Greenpeace Schweiz hat die Nachhaltigkeitsstrategie der Migros-Gruppe in Bezug auf Umwelt und Klima und mit Fokus auf den Bereich Ernährung untersucht. Das Ergebnis: Die Detailhändlerin hat zwar sinnvolle Ziele definiert, aber die Strategie weist grosse Lücken auf und ist zu wenig ambitioniert. Teilweise steht sie sogar im Widerspruch zu den eigenen  Projekten, wie der geplante Schlachthof im Kanton Freiburg zeigt. Die Migros muss ein nachhaltiges und an die lokalen Gegebenheiten angepasstes Ernährungssystem ermöglichen, indem sie beispielsweise ihr Sortiment und ihre Kommunikation so verändert, dass ihre Kund:innen weniger Tierprodukte konsumieren.

Die Migros wirbt auf ihrer Website damit, sie sei die nachhaltigste Detailhändlerin der Welt. Greenpeace Schweiz hat daher untersucht, ob diese Behauptung in Bezug auf Lebensmittel gerechtfertigt ist. Denn die Ernährung hat grossen Einfluss auf die Klima- und Biodiversitätskrise. Mit einem gemeinsamen Marktanteil von rund 80 Prozent dominieren Migros und Coop das Schweizer Ernährungssystem. Ihre Nachhaltigkeitsengagements spielen darum eine wichtige Rolle. 

Wichtigste Ergebnisse: Lücken und fehlende Ambitionen

Aus der Beurteilung (auf S. 6-8 des Berichts) geht hervor, dass die Nachhaltigkeitsstrategie der Migros die planetaren Grenzen nicht oder nur unzureichend berücksichtigt, obwohl sie angeblich darauf basiert. Zwei Beispiele: Die Ziele genügen bei Weitem nicht, um den Verlust der Biodiversität zu verlangsamen, und es gibt kein Ziel zur Reduktion von Stickstoffüberschüssen, die zu grossen Teilen aus der Tierproduktion stammen. Hinzu kommt, dass einige wichtige Ziele nicht auf Kurs sind (z. B. bei Food Waste). Den Klimazielen fehlt es an Ehrgeiz: Der weitaus grösste Teil der Emissionen der Migros-Gruppe stammt aus dem Einkauf von Produkten und Dienstleistungen (2019: 10.43 Mio. Tonnen CO2-eq). Zu diesem gewaltigen Anteil setzt sich die Migros kein Reduktionsziel.

«Die Migros spielt eine wichtige Rolle bei der Umstellung unseres Ernährungssystems. Indem sie ihr Angebot an Tierprodukten reduziert, könnte sie Produzent:innen und Konsument:innen helfen, ihre Produktionen bzw. Gewohnheiten zu ändern. Aber statt ihr Sortiment anzupassen, entscheidet sie sich zum Beispiel nur dafür, ihre Kund:innen (mit dem M-Check) über die Umweltverträglichkeit von Lebensmitteln zu informieren. Sie schiebt damit die Verantwortung, ökologisch verträgliche Lebensmittel auszuwählen, den Konsument:innen zu», erklärt Alexandra Gavilano, Expertin für nachhaltige Ernährungssysteme bei Greenpeace Schweiz. 

Neuer Schlachthof macht Nachhaltigkeitsbemühungen zunichte

Das Beispiel des analysierten Schlachthofprojekts der Micarna zeigt, dass die Migros in diesem Fall weder ihre eigenen Ziele noch die Vorgaben der Schweizer Agrarpolitik einhält. Die industrielle Hühnerproduktion ist stark von importiertem Kraftfutter abhängig und nicht an die lokalen Schweizer Verhältnisse angepasst. Würden Masthühner nur mit inländischem Futter gemästet, würde ihr Bestand in der Schweiz um 84 Prozent zurückgehen (zum Vergleich: Der Rinderbestand würde nur um 15 Prozent sinken). 

Diese Futtermittelimporte erhöhen die Stickstoffüberschüsse und verschärfen damit die Biodiversitätskrise. Mit dem geplanten Ausbau der Hühnerfleischproduktion, wird die Migros die Stickstoffüberschüsse in den Schweizer Böden, Seen und Flüssen um etwa 600 Tonnen pro Jahr erhöhen. 

Eine der wirksamsten Massnahmen, um die Biodiversität zu erhalten und das Netto-Null-Ziel zu erreichen, wäre, weniger Tierprodukte anzubieten. Mit dem neuen, gigantischen Schlachthof plant die Migros jedoch, ihre nicht nachhaltige Produktion von Schweizer Fleisch weiter auszubauen, ohne den Import von Hühnerfleisch zu reduzieren oder zu stoppen. 

«Die Migros macht offenbar lieber weiter Profit mit Hühnerfleisch, das die Natur zerstört, als die Menschen zu befähigen, im Einklang mit den planetaren Grenzen zu konsumieren», sagt Alexandra Gavilano. Das Projekt und die dafür nötigen Futtermittelimporte entsprechen auch nicht der Schweizer Agrarpolitik. Diese will den Selbstversorgungsgrad erhalten und eine standortangepasste Landwirtschaft fördern (Artikel 104a BV).

Kein nachhaltiges Ernährungssystem ohne Migros und Coop

Mit ihrem Duopol haben die beiden orangefarbenen Detailhandelriesen die Macht, die aktuelle Situation zu verändern. Deshalb fordert Greenpeace Schweiz Migros und Coop auf, umfassende und viel ehrgeizigere Nachhaltigkeitsziele zu setzen, um ein nachhaltiges und standortangepasstes Ernährungssystem zu ermöglichen. Dazu müssen sie mutig genug sein, Veränderungen mit grosser Hebelwirkung zu ergreifen, beispielsweise indem sie weniger Tierprodukte verkaufen. 

Weitere Informationen

Kontakt

  • Alexandra Gavilano, Expertin für nachhaltige Ernährungssysteme Greenpeace Schweiz
    +41 44 447 41 38, [email protected] 
  • Medienstelle Greenpeace Schweiz
    +41 44 447 41 11, [email protected]