Nachhaltigkeitsbemühungen bei den Unternehmen engagieren. Dies geschieht noch viel zu wenig, weshalb auch kaum über solche Anträge abgestimmt werden kann.

Impact Investment

Bei Investitionen in Nachhaltigkeitslösungen mittels Impact Investments herrscht ein unklares und uneinheitliches Verständnis der Begriffe. Eine seriöse Einordnung und Bewertung der Aussagen der Vorsorgeeinrichtungen zu diesem Thema ist daher nicht möglich. Einzelne Pensionskassen geben Primärmarkt-Investitionen im Bereich erneuerbare Energien oder Microfinance-Investments an. Andere wiederum scheuen sich, belastbare Aussagen zu machen aufgrund fehlender Definitionen. Hier muss der Regulator dringend Klarheit schaffen, damit dieser Wirkungskanal mehr genutzt wird.

Fazit: Die meisten der angeschriebenen Pensionskassen drücken sich vor einer Antwort. Bewertet wurden deshalb wohl grösstenteils die Antworten von Pensionskassen, die sich zu einem gewissen Grad schon für den Erhalt der Lebensgrundlagen engagieren. Aber auch diese haben zum Teil noch viel Potenzial. Das lässt wenig Gutes erahnen für den Grossteil der Pensionskassen – in der Schweiz sind über 1’000 Vorsorgeeinrichtungen tätig. 

Umso wichtiger ist es, dass die regulatorischen Behörden so schnell wie möglich Transparenz über die Nachhaltigkeit aller Pensionskassen zur Pflicht macht. Und noch wichtiger ist es, dass alle Vorsorgeeinrichtungen sich noch dieses Jahr an einer Anlagestrategie ausrichten, welche Rendite und Nachhaltigkeit nicht als Gegensatz versteht, sondern auf der Erkenntnis aufbaut, dass es ohne Nachhaltigkeit in Zukunft keinen Wohlstand im Sinne eines «guten Lebens» geben kann. Der Erhalt der natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen ist die Basis des Wohlstands und gehört deshalb zum Kernauftrag jeder Vorsorgeeinrichtung, im Interesse ihrer Versicherten.

Appell eingereicht

Dieser Forderung haben wir heute mit der Einreichung des Appells für nachhaltige Pensionskassen Nachdruck verliehen. 19’423 Bürger:innen und Versicherte fordern die Pensionskassen, das Parlament und den Bundesrat dazu auf, Massnahmen diesbezüglich zu ergreifen. Konkret fordern sie: 

Die Pensionskassen müssen ihr gesamtes Handeln an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Insbesondere bezüglich Klima, Artenvielfalt und sozialverträglicher Transition. Sie müssen über ihre Strategie und ihre Fortschritte grösstmögliche Transparenz herstellen.

a) Wir erwarten Transparenz über die aktuelle Nachhaltigkeitsstrategie, welche aufzeigt, wie die Pensionskasse mit ihren Handlungsmöglichkeiten dazu beiträgt, dass die Realwirtschaft rechtzeitig nachhaltig wird.

b) Wir erwarten bis Mitte 2023 eine Verpflichtung zu einer Nachhaltigkeitsstrategie, welche aufzeigt, wie die Pensionskasse mit ihren Handlungsmöglichkeiten dazu beiträgt, dass die Realwirtschaft, in die sie investiert, rechtzeitig nachhaltig wird.